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Die sozialen Bewegungen und die Wahlen

Fijáte 279 vom 26. Feb. 2003, Artikel 1, Seite 1

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Die sozialen Bewegungen und die Wahlen

Viele Leute hegen die Hoffnung einer Wiedervereinigung der parteipolitischen Linken, einer grösseren Flexibilität, um Brücken zu anderen Sektoren zu bauen, aber das geschieht nicht. Das ist ein Problem, denn obwohl Guatemala eine konservative Gesellschaft ist, gibt es Raum für eine Linke, sie hätte viele Möglichkeiten, müsste dafür aber vor allem den Vertikalismus beiseite lassen, der sie prägt, sich nicht mehr gegenüber ausserparteilichen Sektoren taub stellen und eine wirkliche Oppositionsrolle einnehmen.

Wenn es einen Einheitsprozess gäbe und Verbindungen zu den sozialen Bewegungen aufgebaut würden, könnte dies der Linken eine Perspektive geben. Sie würde die Wahlen nicht gewinnen können, aber doch wichtige Stimmenanteile bekommen. Dafür sehe ich allerdings wenig Chancen, ich denke, wir werden eine gespaltene Linke bei den Wahlen sehen, die mit ihren kleinen Streitigkeiten beschäftigt sein wird - zur Freude und zum Vorteil der Rechten. Damit wird die Linke fünf bis sechs Prozent der Stimmen bekommen, mehr nicht.

Die guatemaltekischen Parteilinken glauben die Gralshüter des linken Denkens zu sein und verstehen nicht, dass die Linke ein politisches, soziales und kulturelles Phänomen ist. Alles was nicht parteipolitisch ist, wird nicht gesehen, nicht anerkannt, ausgeschlossen, während das Parteipolitische ohne den Rest kein grosses Gewicht hat. Die Linke als soziale Erscheinung im breiteren Sinne, als Weltsicht, als Prozess, der die gesellschaftliche Transformation zu mehr Gleichheit, Gerechtigkeit usw. sucht, wird in Guatemala als exklusives Parteieigentum gesehen und hat so keinen grösseren sozialen Einfluss. Ich nenne das "die kleinen Kirchen der Linken", die keine gesellschaftliche Projektfähigkeit haben und daher auch keine Entwicklung durchmachen.

Nehmen wir als Beispiel das Foro de Sao Paolo hier in Guatemala im Dezember 2002. Eine Versammlung diesen Kalibers hat auch hier grosses Interesse geweckt, zugleich war die Unfähigkeit der organisierten Linken, dem Ganzen eine gewisse Ausstrahlung zu verleihen und sie zu nutzen, wirklich bemerkenswert.

Jenseits davon, dass die Presse konservativ ist und sie die Linke nicht mag, existiert eine bedeutende Eigenverantwortlichkeit dafür, dass das Ereignis nicht das entsprechende Echo gehabt hat. Ich habe an verschiedenen Foren teilgenommen und in keinem war die Ausstrahlung so gering, wie hier in Guatemala. Unglücklicherweise, denn in allen Ländern des Kontinents wird sich auf das Treffen in Antigua bezogen, ausser in Guatemala.

Dies, obwohl das Foro de Sao Paolo im Vergleich zu den 90er Jahren heute deutlicher linke Positionen bezieht, weniger sozialdemokratische Beteiligung und dafür mehr von linken Bewegungen zeigte...

Ja, Anfang der 90er war der Fall der Berliner Mauer noch sehr frisch, der VGNeoliberalismusNF befand sich im Vormarsch und die Linke vermeintlich in der Defensive. Heute ist die Niederlage des Neoliberalismus deutlich zu sehen und folglich werden wieder viel mehr Erwartungen an linke Optionen gestellt. Dennoch gibt es Länder, wie eben Guatemala, wo es nicht gelungen ist, diese Entwicklung zu sehen, zu begreifen, dass der Neoliberalismus keine Option mehr darstellt und wie die Ansätze der Linken - befreit von einem Haufen alter Dogmen - eine Option für die Zukunft ist.

Nach einer Phase in der es darum ging, dass die Linke nicht verschwindet, befinden wir uns heute in einer Situation, in der die Linke weltweit Räume erobert. In verschiedenen Formen und mit unterschiedlichen Komponenten, eine Linke, die weniger mit den alten Schemata verknüpft ist, aber letztlich eine Linke, die eine Transformation in die Richtung auf die Tagesordnung setzt, wie sie immer schon historisch von der Linken verfolgt wurde. Es wird offensichtlich nicht mehr der Sozialismus mit der gleichen Vehemenz wie früher vertreten, aber eben eine Transformation, mehr Gleichheit, die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, also die Wurzeln der sozialistischen Idee. So ist die Linke nicht nur nicht verschwunden, sondern die einzige Option, die wir haben. Nicht nur in Lateinamerika, wenn ich mir z.B. Italien anschaue... das Pendel schlägt heute wieder in die Gegenrichtung. Auch wenn das in Guatemala noch nicht sichtbar ist, aber hier kommt immer alles zehn Jahre später.

Wie ist die Situation in den 13 Gemeinden, die von der URNG kontrolliert werden? Ist dort eine andere Politik spürbar? Gibt es dort eine stärkere Unterstützung der URNG?

Die URNG hat dort die Bürgermeisterwahlen gewonnen, mehr nicht. Sie hatte bestimmt ein Interesse, dort ein alternatives Modell zu schaffen, doch das ist nicht geschehen. Die kontinuierliche Beschwerde der Bürgermeister betrifft die mangelnde Unterstützung seitens der Parteistrukturen. Daher wird der Sieg bei den nächsten Wahlen dort nicht mehr so leicht wie beim ersten Mal sein. Es gibt zu wenig Anzeichen eines alternativen Projekts, einer anderen Art Politik zu machen, eines starken Engagements der politischen Institutionen.

In VGBrasilienNF z.B. entwickelte die PT in einigen Gemeinden den partizipativen VGHaushaltNF, das gab den Kommunen der PT - nicht in allen - aber doch in vielen Fällen, eine eigene Note. In Guatemala gibt es kein Merkmal, das die Kommunalpolitik der Linken charakterisiert, wo sie die Bürgermeisterämter besetzt. Das ist ein bisher ungelöstes Problem, leider, denn es hätte eine andere Verwaltung entwickelt werden können, es hätte von diesen Gemeinden eine Gestaltungsweise ausgehen können, die auf andere abfärbt, aber das ist nicht der Fall.


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