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Fall Rosenberg - Chronik eines angekündigten Todes

Fijáte 452 vom 20. Januar 2010, Artikel 2, Seite 3

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Fall Rosenberg - Chronik eines angekündigten Todes

Effekte und Nebeneffekte

Dank der Ergebnisse der Untersuchungen der CICIG sind der Präsident Alvaro Colom, seine Frau Sandra Torres sowie sein Privatsekretär Gustavo Alejos vom Verdacht befreit, mit der Ermordung von Anwalt Rosenberg etwas zu tun zu haben. Was aber gemäss Castresana unbedingt weiter untersucht werden muss, ist ihre Rolle im Fall der Ermordung von Khalil Musa und dessen Tochter Marjorie. Colom berief sofort eine Pressekonferenz ein, die er mit folgenden Worten einleitete: "Mein tiefer 58 Jahre alter katholischer Glaube hat mich gelehrt, dass das Gute immer über das Schlechte siegt."

Das Abhören der Telefone der materiellen Täter trug dazu bei, dass der Mord an Bandenmitglied Idelmo López sowie eine Entführung und ein Banküberfall verhindert werden konnten. Ebenfalls belegten die Untersuchungen, dass der ehemalige Innenminister Salvador Gándara die Gunst der Stunde nutzte, um der VGPatriotischen ParteiNF von VGOtto Pérez MolinaNF eins auszuwischen, indem er einen falschen Zeugen bezahlte, der aussagte, er sei von Parteiführer Otto Pérez Molina für den Mord an Rosenberg bezahlt worden. Peréz Molina will diese Sache nicht auf sich sitzen lassen.

Ungeklärt bleibt für Castresana momentan die Rolle von Banrural, über welche die sozialen Fonds der Präsidentengattin laufen. Unklar ist auch, ob und welchen Zusammenhang es zwischen Banrural, Anacafé und der Ermordung der Musas gibt. Castresana hat offenbar keine schlüssigen Beweise. "Es ist sehr schwierig irgendetwas dazu zu sagen. Wir sind erst zwei Monate nach der Ermordung einbezogen worden." Doch auch hier bleibt die CICIG dran: sie ist im Besitz von rund 6500 Daten, die analysiert werden, hatte bereits 60 Sitzungen zum Thema und nahm 25 ZeugInnenaussagen zu Protokoll. Die CICIG will nun auch Personal vom Fall Rosenberg abziehen und für den Fall Musa arbeiten lassen. "Die Beweise, die Rosenberg laut Video über die Ermordung der Musas hat, gibt es leider nicht. Es gibt einzig zwei Briefe: einen, in dem Musa seine Ernennung in den Vorstand von Banrural und Anacafé akzeptiert, und einen anderen, in dem er wieder davon zurücktritt. Beweisen tut das noch gar nichts", so Castresana.

Soweit die Fakten die Carlos Castresana präsentierte, die aber jetzt noch den juristischen Weg gehen müssen. Das an der Pressekonferenz anwesende diplomatische Corps drückte Castresana seine vollumfängliche Unterstützung aus.

Reaktionen

Die elektronischen Foren sind voll von widersprüchlichen Meinungen "Will uns Carlos Castresana Glasscherben für Spiegel verkaufen?" heisst es seitens eines Skeptikers. Im selben Blog fordern andere User "Castresana for President". Unabhängig von all diesen Reaktionen hat sich etwas verändert. Der Anwalt, der im letzten Mai zum Helden stilisiert wurde, weil er den Präsidenten und dessen Gattin als seine Mörder bezeichnete, und damit die bisher der Straflosigkeit mit Amnesie begegnenden Bevölkerung aufrüttelte, wurde zu einem emotional angeschlagenen Mann, der absichtlich eine falsche Fährte legte, die sogar für die GuatemaltekInnen zu viel war und zu sehr den Anschein einer Telenovela trägt.

Wahrheit oder Lüge? Dies herauszufinden, ist Aufgabe der Gerichte. Aber was heisst es für die Leute, die, vornehmlich aus der konservativen Mittelschicht stammend, in weisse Hemden gekleidet wohl zum ersten Mal im Leben demonstrierten, Rosenberg zu ihrem Helden machten und den Rücktritt von Präsident Colom forderten? "Unglaublich" sagt, Alejandro Quinteros gegenüber der Reporterin von VGPrensa LibreNF. Er ist einer der Jugendlichen, die im Mai vergangenen Jahres auf die Strasse gingen und heute einer Gruppe angehört, die sich "Nationale BürgerInnenbewegung" nennt, die sich aufgrund der Ermordung von Rosenberg gegründet hat. "Enttäuscht? - Nein. Viele Leute zweifeln an der Geschichte. Und unabhängig davon hat Rosenberg in vielem recht, was er sagte, zum Beispiel über die Straflosigkeit, die in Guatemala herrscht", ergänzt Quinteros. "Er wollte uns etwas Wichtiges mitteilen, aber vielleicht hat er nicht die beste Form dazu gewählt. Das einzige was wir tun können, ist, für seine Seele zu beten."

"Es ist wie Hollywood" schreibt ein anderer Internetbenutzer. Offenbar gibt es eine VGkolumbianischeNF Telenovela, die ganz Guatemala kennt, in der eine der Protagonistinnen ihren eigenen Mörder beauftragt. Die Filmserie endet mit dieser Szene. "Auch mich betrog er", hiess es in einem anderen Blog. Der Schreiber richtete sich mit dieser Feststellung an alle andern, die wie er "weisse Hemden getragen haben, die uns jetzt zu nichts anderem dienen, als uns damit abzuwischen."

Der Analyst VGEdgar Gutiérrez hat mehr Fragen als Antworten. "Wie erklärt man sich, dass jemand, der emotional so durcheinander ist, so durchdacht und geplant vorgeht, sein Erbe regelt, alle finanziellen Fragen löst, Datum und Zeitpunkt genau festlegt - aber keine Sekunde an die Leute denkt, deren Ruf er durch sein Video schädigt?"

Das Schlusswort sei Mario Antonio Sandoval überlassen, der am 13. Januar 2010 in seiner Kolumne in Prensa Libre schrieb: "Im besten Fall ist der zweite Akt des Dramas gelöst, der erste hingegen ist immer noch offen. Und solange die Ermordung von Khalil und Marjorie Musa nicht geklärt ist, bleibt der Fall ein Rätsel."


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