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Das Wiedererwachen der Volksbewegungen

Fijáte 220 vom 11. Okt. 2000, Artikel 1, Seite 1

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Das Wiedererwachen der Volksbewegungen

Im Moment konzentrieren sich die Aktivitäten der ANN mehrheitlich auf ihre Vertretung in der Legislative, wo die Machtverteilung für sie ungünstig liegt. Um so wichtiger ist, dass die Aktivitäten im Kongress begleitet werden von Protesten auf der Strasse, die Ausdruck einer neuen Form von pluralistischer, demokratischer Organisation sind. Die ANN im Allgemeinen und die URNG im Speziellen haben Erfahrung darin, Bewegungen zu leiten, die soziale Gerechtigkeit fordern.

Heute kann man klar sagen, dass die sozialen Bewegungen einen Aufwärtstrend erleben, langsam zwar und mit unterschiedlichen Ausdrucksformen, aber nicht geleitet oder manipuliert von einer bestimmten politischen Kraft:

Ein Beispiel dafür waren die massiven Proteste gegen die Fahrpreiserhöhung des öffentlichen Transports in der Hauptstadt im Mai dieses Jahres. Breite Sektoren haben diese Demonstrationen unterstützt.

Oder die Proteste der StrassenhändlerInnen, die Ende Mai erreichten, dass ein Gesetzesvorschlag, der ein sehr hartes Vorgehen gegen den informellen Sektor vorsah, nicht verabschiedet wurde. (Leider legte Präsident Portillo sein Veto gegen das ausgehandelte Gesetz ein und es erlitt doch noch eine Verschärfung.)

Oder die jüngsten Demonstrationen gegen die Fälschung des Alkoholgesetzes, die jeweils am Dienstag vor dem Kongress stattfinden.

Oder der Hungerstreik der ElendsviertelbewohnerInnen (VGFREPOGUANF), der seit dem 22. September im Gange ist und breit unterstützt wird. (siehe Artikel in diesem ¡fijáte!)

Oder der Barrikadenbau im Stadtteil El Limón, wo die städtischen Wasserwerke EMPAGUA seit drei Monaten das VGWasserNF abgestellt haben.

Oder der Hungerstreik von LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern zur Unterstützung eines Lehrers, der in VGJutiapaNF unrechtmässig entlassen wurde.

Oder das Verkehrschaos, das auf der Pazifikstrasse entstand, als eine Gruppe von 300 Familien die Strasse blockierte, alles sog. 'Mitch-Opfer', die immer noch keinen definitiven neuen Wohnort zugeteilt bekommen haben und erneut von einer Räumung bedroht sind.

Oder die BäuerInnen-Bewegung, die vermehrt zu sog. medidas de hecho greift und für den 12. Oktober zu einer landesweiten Demonstration aufruft.

Oder, oder, oder... Sie sind unzählig, die kleineren und grösseren Unmutsbekundungen der Bevölkerung, nicht nur in der Hauptstadt, sondern vermehrt auch in den Departementen und Provinzen.

Tatsache ist aber, dass viele dieser Aktionen relativ kurzlebig sind und keine längerfristigen Auswirkungen haben. Die Demonstrationen im Zusammenhang mit der Transport-Preiserhöhung, z.B. schafften es zwar beinahe, eine Staatskrise auszulösen, doch wurde trotz der Einsetzung einer speziellen Kommission bisher keine Lösung gefunden. Ein erneuter Druck von der Strasse zu diesem Thema blieb bisher aus.

Tatsache ist auch, dass die URNG bzw. die ANN erst jetzt langsam beginnen, zu Aktionen aus den sozialen Bewegungen Stellung zu beziehen, diese unterstützen und im Kongress entsprechend Position beziehen. Wünschenswert wäre sicher, wenn die beiden Aktionsebenen, die Strasse und die Legislative, besser koordiniert würden.

Die aufgezählten Protestformen sind Beispiele für das Erwachen der guatemaltekischen Bevölkerung. So wie sich die politische Situation entwickelt, kann damit gerechnet werden, dass die Proteste der Bevölkerung gegen ihre Regierung weiterhin zunehmen.

Was sich aber jetzt schon abzeichnet, ist, dass die Regierung nicht fähig ist, mit solchen Demonstrationen umzugehen. Dialogversuche scheitern meistens, vielmehr reagieren gewissen Gruppen mit Methoden der achtziger Jahre: Überfälle auf Menschenrechtsorganisationen, Todesdrohungen und Einschüchterungsversuche und - als letztes Mittel die aussergerichtliche Hinrichtung nehmen in letzter Zeit massiv zu.


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