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Zwei gegensätzliche und doch voneinander abhängige Welten

Fijáte 459 vom 28. April 2010, Artikel 1, Seite 1

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Zwei gegensätzliche und doch voneinander abhängige Welten

In vielen vor allem ländlichen Gegenden Guatemalas ist die traditionelle Maya-Medizin nicht bloss der indigenen Bevölkerung vorbehalten, sondern oft die einzig überhaupt verfügbare. Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen den ladinen urbanen und den indigenen ländlichen Regionen was die medizinische Versorgung betrifft. Entsprechend häufig sind in den ländlichen Gegenden Infektionen und Krankheiten zu beobachten, die mit der Ernährung, dem Trinkwasser oder mit Schwangerschaften zu tun haben.

Nicht nur eine Frage des Geldes

Ein weiteres Problem sind die mangelnden finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen. Gemäss der Organisation Beobachter sozialer Ausgaben ist das Budget des Gesundheitsministeriums ständigen Modifikationen und Kürzungen unterworfen, die keinem ersichtlichen Konzept folgen. Der Budgetposten "Promotion und Prävention" wurde im Lauf des Jahrs 2009 um 40% gekürzt, "Reproduktive Medizin" wurde um 61% gekürzt, " VGHIV und Aidsprävention" um 48%.

Aber es ist nicht bloss ein Problem fehlender Ressourcen. Das guatemaltekische Gesundheitssystem ist in verschiedene Bereiche unterteilt: die Spitäler, die Sozialversicherung, die Gesundheitsdienste der Armee und die Gesundheits- und Sozialprogramme der Regierung sowie die VGUniversität San Carlos. Dazu kommen noch die privaten Gesundheitsanbieter. Zwischen diesen einzelnen Sektoren gibt es keine Kooperation, sondern vielmehr eine Konkurrenz oder schlichtweg Ignoranz einander gegenüber. Wodurch natürlich die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, in diesem Fall die medizinisch bedürftigen Indígenas, aus dem System fallen, dass sie für niemanden eine interessante Zielgruppe sind bzw. sie die Hürden (Geld, formale Arbeit, Sprache etc.) zum Zugang zu medizinischer Versorgung nicht überwinden können.

Im Mai 2007 gab die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (OPS) bekannt, dass die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit in Guatemala zwischen 1995 und 2003 um 50% zurückgegangen seien. Als Konsequenz davon seien die privaten Ausgaben für Gesundheit um 60% gestiegen. Diese Ausgaben betrafen zum grössten Teil die Deckung medizinischer Grundbedürfnisse, welche die Leute mangels garantierter und kostenloser Grundversorgung selber berappen müssen. Für viele Leute ist auch dies ausserhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Regulieren oder integrieren?

In diesem Kontext wurde in den letzten Jahren vermehrt über die Notwendigkeit diskutiert, die traditionelle Maya-Medizin ins offizielle Gesundheitssystem zu integrieren. Der Zugang der indigenen Bevölkerung zur VGGesundheitsversorgung ist ein soziales Recht, das durch die Unterzeichnung diverser nationaler und internationaler Abkommen vom guatemaltekischen Staat anerkannt ist. Auch der Gesundheitskodex aus dem Jahr 1996 anerkennt die traditionelle Medizin, enthält aber keinerlei normativen Grundlagen, wie mit ihr umgegangen werden soll.

Das grösste Problem ist die gegenseitige Unkenntnis. Schon in den 70er Jahren wies z. B. der Landarzt Juan José Hurtado darauf hin, dass er vieles, was seine PatientInnen über ihre Krankheit erzählen, nicht verstehe. Oft sei er irritiert über das Gewicht, das sie gewissen Symptomen gaben, die für ihn keine Bedeutung hätten, die er aber im kulturellen Kontext akzeptieren müsse. Der Arzt schrieb damals: "Das fundamentale Problem der westlichen ÄrztInnen ist, dass sie meinen, ihre Mission sei es, eine mentale Leere aufzufüllen, und davon ausgehen, dass die Leute keine eigenen Erfahrungen mit ihren Krankheiten hätten, was vollkommen falsch ist."

Felipe Pol, Leiter eines Barfussmedizin-Projekts, bestätigt diese gegenseitige Unkenntnis und sieht darin das grösste Problem der Unkompatibilität. Dies führe dann dazu, dass man nicht in der Lage oder willens sei, einander gegenseitig PatientInnen zu überweisen, womit man diesen oft heilende oder lebensrettende Dienste vorenthalte. Pols Organisation arbeitet seit Jahren mit Ärzten und Krankenschwestern im Bereich der Pflanzen- und traditionellen Maya-Medizin und versucht, ihnen deren präventiven Charakter schmackhaft zu machen. Auf der anderen Seite erklären sie den Maya-MedizinerInnen, wie das offizielle Gesundheitssystem funktioniert und wie sie es anstellen müssen, um die Formalitäten für eine PatientInnenüberweisung zu erfüllen. Ein weiterer Aspekt der Arbeit ist das Sammeln und Bewahren des traditionellen Wissens sowie die Stärkung von medizinischen Basisprojekten. Diese wurden während dem Krieg stark geschwächt und haben heute damit zu kämpfen, dass gewisse religiösen Sekten sie verteufeln wollen bzw. die Jugendlichen keine Lust haben, sich in jahrelangen Prozessen ein Wissen anzueignen, das sie nicht in einem bezahlten Beruf umsetzen können.


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