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Fijáte
 

Fijáte-Archiv 2005

Liste der jeweiligen Leitartikel, bestehend aus der Überschrift und dem zugehörigen ersten Absatz und der Verlinkung zum PDF oder zur HTML-Version des ersten Artikels. Sollte bei der Verlinkung das Schlosssymbol stehen, ist die Ausgabe noch nicht freigegeben und es wird ein Passwort benötigt.

Jahresüberblick

Fijáte 350 (21.12.05) PDF 1. Artikel
   Zahlenakrobatik rund ums Staatsbudget
   Die Diskussionen rund um das Haushaltsbudget des guatemaltekischen Staates (siehe ¡Fijáte! 349) prägten in den letzten Wochen die Schlagzeilen in den Medien und die Gespräche in den Gängen des Kongresses. Zahlen in Millionenhöhe bergen in sich die Verlockung, Vergleiche anzustellen und Umverteilungsvisionen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang erschien in der Internetzeitschrift cambio3 der folgende Zahlen-Sport-Artikel von Byron Barrera.
   Ebenfalls zu Zahlenspielereien aufgelegt war die Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM), welche die Budgetdiskussion als Anlass nahm, den Hungerbekämpfungsdiskurs der Regierung den real budgetierten Zahlen in diesem Bereich gegenüberzustellen und einen Vergleich mit dem Cero Hambre- Programm der brasilianischen Regierung zu ziehen. Wir veröffentlichen eine Kurzfassung des daraus entstandenen Dokuments.
   „Ein Land, das nie an einer Fussballweltmeisterschaft teilgenommen hat, gibt mehr aus für den Sport als fürs Justizwesen“

Fijáte 349 (07.12.05) PDF 1. Artikel
   "Einen Präsidenten zu stürzen, ist schon recht viel"
   Wir haben kürzlich an dieser Stelle einen Artikel über die Indigene Bewegung und das Projekt der Amerikanischen Deklaration zu den Rechten der Indigenen Völker veröffentlicht (siehe ¡Fijáte! 345). Der Autor jenes Artikels begrüsste einerseits die Existenz Internationaler Konventionen über die Rechte der Indigenen Völker, wies aber gleichzeitig auf die Gefahr hin, mit der Konzentration auf eine Annerkennungspolitik die Forderungen nach Umverteilung zu vergessen.
   Mit dem hier veröffentlichten Artikel möchten wir die Diskussion über die "Indigene Identität" bzw. die "Indigenen Identitäten" weiterführen. Santiago Bastos und Saríah Acevedo sprechen das Problem an, dass der Staat die Rechte und die Identität der indigenen Bevölkerung auf ein kulturelles "Phänomen" reduziert, wenn es aber um Macht oder eben Umverteilung der Macht geht, die bekannten Ausschlussmechanismen wieder ins Spiel kommen.
   Das nachfolgende Interview mit Santiago Bastos und Saría Acevedo erschien in Inforpress Centroamericana 1634 vom 18. November 2005.

Fijáte 348 (23.11.05) PDF 1. Artikel
   Aids ­ eine ignorierte Epidemie
   Vor einem Jahr, am 1. Dezember 2004 kündigte der guatemaltekische Präsident Oscar Berger die Politik seiner Regierung zur Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten, speziell von HIV/Aids an. Heute, ein Jahr später, wartet man immer noch auf die Offizialisierung dieser Politik durch ein entsprechendes Regierungsdekret, von einer Umsetzung ganz zu schweigen. Woran liegt das Problem?
   Wir veröffentlichen den folgenden Artikel aus Anlass des Welt-Aids-Tags am 1. Dezember. Als Grundlage dazu diente ein Text aus Inforpress Centroamericana Nr. 1632.
   In Guatemala wurde bereits im Jahr 2000 ein Gesetz angenommen, das AIDS-infizierten Personen ihre Grundrechte sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung, inklusive der Behandlung mit anti-retroviralen Medikamenten garantiert. In Guatemala sind schätzungsweise rund 78'000 Personen HIVpositiv, doch nicht einmal 30 Prozent der nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen rund 13'000 Personen, die dringend eine lebensverlängernde antiretrovirale Behandlung benötigen, erhalten diese auch.

Fijáte 347 (09.11.05) PDF 1. Artikel
   Geheime Dienste
   Mitte Oktober verabschiedete der guatemaltekische Kongress ein Gesetz, um der Generaldirektion für zivile Geheimdienst- und Informationstätigkeit (Dirección General de Inteligencia Civil e Información, DIGICI) die legale Basis zu geben. Damit ist einer der Forderungen entsprochen, die im 1996 unterzeichneten Teil-Friedensabkommen über die ,,Stärkung der Zivilgewalt und die Rolle der Armee in einer demokratischen Gesellschaft" festgehalten ist: Der Trennung zwischen militärischen und zivilen Sicherheits- und Geheimdienstapparaten. Eine weitere Forderung ist die nach einem Rahmengesetz, das die Aufgaben und Kompetenzen der verschiedenen Geheimdienste regelt. Ein solches Gesetz ist im Moment im Kongress in Diskussion.
   Das neue Gesetz über einen zivilen Geheimdienst wird zwar allgemein begrüsst, doch befürchten Menschenrechtsorganisationen, dass die Institution DIGICI, falls sie nicht einer strikten Kontrolle und Kompetenzeinschränkung unterliegt, ebenso anfällig auf Missbrauch ist wie die früheren (militärischen) Geheimdienste.
   Der folgende Artikel beschreibt die Geschichte und den aktuellen Stand sowie die Herausforderungen an eine zukünftige Ausgestaltung von Geheimdiensten. Als Grundlage diente der Text Camino Rocoso ­ Avances y Desafíos de la Reforma de Inteligencia en Guatemala, den Iduvina Hernández von Sedem (Sicherheit in Demokratie) geschrieben und das Washington Office on Latin America (WOLA) im September 2005 veröffentlicht hat.

Fijáte 346 (26.10.05) PDF 1. Artikel
   Nach Stan: Zurück zur "Normalität"?!
   Rund drei Wochen, nachdem der Sturm Stan seine Verwüstungen vornehmlich im Südwesten, Westen und Hochland Guatemalas angerichtet hat, bleiben Fragen, Zweifel, Kritik und Verzweiflung. Weder sind inzwischen alle Gemeinden erreicht, in denen Hilfe gebraucht wird, noch reicht das aus, was an Sach- und Nahrungsspenden gesammelt wurde, um der betroffenen Bevölkerung aus der ärgsten Not zu helfen. Die Regierung hat keinen Überblick über den tatsächlichen Schaden und die Zahlen der betroffenen Dörfer und BürgerInnen. Und noch weniger hat sie eine Idee oder gar Strategie für das weitere Vorgehen, von den Mitteln ganz zu schweigen. Als Retter in der Not sprang das Militär - stets schwerbewaffnet! - in Bergungs- und Evakuierungsaktionen ein, eine Aufgabe, die augenscheinlich der Bevölkerung zu Gute kam. Es ist zu befürchten, dass damit nun die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung geschaffen ist, um das Militär nicht nur bei Naturkatastrophen à la Stan, sondern auch für andere "soziale Einsätze", sprich gegen Gewalt und Delinquenz, gegen regierungskritische Demonstrationen oder gegen Jugendbanden auf die Strasse zu schicken. Beeindruckend derweil die vorgebliche Solidarität der HauptstadtbewohnerInnen, die in vielen Fällen an Rassismus nicht zu überbieten war: Gespendet wurde dreckige, kaputte Kleidung, westliche noch dazu, die in indigene Gemeinden geschickt werden sollte. Mir klingt noch die Stimme der Ladina im Ohr, die sich im Radio über die Undankbarkeit der Betroffenen aufregte und meinte, in so einem Katastrophenfall würde sie sich doch alles anziehen! Auf den folgenden Seiten versuchen wir, ein umfassendes Bild der aktuellen Situation zu geben, beginnend mit einer Kolumne von Carolina Sarti Escobar, gefolgt von einem Kommuniqué des Internationalen Indigenen BäuerInnenkongresses (CLOC) und diversen Nachrichten zum Thema.
   Vor Stan bedeutete "Normalität" in Guatemala, dass zwei Drittel der Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebte, das Tausende von guatemaltekischen Familien, in ihrer Mehrheit Indígenas, weder Land noch ein Haus besassen und keine Arbeit hatten, dass Millionen von Personen an unsicheren, dem Vergessen ausgesetzten Orten wohnten. Vor Stan bedeutete ,,Normalität", dass die Hälfte unserer Kinder unter 5 Jahren an chronischer Unterernährung litten und als Folge davon körperliche und geistige Mängel aufwiesen. Ist dies die "Normalität" zu der wir zurückkehren wollen? Ein Schritt vorwärts und einer zurück, sagen die Sachverständigen, und versprechen uns, dass bald die Normalität zurückkehrt. Wenn aber das Wasser das nächste Mal ansteigt, werden die karitativen Seelen, die sich heute mit den Opfern der Tragödie solidarisieren, die drei ,,weisen Affen" mimen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Ich wehre mich gegen dieses abnormale Verständnis von Normalität, die von zu vielen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Machteliten während zu langer Zeit aufrechterhalten wurde. Normal wäre, dass alle genügend zu essen hätten, von einer guten Bildung und einem funktionierenden Gesundheitssystem profitieren könnten, in Sicherheit und einer gesunden Umwelt ihre Entwicklungsmöglichkeiten ausschöpfen könnten, eine würdevolle Arbeit, einen Ort, um zu wohnen, Zugang zur Justiz und freie Zeit, um sich zu Erholen, hätten. Wenn also die Voraussetzungen für ein Leben in Frieden gegeben wären. Normalität wäre, wenn alle Menschen als solche leben könnten. Doch kehren wir zur guatemaltekischen Normalität vor Stan zurück und werfen einen genaueren Blick auf nur eines der absurden Beispiele. Innerhalb des Staatshaushalts für 2006 wird für das auf 15'500 Mann reduzierte Militär eine Budgeterhöhung von 84 Mio. Quetzales vorgeschlagen. Dazu kommen 258 Mio.
   Q für die Modernisierung der Truppen, was ein Militär-Gesamtbudget von stolzen 1,11 Milliarden Q für nächstes Jahr macht. Wie bloss wollen wir eine Nation verändern, in der die Kongressabgeordneten erlauben, dass mehr Geld ins Militär als in die Bildung und Gesundheit ihrer Kinder investiert wird? Die vorher genannten Summen kontrastieren mit denen, die die Regierung für Nothilfe zur Verfügung stellt, um den über 134 Tausend von Stan Betroffenen während sechs Monaten zu helfen: 59 Mio. Q für Lebensmittelhilfe, 31.4 Mio. Q für Hygiene und Sanitätswesen und 11.6 Mio. für Gesundheit, total 102 Mio. Dazu kommen noch Ausgaben für Infrastruktur und anderes, die genannten Zahlen beziehen sich nur auf die Sozialausgaben innerhalb der Nothilfe. Just in diesen Tagen diskutieren die Verteidigungsminister Zentralamerikas mit ihrem US-amerikanischen Amtskollegen über zwei Themen, die sich für das Pentagon zu Prioritäten für die Region entwickelt haben: Die Schaffung einer multinationalen Friedenstruppe sowie einer Rettungsbrigade in Fällen von Naturkatastrophen. Damit wird dann in unserem Land möglicherweise die Erhöhung des überrissenen Militärbudgets gerechtfertigt. Zurück zur "Normalität" vor Stan bedeutet, Geschichten und beschämende Praxen zu wiederholen, bedeutet, noch mehr Vergessen über die bereits Vergessenen auszubreiten und weiterhin Tausende von Tote in Kauf zu nehmen. Ich verweigere mich dieser, die Realität versteckende Normalität. Falls wir uns wirklich verändern und nicht noch mehr in der Unterentwicklung versinken wollen, müssen wir das Land, in dem wir leben wollen, neu überdenken und entsprechend handeln. Wir müssen schnell handeln, aber mit Bedacht überlegen. Wir haben aus dem Erdbeben von 1976 und dem Hurrikan Mitch von 1998 ein paar Dinge gelernt. Heute wird z.B.

Fijáte 345 (12.10.05) PDF 1. Artikel
   Die Indigene Bewegung und das Projekt der Amerikanischen Deklaration zu den Rechten der Indigenen Völker
   Anfang Oktober wird Guatemala Austragungsort einiger internationaler Treffen sein, darunter des Kongresses der Lateinamerikanischen Koordinationsstelle der BäuerInnenorganisationen ­ CLOC, des Treffens der Bewegung der Schreie der Ausgeschlossenen sowie der Sitzung der Projektarbeitsgruppe der Amerikanischen Deklaration zu den Rechten der Indigenen Völker der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS). Auf diese Weise wird Guatemala als Bühne dienen für die Forderungen der Indígenas und BäuerInnen der lateinamerikanischen Region. Das Ausnutzen dieses Raumes durch die guatemaltekischen BäuerInnen und Indígenas könnte ein verstärkter Zusammenhalt hinsichtlich eines Nationalen Projekts erlauben, der bislang deutlich fehlt. Jede der Veranstaltungen wird ihre eigene Dynamik haben. Der Kongress der CLOC wird neben der Evaluierung ihres Kampfes gegen den Neoliberalismus neue Formen des Kampfes und der Forderungen erarbeiten. Der Schrei der Ausgeschlossenen hat ähnliches vor, wobei das Augenmerk auf den Grossteil der Ausgeschlossenen von den Begünstigungen der Nationalstaaten gelegt werden wird. Das Treffen der OAS-Arbeitsgruppe, der der Maya Juan León Alvarado vorsitzt, hat unterdessen seinen eigenen politischen Anstrich und ist eingerahmt von der Forderung der amerikanischen indigenen Organisationen an die Staaten, dass die Billigung der Deklaration zu den Rechten der Indigenen Völker nicht länger aufgeschoben werde. Über letzteres Treffen schreibt der Angehörige des Maya-Volkes Poquomchi, Kajkoj Ba Tiul, guatemaltekischer Philosoph, Theologe und Anthropologe in incidencia democrática 824 und 825 folgendes.
   Kurze Geschichte Im Jahr 1989 beantragte die Generalversammlung der Organisation der Amerikanischen Staaten ­ OAS ­ bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission die Erarbeitung eines juristischen Instruments, das für den Schutz der Rechte der indigenen Bevölkerungen des Kontinents bestimmt sein sollte (Roldan Ortega; 2004:175). Die Kommission beauftragte das Interamerikanische Menschenrechtsinstitut ­ IIDH ­ mit der Ausarbeitung eines ersten Vorschlags, der anschliessend mit den indigenen Völkern diskutiert werden sollte. Das fertig gestellte Projekt wurde 1997 endgültig von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gebilligt. Dieser Prozess findet seinen Ursprung in der Forderung der indigenen Völker, in ihren speziellen Rechten anerkannt zu werden. Ausgegangen wird von der Tatsache, dass die internationale Norm in Sachen Menschenrechte Individualcharakter trägt und trotz des Bestehens der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ihre Grenzen in Bezug auf die Autonomie und die Selbstbestimmung der indigenen Völker aufweist, ist doch das ihr innewohnende Konzept des ,,Volkes" sehr funktionalistisch (vgl. Konvention 169 (ILO), Art. 1.3) da es die historischen, politischen und sozialen Implikationen - wie Sprache, Traditionen, Organisation etc. unterschlägt, die der Konstituierung eines Volkes innewohnen. Der von den indigenen Völkern ausgeübte Kampf öffnete ab 1971 diese Diskussion, als innerhalb der OAS anerkannt wurde, dass die indigenen Völker ein Recht darauf haben, in ihrer Besonderheit respektiert zu werden. Ein gravierender Mangel zeigte sich in dem Projektvorschlag des Menschenrechtsinstituts jedoch darin, dass die Deklaration nicht die Völker, sondern die Bevölkerungen anerkannte, was eine ausführliche Erörterung erforderte.
   Die Ernennung eines Sonderbeauftragten für die Indigenen Völker im Jahr 1990 ermöglichte einen grossen Fortschritt in der Debatte um das Konzept und die eingereichten Vorschläge der indigenen Organisationen, so dass die Kommission und später der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof sich zu Verletzungen ihrer Rechte als Indígenas äusserten, wie das Recht auf Biodiversität und Verbrechen wie Diskriminierung und Völkermord. Trotz aller Bemühungen der Organisationen wurde das Projekt anfangs zum Grossteil von einer Arbeitsgruppe diskutiert, die von Nicht-Indigenen geleitet wurde. Das hatte zur Folge, dass die indigenen Organisationen begannen, Stellung zu beziehen, denn ihre Vorschläge wurden nicht berücksichtigt. (vgl. Deklaration W'oo' Kame, Guatemala 2001). Erst in den letzten Jahren wird die Arbeitsgruppe von Indígenas geleitet und obwohl VertreterInnen der Staaten und BeobachterInnen von Seiten der Internationalen Zusammenarbeit teilnehmen, sind es die indigenen RepräsentantInnen, die versuchen, die Deklaration gemäss indigenen Prinzipien voranzutreiben. Was ist eine Deklaration? Der Vertreter des guatemaltekischen Staates, der Angehörige des Maya-Volkes k'iche, Juan León Alvarado, hat es in einem Interview der Nachrichtenagentur ALAI während einer OAS-Sitzung 2004 in Quito, Ecuador, wie folgt ausgedrückt: ,,Eine Deklaration ist nur ein Rahmen von Prinzipien, soll heissen, sie ist ein Dokument, das gute Elemente für die Staaten in ihrer Beziehung zur Gesellschaft und den BürgerInnen enthält." Demgemäss kann eine Deklaration also lediglich den

Fijáte 344 (28.09.05) PDF 1. Artikel
   Schlechte Noten für die Interamerikanische Entwicklungsbank
   ,,Sowohl die Bank wie die guatemaltekische Regierung wissen, dass es bei der Verwendung der Fondsgelder Unregelmässigkeiten gab", urteilte ein im Dezember 2004 von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) diskret veröffentlichter Bericht. Das vom bankinternen Evaluierungs- und Monitoringbüro verfasste Dokument liefert eine verheerende Beschreibung des BID-Darlehensprogramms für Guatemala zwischen 1993 und 2003. Obwohl in dem 81-seitigen Report das Wort ,,Korruption" nur ein einziges Mal vorkommt, ist es gespickt von Begriffen wie ,,Unregelmässigkeiten", ,,Komplikationen" und ,,Ineffizienz". Wir veröffentlichen im Folgenden eine Synthese zweier in Inforpress Centroamericana (1616 und 1619) erschienen Artikel. Guatemala bezieht aktuell BID-Darlehen in Höhe von rund 876 Mio. US-$. In den vergangenen 10 Jahren machten diese 64% aller Darlehen bei multilateralen Institutionen aus. Die von der BID zwischen 1993 und 2003 gewährten Gelder wurden in der Mehrheit für Projekte in den Bereichen Wirtschaftswachstum, Aussenhandel sowie im Energiesektor verwendet. Etwas weniger floss in Projekte im Sozialbereich, knapp 4% der Gelder wurden für die Reform des Staates investiert. Der erwähnte Länderreport 1993 ­ 2003 wurde erstellt, um die Programme in Guatemala auf ihre Relevanz und Resultate hin zu evaluieren. Das Ergebnis: Von 19 Projekten weisen 10 Verzögerungen bei der Ausführung auf, bei fünf war es unmöglich, irgendwelche Resultate zu eruieren, sieben weitere erfüllten die notwendigen Voraussetzungen nicht, aufgrund derer sie hätten implementiert werden sollen.
   Während der Laufzeit der Projekte wurde nicht die Hälfte der 112 geplanten technischen und finanziellen Monitoringbesuche seitens der BID durchgeführt und zwischen 1998 und 2002 entdeckten die meisten externen finanziellen Evaluationen irgendwelche Unregelmässigkeiten und gaben ihre Berichte nur unter Vorbehalten ab. ,,Mängel bei der Überprüfung und Supervision der entsprechenden Stellen hatten zur Folge, dass bekannte und vermutete Unregelmässigkeiten weiter bestanden und den Ruf der Bank aufs Spiel setzten" heisst es in dem Endbericht weiter. Probleme im regionalen BID-Büro, die seit langem bekannt waren, wurden nicht rechtzeitig angegangen, wofür der Autor des Länderreports Erklärungen seitens der Bank sowie der guatemaltekischen Regierung verlangte. ,,Guatemala ist ein Land mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten, dazu zählen: Ein Investitionsdefizit, ein schwacher öffentlicher Sektor sowie ungenügend öffentliche Ausgaben, die ausserdem nicht den Armen zu Gute kommen". Und: ,,Viele der Ursachen, die zum bewaffneten Konflikt führten, sind bis heute nicht behoben," so die Beobachtungen. In der Tatsache, dass der Grossteil der Darlehen in Projekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums und fast nichts in die Verbesserung der staatliche Strukturen oder in soziale Projekte floss, liegt wohl eine der Hauptursachen der Ineffizienz der BIDProgramme. Dazu kommen die administrative Schwäche der Bank selber sowie die in Guatemala bis in die höchsten Regierungsgefielde verbreitete Korruption ­ auch wenn es um die Ausführung von Entwicklungsprogrammen geht. Diese Korruption äussert sich z. B. darin, dass mit den BID-Geldern z. T. Aufgaben erfüllt wurden, die eigentlich in der Verantwortung des Staates lägen, womit ganze staatliche Budgetposten ,,freigestellt" wurden und diese in private Taschen fliessen können.
   Somit wird die Entwicklungszusammenarbeit ­ auch wenn ihre Projekte plangemäss und ,,erfolgreich" ausgeführt werden ­ zur Komplizin der Korruption. Mit Ausnahme dieses Berichts vom BID-Evaluierungsund Monitoringbüro zu Guatemala wird innerhalb der Bank wenig Selbstkritik geübt, entsprechend vermisst man auch das Ergreifen entsprechender Massnahmen, wenn Schwachstellen oder Mängel auftauchen. Auch wenn es nicht direkt Thema der Evaluation war konnte doch festgestellt werden, dass diverse Projekte, deren Fortschritt die Interessen der wirtschaftlich Mächtigen im Lande tangieren würden, nicht vorangekommen sind. Ein Beispiel dafür ist das Programm zur Modernisierung des Finanzsektors, dem vom BID 1993 ein Betrag von 132 Mio. US-$ zugesprochen wurde. Ziel war die Effizienz in der Verteilung der ökonomischen Ressourcen zu steigern, die Verbesserung der Kapazitäten im Zwischenhandel sowie ein vereinfachter Zugang zu Krediten. Dazu wurden verschiedene Massnahmen ergriffen, u. a. eine Modernisierung der Finanzüberprüfungsstelle. Vor allem gegen die Einführung strafferer Reglementierungen im Bankenwesen gab es grossen Widerstand seitens der Privatbanken. Als dann Ende der 90er Jahre eine Krise im Bankensektor ausbrach, wurden auch die Schwachstellen bei der Finanzüberprüfungsstelle sichtbar, die nicht mit der notwendigen Autonomie walten konnte, was die Krise verstärkte. Als nach der Unterzeichnung der Friedensabkommen Ende 1996 die Gelder nach Guatemala flossen, wurde ein Kredit-Boom ausgelöst und durch eine nicht sehr strikte Geldund Steuerpolitik gefördert. Diverse Banken litten unter einem chronischen Liquiditätsproblem und erhielten Unterstützung durch die guatemaltekische Nationalbank (BANGUAT). Durch die Beihilfe der insolventen Banken bürdete sich Guatemala eine Last von rund 470 Mio.

Fijáte 343 (14.09.05) PDF 1. Artikel
   Die Wahrheit ist nichts Absolutes (Teil 2)
   Mit der Herausgabe des Berichts Nunca más und der seelsorgenden Begleitung von Angehörigen bei der Exhumierung ihrer Liebsten leistet die katholische Kirche in Guatemala einen wichtigen Beitrag zur Versöhnungsarbeit. Wie sieht es aber mit dem politischen Aspekt der Aufarbeitung aus, welche Haltung nimmt die Kirche z. B. gegenüber strafrechtlichen Prozessen gegen die Verantwortlichen von Massakern und Morden ein? Und wo sieht sie ihre Rolle in der aktuellen politischen Krise, welche die Bevölkerung in ihrem Alltag erneut mit Gewalt und Un-Sicherheit konfrontiert. Wie steht es um das Potential der katholischen Kirche, Prozesse zu begleiten, die soziale Veränderungen anstreben? Im zweiten Teil des Interviews erzählt Jesús Hernández, Theologe und Direktor von CAFCA (Zentrum für forensische Analyse und angewandte Wisschenschaften), wie die katholische Kirche in Guatemala mit einer immer komplexer werdenden Gegenwart umgeht. Frage: Wie ist die Einstellung der katholischen Kirche gegenüber der Justizfrage, gegenüber den juristischen Prozessen? Ist für sie die Sache erledigt, wenn die Exhumierung gemacht und im besten Fall das soziale Gefüge wieder hergestellt ist oder motiviert und unterstützt sie die Leute auch darin, auf juristischer Ebene Gerechtigkeit einzufordern? J.H.: Wenn wir von der Wiederherstellung des sozialen Gefüges sprechen, haben wir nicht das abschliessende Mittel oder Rezept bereit, dies auch zu erreichen. Schlussendlich obliegt es der Gemeinde, diesen Prozess durchzuführen. Wir versuchen, mit unserer Studien- und Dokumentationsarbeit über das Geschehene, dazu beizutragen. Aber die Antwort müssen sie selber finden. Wir können zu einem Versöhnungsprozess beitragen, aber wir können die Wunden nicht vollständig heilen. Niemand kann das Fehlen einer geliebten Person wiedergutmachen.
   Vor allem, wenn diese Person auf eine gewaltsame, ungerechte Art umgebracht wurde, wenn jemand entführt, verschwunden, gefoltert oder verbrannt wurde. Wenn wir in diesem Zusammenhang von Wiedergutmachung sprechen, müssen wir uns klar darüber sein, dass wir in erster Linie eine Wunde wieder geöffnet haben. Unser Volk ist aber nicht erst seit dem Tod einer bestimmten Person verletzt, es leidet unter einer historischen Verletzung. Wenn wir von psychosozialer Begleitung sprechen, müssen wir uns fragen, wie diese Leute während all den Jahren so viel Schmerz ertragen haben. So muss eine psychosoziale Begleitung über die Zeit einer Exhumierung hinausgehen, es muss eine grundlegende ethische Arbeit gemacht werden, damit die Leute ihr Selbstvertrauen wiedergewinnen und sich für sich und ihre Rechte einsetzen. Wir helfen den Leuten, aus ihrem Selbstmitleid und aus ihrer Opferrolle heraus zu kommen, weil wir sonst rechtfertigen würden, was die Menschenrechtsverletzer gemacht haben und würden diese in der Straflosigkeit belassen. Wir müssen die Verantwortlichkeiten aufzeigen, die Verantwortung der Oligarchie, des Militärs für all das, was geschehen ist. Womit wir zum Thema ,,Gerechtigkeit" kommen. Von der göttlichen Gerechtigkeit zu sprechen kann ich in diesem Fall nicht akzeptieren. Denn die Leute leben weiterhin mit ihren Wunden und mit ihrem Schmerz. Die Leute müssen ihren eigenen Versöhnungsprozess mit Gott durchmachen. Sie werden mit Gott zu sprechen beginnen, so wie sie bei der Exhumierung mit ihren Verstorbenen sprechen. Sie werden auf diese Art mit Gott oder dem Schöpfer kommunizieren. Das Thema der Justiz ist viel heikler. Wir müssen die verschiedenen Komponenten des Themas ,,Justiz" betrachten. Justiz/Gerechtigkeit in diesem Land bedeuten 1: Viel Geld.
   Der Fall von Dos Erres läuft seit 10 Jahren, Plan Sánchez dauert auch schon seine Jahre, die Genozid-Fälle vom Menschenrechtszentrum CALDH ebenfalls. Kurz und gut, um einen Prozess anzustreben und durchzuführen, braucht es einen Haufen Geld. 2: Es braucht AnwältInnen, die bereit sind, diese Fälle zu führen. In diesem Land ist es einfacher, ein Fall wegen einer Namensurkunde oder wegen eines Landtitels zu führen, als ein Genozid- oder Massakerfall. Es ist gefährlich für AnwältInnen, sich dieser Fälle anzunehmen, sie überlegen sich das zweimal bevor sie akzeptieren. Nichtsdestotrotz gibt es AnwältInnen, die mit grosser Überzeugung und Engagement solche Fälle führen. 3. Ein Justizfall kann nur geführt werden, wenn sich die Gemeinde oder die Familie dazu entscheidet. Die zuvor beschriebene Phase der Exhumierung, der Zusammenführung, der Versöhnung ist eine Etappe. Es ist Teil unserer Arbeit, die Leute über die legalen Möglichkeiten zu informieren. Damit hört unsere Arbeit auf, die Entscheidung liegt nun bei ihnen. Von Amts wegen wäre es die Staatsanwaltschaft, die die Untersuchungen nach einer Exhumierung weiterführen müsste, doch dies passiert leider nicht. Wieviele Justizfälle gab es auf nationaler Ebene bei den drei Institutionen, die bisher zwischen 400 und 500 Exhumierungen durchführten, das Erzbischöfliche Menschenrechtsbüro ODHAG, das bereits erwähnte CAFCA und die Forensisch-Antropologische Stiftung Guatemalas, FAFG? Man kann sie an den Fingern einer Hand abzählen. Plan Sánchez, Río Negro, ansatzweise Dos Erres, die Fälle von CALDH gegen Ríos Montt und Lucas García, und damit hat sichs. Das Thema Justiz ist also noch in weiter Ferne. Frage: Jetzt sprechen Sie aber als Vertreter ihrer

Fijáte 342 (31.08.05) PDF 1. Artikel
   Die Wahrheit ist nichts Absolutes (Teil 1)
   Mit der Erarbeitung des REMHI-Berichts (Wiedererlangung der historischen Erinnerung) lancierte die katholische Kirche ein wichtiges Versöhnungsprojekt. Die Ermordung von Bischof Juan José Gerardi im April 1998 liess diesen Prozess in einer entscheidenden Phase zum Stocken kommen, als es nämlich darum ging, die im Bericht zusammengetragene(n) Geschichte(n) an die Bevölkerung zurückzutragen, damit sie diese mit ihrem eigenen Kontext und den persönlichen Erlebnissen einordnen konnte. Wie leistet die katholische Kirche heute ihren Beitrag zur Versöhnungsarbeit? Welche Rolle kann und will sie einnehmen, um der "Gerechtigkeit" auf sozialer und juristischer Ebene einen Schritt näher zu kommen. Im folgenden Interview gibt Jesús Hernández, Theologe und Direktor von CAFCA (Zentrum für forensische Analyse und angewandte Wissenschaften) Antworten auf diese Fragen. Der zweite Teil des Interview erscheint im nächsten ¡Fijáte!. Frage: War REMHI eine Initiative allein von Monseñor Gerardi oder war es ein Projekt der katholischen Kirche generell? Jesús Hernández: Das REMHI ist aus einer Einzelinitiative entstanden, die jedoch von einem Grossteil der katholischen Kirche gutgeheissen und unterstützt wurde. Der Anstoss kam von Monseñor Gerardi, der sich jedoch bewusst war, dass er auf Unterstützung angewiesen war. Teil eines ,,Kollektivs" zu sein, eines professionelles Teams mit einem grossen Wissen über den guatemaltekischen Kontext und die katholische Kirche als Institution hinter sich zu wissen, war sicher ausschlaggebend den Entscheid Gerardis, dieses Projekt zu initiieren. Auch Gerardi startete nicht bei Null, er ging von einem Kontext aus, den er kannte, in dem er selber gelebt hatte. Und dieses interdiözesane Projekt war für ihn eine Möglichkeit, die Opfer zu ehren und zu würdigen. Frage:
   Stand/steht wirklich die gesamte katholische Kirche dahinter, ungeachtet der Rolle, welche Teile dieser Institution während des Krieges spielte? J.H.:Vielleicht müssen wir zuerst definieren, von welcher Kirche wir sprechen: Von der Basiskirche oder von der Hierarchiekirche. Es gab während des Krieges sehr viele engagierte Personen innerhalb der Kirche, Katechisten, Prediger, Animatoren, junge Leute. In den 60-80er Jahren ging ein starker, eindrücklicher Impuls von der katholischen Kirche aus, der ein Bewusstseinsbildungsprozess bei vielen GuatemaltekInnen auslöste. Ich glaube, vor allem das Departement Quiché ist ein Referenzpunkt für diese Entwicklung, ebenso Huehuetenango, San Marcos oder der Petén. Es fand eine Veränderung statt vom Traditionellen über die Acción Católica zur Befreiungstheologie, hin zu den Basisgemeinden. Von DIESER Kirche spreche ich und diese Kirche steckt auch hinter der Initiative des REMHI. Frage: Und trotzdem brauchte es das Einverständnis der Kirchenhierarchie, das Projekt mit Namen und finanziell zu unterstützen. J.H.: Das stimmt. Aber ich denke, wenn ein solches Bedürfnis von der Basis her geäussert wird, müssen die klerikalen Autoritäten darauf reagieren, auch wenn nicht die gesamte Kirchenhierarchie voll und ganz dahinterstand. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Meinungsverschiedenheiten und internen Widerspruch gab. Die Position der Befürworter war, dass der Moment gekommen sei, um über die Grausamkeiten zu sprechen, weil Gott das wolle und weil Gott kein Leiden und keinen Tod wolle, und weil die Leute verstehen müssten, was geschehen ist. Frage: Hat sich seit der Publikation von NUNCA MÁS die Einstellung oder das Verhalten der katholischen Kirche verändert? J.H.: Ich glaube schon. Ich selber fühle mich als Teil eines Veränderungsprozesses, als Teil dieser Kirche. Ich war 1993 ­ 2000 im Petén tätig.
   Unsere Aufgabe war, eine soziale Veränderung herbeizuführen. Die Bereitschaft, diesen Prozess zu unterstützen, war riesig. Doch irgendwie sind wir steckengeblieben. Die im REMHI zusammengetragenen Erfahrungen und Geschichten hätten der Bevölkerung zurückgegeben werde sollen, um darauf eine Gegenwart und Zukunft aufzubauen. Doch wie soll etwas zurückgegeben werden, wenn sich nichts an der Situation geändert hat? Die Armut besteht weiterhin, die Marginalisierung besteht weiterhin, die Arbeitslosigkeit ebenso. Hier ist für mich ein wichtiger Punkt: Es geht nicht darum, diese erste Etappe (die Vergangenheit) abzuschliessen und uns auf die zweite Etappe (die Gegenwart) zu konzentrieren, die beiden müssen in Verbindung zueinander gesehen werden. Zum anderen hat sich die Kirche, und das ist meine persönliche Einschätzung, nach dieser ersten Phase etwas zurückgezogen aus ihrer kämpferischen Position, sie hat sich gespalten. Zwar unterstützt sie z. B. noch den Kampf von Monseñor Ramazzini in San Marcos, unterstützt gewisse Initiativen, aber doch eher vereinzelt. Ich habe den Eindruck, die Kirche hat einen eher konservativen Weg eingeschlagen, denkt und überdenkt sich selber.

Fijáte 341 (17.08.05) PDF 1. Artikel
   Pyrrussieg für das Freihandelsabkommen DR-CAFTA
   In den letzten Jahren haben wir im ¡Fijáte! regelmässig über die Diskussionen und die Pro- und Kontra-Argumentationen rund um das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA für seine englischen Initialen oder schlicht TLC, was für Freihandelsabkommen auf Spanisch steht) berichtet. Nun ist es soweit, mit der Annahme durch den US-amerikanischen Kongress tritt das Abkommen mit jenen zentralamerikanischen Ländern, die es bisher unterzeichnet haben (El Salvador, Honduras und Guatemala) ab 1. Januar 2006 in Kraft. Die folgenden Artikel beschäftigen sich noch einmal mit den Argumenten (vor allem dagegen) und der politischen Stimmung, in der das Abkommen unterzeichnet wurde. Der zweite Artikel ist eine Analyse des Diskurses, mit dem versucht wurde, die GegnerInnen zu diskreditieren. Er erschien in Inforpress Centroamericana Nr. 1618. Im dritten Artikel, publiziert am 5. August in Incidencia democrática, berichtet Marc Thibault-Bellerose über den CAFTA-Abstimmungsprozess im USRepräsentantInnenhaus. Mit 217 zu 215 Stimmen nahm der US-amerikanische Kongress am 28. Juli das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DRCAFTA) an. Das knappe Ergebnis und die der Abstimmung vorausgegangene 20-stündige Debatte sind Ausdruck der Kontroverse rund um das Thema. GegnerInnen des Freihandelsabkommens sind sowohl in Zentralamerika wie in den USA zu finden, wenn auch die Gründe ihrer Ablehnung zum Teil sehr unterschiedlich sind. In den USA sind die GegnerInnen u. a. unter den ZuckerproduzentInnen und in der Textilindustrie zu finden, die befürchten, dass die zentralamerikanischen Länder Exportvorteile aus dem Abkommen ziehen.
   Die ZuckerbaronInnen, weil das bisher gültige Importlimit sowie der Fixpreis aufgehoben werden, die Texilindustrie, da es den zentralamerikanischen ProduzentInnen erlaubt ist, zukünftig Rohmaterial aus anderen Ländern als den USA ­ und entsprechend billiger ­ zu importieren. Entsprechend fiel auf, dass sowohl demokratische wie republikanische Abgeordnete aus Staaten, in denen die Zucker- bzw. die Textilindustrie floriert, gegen das Abkommen stimmten ­ schliesslich wollen sie sich ihre Wiederwahlchancen nicht verspielen. Aber auch sonst gibt es Abgeordnete der RepublikanerInnen wie der DemokratInnen, die in Frage stellten, dass die Öffnung des Marktes tatsächlich ein Mittel für die Überwindung der Krise ist, in der die USA momentan stecken. Linke DemokratInnen sowie GewerkschafterInnen sprachen sich mit umweltschutz- und arbeitsrechtlichen Argumenten gegen das Abkommen aus. Während Grossunternehmen und Millioneninvestoren profitieren, seien keinerlei Massnahmen zum Schutz der Arbeitsrechte festgelegt, man befürchtet, dass viele Unternehmen aus den USA abwandern und in die billigere Produktionszone Zentralamerika ziehen, wo es um Arbeitsrechte und Umweltschutz noch schlechter steht. Im Fall von Mexiko, wo das Freihandelsabkommen mit den USA (und Kanada - NAFTA) 1994 in Kraft trat, wurden etwa eine Million Arbeitsplätze von den USA nach Mexiko verlegt. Dies nützte aber den mexikanischen ArbeiterInnen wenig, da die Löhne rasant gesenkt wurden, mit der Folge, dass sich die mexikanische Migration in die USA verdoppelte. Auf der guatemaltekischen Seite verläuft die Trennung der BefürworterInnen und der GegnerInnen eher nach der ,,klassischen" Links-Rechts-Linie.
   Während Präsident Berger den US-amerikanischen Diskurs vom ,,Sieg der Demokratie und des Fortschritts" nachplappert und die guatemaltekischen UnternehmerInnen die Annahme des Freihandelsabkommens mit Champagner begossen, riefen die Gewerkschaften und sozialen Organisationen zu Protesten und Demonstrationen auf und der linke ANN-Kongressabgeordnete Alfredo de León denunzierte Todesdrohungen, die er klar im Zusammenhang seiner Kritik am Abkommen erhielt. In gewissen Kreisen breitet sich offenbar auch so etwas wie Pragmatismus oder gar Akzeptanz gegenüber der Freihandels-Realität aus. So zielt z. B. das Zentrum für Mayastudien (CECMA) mit seinem im Hinblick auf die Freihandelsabkommen ausgearbeiteten Entwicklungsplan Maya K'ayb'al auf eine Stärkung der indigenen KMU's ab. Vor allem kleine und mittlere Betriebe im Tourismusund Dienstleistungssektor sowie die landwirtschaftliche Diversifizierung sollen im Hinblick auf die Freihandelsabkommen und den Plan Puebla Panamá (PPP) unterstützt werden. Gemäss Pedro Bal, Direktor von CECMA, ist es notwendig, aus dem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmodell der indigenen Bevölkerung, das bisher vor allem in der landwirtschaftlichen Subsistenzwirtschaft bestand, einen selbsttragenden Wirtschaftszweig zu machen. Dazu braucht es aber laut Bal eine Allianz zwischen der Regierung, der Privatwirtschaft und den sozialen Organisationen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln. Sein Rezept ist einfach: Die Regierung stellt die Infrastruktur, die Privatinitiative das technische Know-How und die indigenen Gemeinden das Humankapital.

Fijáte 340 (03.07.05) PDF 1. Artikel
   Gewalt gegen das Justizsystem
   Das guatemaltekische Justizwesen ist immer wieder Ziel von politisch motivierter Gewalt und Drohungen gegen seine MitarbeiterInnen. Dahinter steckt die Absicht, dem Justizwesen die Hände zu binden und im Land eine Stimmung von Straflosigkeit und fehlender Rechtsstaatlichkeit zu verbreiten. Die Urheber dieser Drohungen sind unter Mitgliedern des organisierten Verbrechens und im Drogenhandel zu suchen. Ihr Ziel ist, durch Terror die gegen sie eingeleiteten Strafprozesse zu blockieren und sich den Weg für ihre Machenschaften freizuhalten. Oder sie stammen aus Politik- und Militärkreisen, und zielen darauf ab, die während und nach dem Krieg begangenen Menschenrechtsverletzungen in der Straflosigkeit zu belassen. Eine dritte Gruppe möglicher Urheber sind ehemalige, in Korruptionsfälle involvierte Staatsfunktionäre, die eine Untersuchung gegen ihre administrativen Fehlgriffe verhindern wollen. In der nachfolgenden Analyse deckt die Mirna-Mack-Stifung Schwachstellen im Justizwesen selber und mangelnden politischen Willen seitens der Regierung auf, an dieser Situation etwas zu verändern. Zwischen Januar bis Ende Juni 2005 wurden in Guatemala sechs Morde an Angestellten des Justizwesens gezählt, doppelt so viele wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Die Behörden zeichnen sich diesem Phänomen gegenüber durch ihre Unfähigkeit aus, den RichterInnen und dem Gerichtspersonal Sicherheit zu garantieren. Drohungen gegen das Justizwesen sind aber nichts Neues, die Behörden haben sich bisher bloss nie mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Überzeugung der Aufgabe gewidmet, das Problem an seiner Wurzel anzugehen. Der damalige Sonderbeauftragte für die Unabhängigkeit von RichterInnen und AnwältInnen der Vereinten Nationen, Param Cumaraswamy, erliess nach seinem Besuch im Jahr 2000 wichtige Empfehlungen an die Regierung:
   Die Schaffung einer dem Obersten Gerichtshof (CSJ) unterstehenden Kommission, die in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft das Problem angehe; die Erarbeitung eines Leitfadens, nach dem Anzeigen von Angriffen auf RichterInnen und JustizbeamtInnen aufgenommen und weiter verfolgt werden könnten; das Ergreifen von angebrachten Massnahmen, um diesen Personen den notwendigen Schutz zu garantieren sowie das Abschliessen einer Lebensversicherung für alle RichterInnen. Ein Jahr später ergänzte der Sonderbeauftragte seine Empfehlungen: die Erhöhung des Budgets, um dem Justizpersonal Sicherheit zu garantieren sowie die Ausbildung und angemessene Entlohnung der Mitglieder der Nationen Zivilpolizei (PNC) und des Obersten Gerichtshofs, die mit dem Schutz des Justizpersonals beauftragt sind. Weiter rief er die Medien auf, bei der Berichterstattung zum Thema Justiz ein Gleichgewicht herzustellen, ohne dabei die Unabhängigkeit deren Arbeit anzuzweifeln und so Verleumdungen und Hetzkampagnen zu vermeiden. Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof (CIDH) gab im selben Jahr ähnliche Empfehlungen ab. Diese Empfehlungen wurden nie in ihrer Gesamtheit umgesetzt und die Behörden beschränkten sich darauf, eine Spezialeinheit der Staatsanwaltschaft einzusetzen, die entsprechende Drohungen untersucht. Doch die Arbeit dieser Einheit war mangelhaft und es fehlte ihr eine Vision, ebenso wie die notwendigen personellen und finanziellen Mittel. Innerhalb des Justizwesens wurde kürzlich die Kommission zur Sicherheit der Justiz gegründet, deren Aufgabe die Einführung von Sicherheitmassnahmen für RichterInnen und Justizbeamte ist. Diese Massnahmen beschränken sich jedoch bisher auf das temporäre Zuweisen von Leibwächtern. Die Drohungen gegen das Justizpersonal haben sich derweil nicht verringert.
   Gemäss Angaben der Staatsanwaltschaft wurden im Jahr 2004 insgesamt 99 Anzeigen wegen Mordes, Telefondrohungen, Einschüchterungsversuchen und Verfolgung an oder gegen JustizbeamtInnen erstattet. Im laufenden Jahr sind bereits 50 solcher Anzeigen eingegangen, wobei mit einer beträchtlichen Dunkelziffer gerechnet wird. Die Behörden reagieren meist erst, wenn es zu spät ist, geschehen z. B. im Fall des Sonderrichters von Chiquimula, José Víctor Bautista Orozco sowie dem Staatsanwalt des selben Ortes, die im April und Mai dieses Jahres ermordet wurden. Sicherheitsmassnahmen für ihre MitarbeiterInnen wurden erst als Reaktion auf den öffentlichen Druck ergriffen (siehe ¡Fijáte! 334). Solche Massnahen bestehen zum Beispiel in der Ausbildung von PolizistInnen durch kolumbianische Fachleute oder durch die Zuweisung von mehr Personal zum Schutz der Gerichte. Ebenso wurden kürzlich dem Justizwesen 19 Mio. Quetzales überwiesen, um das Sicherheitssystem zu verbessern, bisher weiss aber niemand etwas über konkrete Investionen, die getätigt worden wären. Der aktuelle Sonderstaatsanwalt von Chiquimula, der nach der Ermordung seines Vorgängers Bautista Orozco ernannt wurde, erklärte gegenüber der Stiftung Mirna Mack, er habe von all den geplanten Sicherheitmassnahmen durch die Medien erfahren, verändert habe sich aber die Situation nicht. Diese offensichtliche Gleichgültigkeit der Behörden beweist das grundsätzliche und totale Fehlen einer Strategie, der Gefahr zu begegnen, der das Justizpersonal ausgesetzt ist und mit der die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen wären. Als erstes müssten zudem überhaupt einmal die Ursachen analysiert werden, die solchen Gewaltformen zu Grunde liegen. Es mangelt aber auch an Koordination unter den für Schutz, Untersuchungen und Bestrafung zuständigen Institutionen des Justizwesens.

Fijáte 339 (20.07.05) PDF 1. Artikel
   Informationsmangel ist das Haupthindernis für produktive Nachhaltigkeit ­ Lokale Erfahrungen von Produktionsgemeinschaften
   Inforpress Centroamericana hat kürzlich Produktionsgemeinschaften in den Departements Petén, Quiché, Suchitepéquez, Escuintla und Alta Verapaz besucht, um die unterschiedlichen Situationen der Bevölkerungsgruppen kennen zu lernen, die in den letzten zehn Jahren ein Stück Land erhalten haben. Die Eindrücke dieses Besuches wurden in einem Artikel der Inforpress-Ausgabe 1613 festgehalten, den wir im Folgenden wiedergeben. Obwohl die Bedingungen und Aussichten sich von Ort zu Ort dramatisch unterscheiden, berichtet der Autor Matthew Creelman von seiner Erkenntnis, dass in allen Gemeinden die Schwierigkeiten in Zusammenhang mit dem Fehlen an strategischen Auskünften über das jeweilige lokale Umfeld stehen. Der Mangel an objektiver und aktualisierter Information über Märkte, Produktionsalternativen, Möglichkeiten der Wertsteigerung der Produkte auf der einen und eine Systematisierung der Erfahrungen von Erfolgen und Misserfolgen auf der anderen Seite haben zum Verlust von Einkünften, der Verschwendung von Ressourcen und in einigen Fällen gar zur Rückkehr der ehemaligen Flüchtlinge nach Mexiko beigetragen.
   Abgeriegelte Gemeinden In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 200 Fincas an Gemeinden von Rückkehrenden, Umgesiedelten und anderen Gruppen vergeben. Die Konditionen der Landüberschreibungen waren jeweils unterschiedlich, einige Gemeinden sitzen aufgrund des Kaufs der Ländereien auf hohen Schuldenbergen, während anderen die Grundstücke geschenkt wurden. Bestimmte Gemeinden sind von Geldern der (Internationalen) Zusammenarbeit überschwemmt worden, andere werden bis heute völlig vernachlässigt. Auch bestehen Unterschiede in Bezug auf das jeweilige soziale Gefüge, die Arbeitsformen und die soziale Organisation; wesentliche Differenzen finden sich zudem hinsichtlich der Qualität des Landes, der Infrastruktur, dem Zugang zu Märkten und zu Kenntnissen. Creelmann unterhielt sich auf seinem Besuch mit VertreterInnen von neun Produktionsgemeinschaften und so genannten Produktiven Gemeinden. Unter diesem Begriff versteht der Autor Gruppen von Personen oder Familienangehörigen, die ihre wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit suchen, in dem sie Kooperationszusammenschlüsse aus Kleinst- und Kleinunternehmen ausnutzen, die sie mit ihren eigenen solidarischen und koordinierten Anstrengungen gegründet haben, indem sie kollektive mit individuellen Interessen kombiniert haben, dem sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext der involvierten Personen entsprechend. Als ein Thema bei den Gesprächen kam stets die Rolle der Information zur Sprache, absolut notwendig um als in Gemeinschaften organisierte BäuerInnen ein würdiges Leben leben zu können. Die Kommentare schilderten in allen Fällen die Schwierigkeiten des Zugangs zu Marktinformationen, das Fehlen fachlicher Ausbildung und die spärliche Kommunikation mit anderen Gemeinden in ähnlichen Situationen. Daneben hörte Creelmann auch man-
   che Geschichte über produktive Misserfolge in Fällen, in denen blind den Ratschlägen der Consultants gefolgt wurde, die von der Internationalen Zusammenarbeit bezahlt worden waren, und über unbezahlbare Schulden aufgrund des Fehlens eines Absatzmarktes oder der geringen Produktivität der Projekte. Nichtsdestotrotz geht die Ausübung partizipativer Demokratie in manchen Gemeinden weit über die vermeintlich demokratische Kultur der politischen Parteien und die BürgerInnenbeteiligung auf nationaler Ebene hinaus. Diese Erfahrungen beinhalten Praktiken der Kommunalen Maya-Organisation, die gleichberechtigte Teilnahme der Frauen und das Nebeneinander von verschiedenen Möglichkeiten, um am Produktionsprozess teilzunehmen, entsprechend den Interessen und der Ideologie jedes einzelnen Mitglieds der Gemeinde. Die unterschiedlichen Ebenen der Experimente und die Menge an Resultaten von positiven und negativen Erfahrungen stellen eine wertvolle Sammlung dar, die bislang noch nicht systematisiert und ausgetauscht wurde. Tatsächlich stellen diese Gemeinden eine Herausforderung für gewisse sozialen Sektoren dar, die befürchten, dass die kommunale Solidarität sich wandelt in eine Wirtschaft der Massenproduktionsvorteile. Zudem verkörpert deren Erfolg durchaus eine gewisse Bedrohung für die aktuelle Struktur des Landbesitzes. Während die Agrargemeinden sich an den Rändern der Wirtschaft bewegen, gebeutelt von finanziellen Krisen und der Abwanderung ihrer Mitglieder, vergleicht ein Politanalyst den Kampf um Land mit zwei Glatzköpfigen, die sich um einen Kamm streiten. ,,Eine unserer Schwierigkeiten ist das wenige Wissen der Bevölkerung über Märkte, die Qualität ihrer

Fijáte 338 (06.07.05) PDF 1. Artikel
   Bildung in Guatemala
   Seit Jahren wird in Guatemala an einer Bildungsreform gearbeitet, mit deren Umsetzung es an allen Ecken und Enden und in erster Linie am politischen Willen und am Geld fehlt. Der Tatsache, dass es in vielen, vor allem ländlichen Gemeinden, an Lehrpersonal fehlt, bzw. gewisse Schulklassen bis zu 100 Kinder umfassen, stehen 40'000 arbeitslose LehrerInnen gegenüber, Tendenz mit jedem Jahr steigend. Jährlich werden rund 18'000 LehrerInnen ausgebildet, das Bildungsministerium kann jedoch nur 3'000 davon absorbieren. Wer als PrimarlehrerIn arbeitet, hat einen durchschnittlichen Basislohn von 220 US-$, was viele zwingt, zwei Klassen zu unterrichten, eine am Morgen und die andere am Nachmittag. Wir veröffentlichen anlässlich des 26. Juni, des Tags des/der LehrerIn, zwei Artikel zum Thema Bildung. Der eine ist in Qana'oj Nr. 009 erschienen (siehe fundemosgt.org) und vertritt die These, dass nur wer selber liest, eine gute LehrerIn sein kann. Der zweite ist von Susanne Kummer, Projektleiterin von Miriam, einem Bildungsprojekt für indigene Frauen aus dem ländlichen Raum.
   Lesen, der Schlüssel zur Bildung
   Eines der zentralen Themen der Friedensagenda und der Strategie zur Reduktion der Armut bildet die Verbesserung der Bildung. Schauen wir uns die verschiedenen Analysen zum Thema an, stellen wir eine Übereinstimmung der Unzufriedenheit sowohl der SchulabgängerInnen wie auch des Lehrpersonals mit der Qualität der Bildung fest. Das Thema ist nicht neu in der Geschichte Guatemalas. Die jeweiligen Regierungen haben ihre Bildungspolitiken und ­programme ausgearbeitet und eingeführt, doch keine hat es geschafft, den Zerfall des Bildungssystems aufzuhalten. Was auch immer die Gründe waren (Strukturen, fehlender politischer Wille, fehlende finanzielle Mittel, Ineffizienz, etc.), sie haben auf jeden Fall dazu beigetragen, dass die Situation heute so ist wie sie ist. Anfänglich wurde "Qualität" im Zusammenhang mit Bildung fast exklusiv anhand des Wissenstandes der Studierenden gemessen. Mit der Zeit wurden auch andere Faktoren berücksichtigt wie z. B. die institutionellen Bedingungen und ihre Auswirkungen auf den Lehr- und Lernprozess oder die Bildung und Fähigkeiten des Lehrpersonals sowie die Qualität des didaktischen Materials und der Lehrbücher, speziell auch im Umgang mit SchülerInnen, bei denen ein Risiko besteht, dass sie im Lernprozess scheitern oder ausgeschlossen werden. Sowohl die "Deklaration für eine Erziehung für alle" aus dem Jahr 1990 sowie der Aktionsplan von Dakkar aus dem Jahr 2000 (die beiden jüngsten UNO-Deklarationen zum Thema Bildung) nennen "Qualtität" als das Zentrum der Bildung. Doch auch diese "Qualität" ist relativ und unterschiedlich definiert je nach wirtschaftlicher Situation der Bevölkerung. Die Qualität der Bildung ist schlechter in armen Regionen und in Guatemala wurde im Jahr 2002 gemäss Umfragen der Vereinten Nationen 57% der Bevölkerung als arm und 21.5% der Bevölkerung als extrem arm bezeichnet.

Fijáte 337 (22.06.05) PDF 1. Artikel
   Konzessionsgesetz ­ Aus den Fehlern gelernt?
   Parallel zur umstrittenen und in Gewalt seitens der Sicherheitskräfte ausartenden Annahme des Freihandelsabkommens zwischen Zentralamerika, der Dominikanischen Republik und den Vereinigten Staaten (CAFTA-DR) durch den guatemaltekischen Kongress im vergangenen April, stand das ebenso kontroverse Konzessionsgesetz als eine Art flankierende oder ergänzende Massnahme der allgemeinen Liberalisierung zur Diskussion. Dieses Gesetz erlaubt die teilweise oder gänzliche Vergabe von Staatsaufgaben, wie z. B. der Bau und Unterhalt von Strassen oder die Wasserversorgung an private Unternehmen ­ und führt im Endeffekt zu einer schleichenden Privatisierung des service public. Die Gesetzesinitiative wurde von den Kongresskommission für Kommunikation, Transport und öffentliche Dienste gutgeheissen und muss jetzt noch vom Gesamtkongress verabschiedet werden. Im Falle des Freihandelsabkommens ist die Strategie der Regierung, das Dokument quasi hinter verschlossenen Türen und ohne Konsultation der Bevölkerung zu unterzeichnen, mehr oder weniger aufgegangen. Die Anti-CAFTA-Proteste der sozialen Bewegung wurden brutal niedergeschlagen und konnten die Ratifizierung des Abkommens nicht verhindern. Dafür war ihre Aufmerksamkeit und der Mobilisierungsgrad im Fall des Konzessionsgesetzes etwas grösser, der Kongress musste einen Gang zurückschalten und die Regierung führt nun, wie von der sozialen Bewegung gefordert, sogenannte Volksbefragungen zum Thema durch. Ob es dabei tatsächlich um ein beidseitiges Interesse an einer Konsensfindung oder um eine definitive Verhinderung des Gesetzes auf der einen bzw. ein kompromissloses Durchbringen auf der anderen Seite geht, versucht der folgende Artikel zu analysieren, indem er verschiedene Positionen darlegt. Worum geht es?
   Im Artikel 1 der Gesetzesinitiative werden Konzessionsvergaben definiert als die Befugnis des Staates, Private zu bemächtigen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, jedoch unter Kontrolle und oder in Koordination mit der entsprechenden staatlichen Instanz, öffentliche Bauwerke, Güter oder Angebote zu bauen, produzieren, installieren, verbessern, ergänzen, bewahren, restaurieren, betreiben, ausbeuten oder verwalten. Javier de León von Incidencia Política interpretiert dieses Gesetz als ,,Einen Privatisierungsprozess, dessen Konzept und Ausgestaltung auf ein Abspecken des Staates hinausläuft. Ausserdem zielt es darauf ab, den Staat aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und gibt damit dem neoliberalen Denken Vorschub, das die Rolle des Staates auf immer weniger Aspekte limitiert: Sicherheit, Gesundheit und Bildung, jedoch keinerlei Einmischung in die Wirtschaft erlaubt, auch wenn dadurch die BürgerInnen geschädigt werden". Gemäss Artikel 11 können Lizenzen vergeben werden für: Strassenbau und -unterhalt, Eisenbahnen, Flug- und Schiffshäfen, Wasserversorgung, Ölpipelines, Stromproduktion, Tourismusattraktionen, Parks und öffentliche Gebäude, Postsystem, Nahrungsmittelversorgung für Krankenhäuser, Gefängnisse und Schulen, Erstellen von Identitätsdokumenten, öffentlicher Verkehr, oder sonstige öffentliche Bauten und Dienstleistungen. Theoretisch sind die Bereiche Bildung und Gesundheit tatsächlich aus dem Konzessionsgesetz ausgeschlossen und bleiben Staatsaufgabe. Doch gemäss de León ist es eine Frage der Zeit, bis die neoliberale Logik greift und beweist, dass der Staat unfähig ist, diese Verantwortung zu erfüllen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist z. B. das in einigen Regionen des Landes bereits laufende Projekt PRONADE, das im Bildungsbereich die Verantwortung über Auswahl, Bezahlung und Kontrolle von LehrerInnen den sogenannten Elternkomitees überlässt.
   Da diese zuwenig auf ihre Aufgabe vorbereitet sind und vom Staat nicht die notwendige Unterstützung bekommen, rechnen Fachleute damit, dass das Projekt in Kürze als ,,gescheitert" evaluiert und dieser Teil des Bildungswesens gänzlich privatisiert wird. Dialogversuch ,,Öffentliche Konversationszirkel" heisst das Instrument, mit dem die Regierung die Bevölkerung bzw. deren sozialen, intellektuellen, ethnischen und industriellen VertreterInnen an der Diskussion über das Konzessionsgesetz teilhaben lässt. Der seitens der Regierung für diesen Prozess verantwortliche Hugo Beteta vom Sekretariat für wirtschaftliche Planung der Regierung (SEGEPLAN), will in den verschiedenen Departements Diskussionsforen durchführen, zu denen Mitglieder der Zivilgesellschaft eingeladen werden. Beginnen soll der Dialog in den Departements San Marcos und Huehuetenango, die als am konfliktreichsten gelten. Der Konsultationsprozess findet in den Monaten Juni und Juli statt, mit der Idee, im August dem Kongress einen abgestimmten Gesetzesvorschlag übergeben zu können. Beteta betonte jedoch, dass diese VertreterInnen der Zivilgesellschaft als Privatpersonen und nicht als VertreterInnen ihrer Organisationen eingeladen werden und wies ebenfalls darauf hin, dass die in den Diskussionen erarbeiteten Positionen und Vorschläge nicht verbindlich für die Ausformulierung des

Fijáte 336 (08.06.05) PDF 1. Artikel
   Goldminen in San Marcos: ,,Entwicklungshilfe" mit Unterstützung der Weltbank
   Gegen den Willen der lokalen Bevölkerung betreibt die guatemaltekische Regierung eine offensive Politik in Sachen Minen und Abbau von Metallen. Die Ausbeutung von Bodenschätzen wird von internationalen Geldgebern wie der Weltbank unterstützt und von deren EntwicklungsspezialistInnen als DIE Alternative zum sich stetig verschlechternden Kaffeehandel angepriesen. Während die Regierung eine Lizenz nach der anderen an ausländische Minenunternehmen vergibt, nehmen in den betroffenen Gemeinden die negativen Auswirkungen der Minentätigkeiten zu. Im Departement San Marcos, wo das kanadische Unternehmen Glamis Gold bzw. deren guatemaltekische Tochterfirma Montana im Abbau tätig ist, wird der Widerstand der Bevölkerung unter anderem vom Movimiento de Trabajadores del Campo (MTC), das der Diözese von Bischof Alvaro Ramazzini angehört, unterstützt und begleitet. Im folgenden Interview erläutert Vinicio López vom MTC das triste Panorama und die düsteren Zukunftsaussichten im Kampf gegen den Goldabbau. Frage: Wie sieht die aktuelle Situation rund um die Minentätigkeiten im Departement San Marcos aus? Vinicio López: In San Marcos sind vor allem die Gemeinden Sipacapa und San Miguel von den Minenprojekten der Glamis Gold betroffen. Dazu kommen insgesamt dreizehn Gemeinden in Huehuetenango, San Marcos und Quetzaltenango, für die kürzlich eine Lizenz zur Terrainerkundung vergeben wurde. Seitens der Regierung scheint der feste Wille zu bestehen, den Minenbau voranzutreiben, sie wollen quasi einen Minendistrikt aus dem ganzen westlichen Hochland machen. Seitens der Bevölkerung nimmt der Widerstand gegen diese Form von ,,Entwicklungspolitik" täglich zu (siehe nebenstehender Artikel). Die Leute haben aus verschiedenen Gründen Angst, zwei davon scheinen mir erwähnenswert: Das Land und das Wasser.
   Viele BäuerInnen der Region besitzen kein eigenes Land und die wenigen, die etwas besitzen, werden mehr oder weniger gezwungen, es dem Minenunternehmen zu verkaufen. Damit wird gleichsam der BäuerInnenstand in der Region ausgerottet. Das andere grosse Thema ist der Zugang, der Gebrauch und die Verschmutzung von Wasser. Die Mine braucht 250'000 Liter Wasser pro Stunde, gegenüber einer durchschnittlichen Bauernfamilie, die Zugang zu ca. 70 Liter Wasser pro Tag hat, vorausgesetzt, sie hat einen Wasseranschluss. Ansonsten sind es vor allem die Frauen und Kinder, die zum Teil weite Strecken zu Fuss zurücklegen, um Wasser zu holen. Frage: Gab es konkrete Streitigkeiten ums Wasser bzw. gibt es eine reale Wasserknappheit in der Region? V. L.: In Sipacapa und San Miguel gab es schon immer Wassermangel, mit oder ohne Minen. Seit neuestem haben die Betreiber der Minen aber zusätzlich begonnen, die Quellen der höher gelegenen Gemeinden aufzukaufen. Es sind jedoch nicht die Minenbesitzer selber, die die Quellen kaufen bzw. das Land auf dem die Quellen liegen, sondern es sind Gemeinden, die mit der Glamis Gold kollaborieren. Die Gemeinden geben vor, das Quellwasser zu kanalisieren und in ihre Dörfer zu führen, doch wir vermuten, dass ein Grossteil dieser Wasserleitungen direkt zur Mine führt. Dies hat zur Folge, dass der Preis von Land, auf dem sich eine Quelle befindet, in die Höhe geschnellt ist. Ein Stück Land, für das früher vielleicht 8´000 Quetzales bezahlt wurde, kostet heute locker zwischen 45'000 und 100'000 Quetzales. Das Problem ist, dass es in Guatemala keine Gesetze über Zugang oder Besitz von Wasser gibt. Im Moment liegt zwar ein Gesetzesvorschlag vor, der jedoch, falls er durchkommt, alles noch viel schlimmer macht, weil er auf eine gänzliche Privatisierung des Wassers abzielt. Frage:
   Welche anderen negativen Auswirkungen sind in der Region zu spüren, seit die Minentätigkeit begonnen hat? V. L.: Es sind in erster Linie soziale Auswirkungen, z.B. die Sicherheitsfrage. Davon sind vor allem die Frauen betroffen. Nach vier Uhr nachmittags haben viele Frauen Angst, ihr Haus zu verlassen. Frage: Weshalb? V. L.: Sie fürchten sich vor Anmache und sexuellen Übergriffen. Frage: Davor fürchten sich die Frauen im ganzen Land! Was hat das konkret mit den Minen zu tun? V. L.: Es hat insofern mit den Minen zu tun, als dass es dort ausschliesslich männliche Arbeitskräfte gibt. Von den 1´200 Angestellten, welche die Mine aktuell beschäftigt, sind 325 aus Sipacapa und San Miguel, der Rest kommt entweder aus dem Osten des Landes oder aus El Salvador und Honduras. Die allermeisten dieser Leute sind nicht

Fijáte 335 (25.05.05) PDF 1. Artikel
   Von Opfern sexueller Gewalt zu Akteurinnen der Veränderung
   Die 36 Jahre Krieg haben in der guatemaltekischen Bevölkerung Tod, Schmerz und Verzweiflung hinterlassen. Die Friedensabkommen von 1996 eröffneten die Möglichkeit, neue Formen des Zusammenlebens auszuprobieren und auf die Schaffung einer Demokratie hinzuarbeiten. Doch es ist nicht möglich, eine Gegenwart zu denken oder zu konstruieren, ohne die Vergangenheit aufzuarbeiten. Die beiden Berichte zur Erinnerung der Vergangenheit, ,,Nunca más" der Katholischen Kirche (REMHI) und ,,Memoria del Silencio" der Kommission zur historischen Aufklärung (CEH) erkennen die Wichtigkeit an und zeigen die Bedeutung auf, die Vergangenheit aufzuarbeiten, die Erinnerung an das Geschehene zu bewahren und über die Wahrheit zu sprechen. Gemäss CEH wurden während des bewaffneten Konflikts mehr als 200´000 Personen umgebracht oder sie verschwanden, ohne dass man über ihr Schicksal etwas erfahren hätte. Ein Viertel davon sind Frauen. Von 31% dieser Frauen ist bekannt, dass sie vor ihrer Hinrichtung unter Todesdrohung sexuell missbraucht oder gefoltert wurden. Das REMHI seinerseits spricht davon, dass die direkten Opfer des Krieges vor allem Männer waren, dass aber die Frauen eine wichtige Rolle im Kampf um die Einhaltung der Menschenrechte einnahmen, zur Öffnung politischer und demokratischer Spielräume beitrugen und die direkten und indirekten Konsequenzen des Krieges zu spüren bekamen. Sowohl REMHI wie die Kommission zur historischen Aufklärung nahmen in ihren Berichten zur speziellen Situation der Frauen während des Krieges Stellung. Im Vergleich zu den anderen in den Berichten enthaltenen Kapiteln geben sie aber zu diesem keine Empfehlungen an die Regierung ab, bezüglich der Wiederherstellung der Würde der während des Krieges sexuell missbrauchten Frauen.
   Aufgrund dessen haben Feministinnen, die Frauenorganisation UNAMG und die auf psychosoziale Gesundheit spezialisierte Organisation ECAP ein Projekt erarbeitet, das aufzeigen soll, dass sexuelle Gewalt während des Konfliktes als eine gezielte Strategie gegen die Frauen angewandt wurde. Gleichzeitig sollen die Frauen, welche diese Gewalt erlebt haben, in Selbsthilfegruppen ihre psychosoziale Gesundheit wiedererlangen und einen Empowermentprozess durchlaufen, der sie von Opfern zu handelnden Akteurinnen im (auch juristischen) Kampf um Gerechtigkeit macht. Die Initiatorinnen des Projekts sind davon überzeugt, dass die heutige Gewaltsituation nicht von der Vergangenheit getrennt werden kann, und dass die Gründe, die zur sexuellen Gewalt während des Krieges geführt haben, die selben sind, die heute eine sexualisierte Gewalt gegen Frauen in allen Lebensbereichen ermöglicht. Im folgenden Interview erzählt die Feministin und Ethnologin Yolanda Aguilar, eine der Gründerinnen, über die Entstehung und die Ziele des Projekts ,,Von Opfern sexueller Gewalt zu Akteurinnen der Veränderung: Der Kampf der Frauen für Gerechtigkeit".
   Frage: Wie ist das Projekt entstanden? Yolanda Aguilar: Als ich selber mein ,,Testimonio" für das REMHI abgab, wurde ich gefragt, ob ich die Redaktion des Kapitels über Gewalt gegen Frauen während des bewaffneten Konflikts übernehmen wolle. In dieser Funktion, aber auch als selbst Überlebende dieser Gewalt wurde ich nach Japan eingeladen, um am Internationalen Tribunal gegen Kriegsverbrechen sexueller Art, ausgeübt vom japanischen Militär während des zweiten Weltkriegs an Frauen unterschiedlicher Nationalitäten teilzunehmen. Eigentlich wollte ich nicht dorthin gehen, um noch einmal meine Geschichte zu erzählen, habe es dann aber doch getan und bin zutiefst beeindruckt und mit der Idee, in Lateinamerika auch ein solches Tribunal durchzuführen, zurückgekommen. Als erstes wollten wir also unsere eigene Geschichte aufarbeiten. Die Diskussion über das Wie und mit welchem Ziel hat uns schliesslich zur Realisierung dieses Projekts geführt. In erster Linie geht es uns um den individuellen Heilungsprozess der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben.

Fijáte 334 (11.05.05) PDF 1. Artikel
   "Die Untersuchungen sind mehr als ärmlich" Nineth Montenegro zum Millionenbetrug im EMP
   Noch zu Amtszeiten des vorherigen Präsidenten Alfonso Portillo wurde der Präsidiale Generalstab (EMP) aufgelöst, eine dem Verteidigungsministerium untergeordnete Institution, in dessen Namen rund 100 Personen dafür abgestellt waren, sich um die Sicherheit - inklusive Leib und Wohl - des Präsidenten der Republik zu kümmern. Diese Aufgabe wird seitdem vom Sekretariat für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten (SAAS) ausgeübt. Bereits während der Regierung der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) hatte sich die Abgeordnete der Allianz Neue Nation (ANN), Nineth Montenegro, der Supervision des Haushaltes im und der ominösen Geldüberweisungen an das Verteidigungsministerium und ans EMP gewidmet und reichte kurz nach Regierungswechsel im letzten Jahr eine erste entsprechende Klage ein, die jedoch keinen Erfolg zeitigte. Im Verlauf des Jahres sind unterdessen eine Reihe von Personen auf mysteriöse und vor allem gewalttätige Weise zu Tode gekommen, vermeintliche Ermittlungen erklärten die Morde nicht selten mit dem allgemeinen Verbrechen, dem Drogenhandel oder Selbstmordtaten ohne der Tatsache Bedeutung zu schenken, dass all diese Personen auf die ein oder andere Art in Verbindung mit den nicht mehr zu leugnenden Abermillionen standen, die in den vier FRG-Jahren aus den beiden Militärinstitutionen verschwunden sind. Einige der Opfer hatten bereits als SchlüsselzeugInnen belastende Aussagen abgegeben. In erster Linie klagt Montenegro auch in ihrer zweiten Klage vom Februar 2005 Ex-Präsident Portillo für seine Verantwortung an, daneben stehen seit letzter Woche auf der tatsächlichen Anklageliste der Staatsanwaltschaft neun Militärs und weitere Privatpersonen, die mittels Scheinfirmen und -dienstleistungen der militärischen Geldwäsche zur Hand gegangen sind. Überraschend schnell wurden bereits bis Ende der Woche die ersten drei der Verdächtigen festgenommen.
   Im folgenden Interview vom 20. April - zwei Wochen vor der allerersten offiziellen und den Betrug konstatierenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft - äussert sich Nineth Montenegro zu dem Ermittlungsprozess und ihren eigenen Plänen. Frage: Sie haben bereits im letzten Jahr eine Klage hinsichtlich der Geldmachenschaften im Präsidialen Generalstab (EMP) eingereicht, die jedoch nicht vorangekommen ist. Jetzt im Februar haben Sie es erneut versucht. Gab es inhaltliche Unterschiede in den Anklagen? Nineth Montenengro: Nein, was ich gemacht habe war, der Staatsanwaltschaft einen Bericht über den Umgang mit dem Etat im Verteidigungsministerium und im EMP während der vier Jahre der vorherigen Regierung einzureichen, denn unserem Urteil nach gab es schwerwiegende Ungereimtheiten, die von Seiten der Staatsanwaltschaft untersucht werden sollten. Meines Erachtens stellten diese die Verbindung her zwischen Geldwäschenetzwerken, dem Ministerium und dem EMP. Daraufhin haben wir eine Strafanzeige erstattet gegen Autoritäten des EMP, denn wir haben ebenfalls herausgefunden, dass es um diesen Millionenbetrug herum zahlreiche Geisterfirmen gab, die in Fälle der Steuerhinterziehung verwickelt waren. Und es war notwendig, bis auf den Grund zu untersuchen, was in den Staatsnetzen vor sich ging. Leider gab es keinerlei besondere Ermittlungen, obwohl wir Beweise vorgelegt haben darüber, wie mit Berufung auf das Militärgeheimnis der Fonds umgegangen wurde, zum Beispiel für Nahrungsmittel, Güter und Dienstleistungen und persönliche Ausgaben des Präsidenten, im Fall des EMP. Meiner Meinung nach fehlt es an Interesse von Seiten der Staatsanwaltschaft, gegen die Verantwortlichen zu ermitteln und sie zu bestrafen. Frage: Und neben der Tatsache, inzwischen über noch mehr Beweise zu verfügen:
   Was hat sich an den äusseren vor- wie nachteilhaften Bedingungen in Bezug auf die Entwicklung des Prozesses verändert? N. M.: Ich glaube, die Bedingungen haben sich verschlechtert. Es bestand einen Moment lang grosses Interesses daran, den Generalstab und das Verteidigungsministerium zu säubern, aber ich habe den Eindruck, dass die neue Regierung die Absicht hat, diese Institutionen zu stärken und ihnen mehr Zuständigkeiten zuzuschreiben als der Zivilen Nationalpolizei selbst. Und das erschwert unsere Arbeit sehr. Frage: Auch wenn damals der direkte Zusammenhang zwischen dem "Fall EMP" und dem Ex-Präsidenten Alfonso Portillo negiert wurde: Welche Bedeutung hatten die Revision des Auslieferungsabkommens zwischen Mexiko und Guatemala etwa zur gleichen Zeit? N. M.: Die Auslieferungsvereinbarung besteht seit 1800, was gemacht wurde war, es an die aktuelle Situation anzupassen. Und dies hat überhaupt keine Bedeutung in Bezug auf Portillo, sondern man unterzeichnete einfach eine Vereinbarung zur Extradiktion in Bezug auf die Definition von allgemeinen Straftaten. Für mich hat das überhaupt keine Wirkung, ich sehe keinen Willen der aktuellen Regierung, um die vorherige zu sanktionieren. Ich glaube sogar, sie haben Re-

Fijáte 333 (27.04.05) PDF 1. Artikel
   Alle Jahre wieder: Die UNO-Menschenrechtssession
   Anfang April hat in Genf die 61. Sitzung der UNO-Menschenrechtskommission stattgefunden. Am 13. April war, wie jedes Jahr, auch die Menschenrechtssituation in Guatemala ein Thema. Staatliche wie nichtstaatliche VertreterInnen haben ihre Sicht der Dinge und ihre Forderungen an den guatemaltekischen Staat und die Internationale Gemeinschaft dargelegt. Leider können wir an dieser Stelle nicht über konkrete Massnahmen berichten, die aufgrund der UNO-Menschenrechtssession getroffen worden wären, möchten aber doch einige Themen aufgreifen, die damit im Zusammenhang stehen. Einleitend die Worte des Menschenrechtsprokurators Sergio Morales vor der UNO-Kommission. Herr Präsident: Ich gratuliere Ihnen zu der hervorragenden und engagierten Arbeit, die Sie an der Spitze dieser ehrenhaften Kommission leisten. Ebenso möchte ich eine öffentliche Ehrung aussprechen für die Arbeit von Frau Louise Arbour, der Hochkommissarin für Menschenrechte. Als Menschenrechtsprokurator habe ich die Hoffnung, dass mein Land dank dem Einsatz seiner Bevölkerung und mit Hilfe der Internationalen Gemeinschaft in naher Zukunft eine spürbare Verbesserung der Menschenrechtssituation erreichen wird. Vor acht Jahren, nach langen politischen Verhandlungen zwischen der Regierung und den aufständischen Bewegungen, wurde das Abkommen über einen festen und dauerhaften Frieden unterzeichnet. Dieses Ereignis weckte in der Bevölkerung grosse Erwartungen, weil in diesem sowie in vorgängig unterzeichneten Teilabkommen eine Agenda festgelegt wurde, um die Diskriminierung, den Ausschluss und die Gewalt zu bekämpfen, die unter anderem Ursache für den 36 Jahre dauernden bewaffneten Kampf waren. Leider haben die rechtsstaatlichen und demokratischen Entwicklungen nicht die erhofften Ausmasse angenommen.
   Weder konnten die Lebensbedingungen der Bevölkerung nennenswert verbessert werden, noch konnte die Intoleranz der öffentlichen Machthaber gegenüber Andersdenkenden und gegenüber den sozialen Forderungen abgebaut werden. Dazu folgende Daten: 56% der guatemaltekischen Bevölkerung leben in Armut, eine Situation, die sich in ländlichen Gebieten auf 82% verschärft. Die indigene Bevölkerung ist davon zu 72% betroffen. Die Möglichkeiten, diesen Teufelskreis der Armut zu durchbrechen, sind heute gleich Null. Bezüglich des Landbesitzes besteht weiterhin eine ungerechte Verteilung. Dieses Missverhältnis in der Landverteilung hat allgemein ungerechte Auswirkungen auf den Landwirtschaftssektor. Die Schwäche des Staates in Sachen Steuerpolitik, welche die Friedensabkommen mit einem Fiskalpakt, der nie zur Anwendung kam, zu überwinden suchten, verunmöglicht das angestrebte Ziel von Steuereinnahmen von 12% des Bruttoinlandprodukts. Im Gegenteil, die letzte Steuerreform lässt befürchten, dass in Zukunft die Steuereinnahmen gar unter die während der letzten acht Jahre gehaltenen 10% ausfallen. Mit der zusätzlichen Verschärfung, dass ja der Staat für die Garantie der öffentlichen Dienste wie die Bildung, die Gesundheitsversorgung und die öffentlichen Sicherheit zuständig ist. Gegenüber den zunehmenden und immer verzweifelter geäusserten sozialen Forderungen aufgrund der hier beschriebenen Situation, kommt ein Staat, der keine Antwort auf die nationale Problematik weiss, schnell in die Versuchung, zu repressiven Mitteln zu greifen und den sozialen Protest zu kriminalisieren, wie das im Moment in Guatemala wieder der Fall ist. Ich betone dies wegen der Auswirkungen, die eine solche Politik auf die Demokratie und die Menschenrechte hat.
   Ich muss aber an dieser Stelle auch sagen, dass mir die Regierung zugesichert hat, dass die in letzter Zeit im Rahmen von Fincaräumungen und Demonstrationen von Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen untersucht werden sollen. Das Gewaltniveau, die Diskriminierung, der Ausschluss und die Straflosigkeit, zusammen mit der Präsenz des organisierten und transnationalen Verbrechens, sind weitere Aspekte, welche die Anstrengungen zur Schaffung einer Demokratie torpedieren. Die Anzahl gewaltsamer Todesfälle ist im Vergleich zur EinwohnerInnenzahl eine der höchsten der Region. Während des Jahres 2004 wurden 4´507 Personen ermordet, 497 davon waren Frauen. In 81% der Fälle waren Schusswaffen im Spiel. Von den überhaupt angezeigten Fällen werden die wenigsten strafrechtlich verfolgt. Um dieser Situation zu begegnen, habe ich in meiner Funktion als Menschenrechtsprokurator zusammen mit Menschenrechtsorganisationen im Jahr 2002 die Schaffung einer Untersuchungskommission für illegale Körperschaften und klandestine Strukturen (CICIACS), vorgeschlagen. Zusammengesetzt aus internationalen UNOFunktionärInnen und guatemaltekischen Fachleuten hätte eine solche Kommission die nationalen Sicherheitskräfte und Gerichte bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Straflosigkeit unterstützen sollen. Leider wurde diese Initiative nicht umgesetzt. Hier und heute wiederhole ich die Notwendigkeit einer solchen Kommission mit internationalem Charakter, weil ich glaube, dass der von der Regierung erarbeitete Alternativvorschlag nicht wirksam ist, da er die traditionellen Schwächen unseres Systems nicht überwindet, das ernsthafte

Fijáte 332 (13.04.05) PDF 1. Artikel
   "Das Urteil im Fall Gerardi ist für uns ein Triumph"
   Weiterhin bleibt die Frage nach dem oder den Hauptverantwortlichen für den vor sieben Jahren begangenen Mord an Monsignore Juan José Gerardi offiziell ungeklärt. Am vergangenen 22. März hat die Zweite Berufungsinstanz des Gerichts ein neues Urteil verkündet, das den Rechtsspruch vom 8. Juni 2001 ersetzt. Mit einer Gegenstimme wurden somit die Haftstrafen von je 30 Jahren für die Militärs Byron Disrael Lima Estrada und dessen Sohn, Hauptmann Byron Miguel Lima Oliva, auf je 20 Jahre reduziert, die sich bei guter Führung noch einmal verringern können. Die Verurteilten gelten nun nicht mehr als Mittäter, sondern als Komplizen, bedingt durch den mutmasslichen Grad ihrer Beteiligung am Verbrechen. Das Strafmass von 20 Jahren für den bereits 2001 als Komplizen verurteilten Priester Mario Orantes wurde bestätigt. Alle drei sitzen ihre Strafen seit 5 Jahren ab. Der vierte Verurteilte, Obdulio Villanueva, wurde im Februar 2003 bei einem Aufstand im Gefängnis, wo er seine Strafe absass, ermordet. Mit Schlägen auf den Kopf war Bischof Gerardi am 26. April 1998 in seinem Haus brutal ermordet worden, rund 54 Stunden nach der Präsentation des Berichts "Guatemala ­ Nie wieder" des Projekts zur Wiedererlangung der Historischen Erinnerung - REMHI. In diesem werden mehr als 55´000 Verletzungen der Menschenrechte während des bewaffneten Konflikts dokumentiert, von denen die Mehrheit der Verantwortung des guatemaltekischen Militärs zugeschrieben wird. Im folgenden Interview erläutert Mario Gonzalo Domingo Montejo, für den Fall zuständiger Rechtsanwalt vom Menschenrechtsbüro des Erzbischofs (ODHAG), die Komplexität dieses Exempels für den Konflikt zweier das Land dominierenden Mächte: der Katholischen Kirche und dem Militär. Frage: Vor der Urteilsverkündung erwartete die ODHAG laut Medienberichten die Bestätigung des ersten Urteils gegen die Lima.
   Nachher war zu lesen, dass sie mit dem zweiten, nun endgültigen Urteil, das die Strafen und vor allem die mutmassliche Verantwortung der Militärs erheblich mindert, ebenfalls zufrieden ist. Ist das kein Widerspruch? Mario Domingo: Nun, dieser Fall ist ziemlich vielschichtig und schwierig, was auch ein Grund dafür ist, dass wir bereits seit sieben Jahren daran arbeiten. Unsere und alle anderen Beweise, die dem Gericht vorlagen, haben faktisch die Verantwortung der Militärs als Täter des Verbrechens festgestellt sowie die Teilnahme des Priesters Mario Orantes als Komplize. Doch der Fall ist politisch manipuliert worden. Zum einen auf parteipolitischer Ebene, wie im Fall des Ex-Präsidenten Alfonso Portillo, der den Fall allein dafür genutzt hat, um die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen. Indes hat die Regierung unter ihm so gut wie nichts getan, um das Verbrechen aufzuklären. Diese Arbeit oblag der Staatsanwaltschaft und dem ODHAG. Unter den heutigen politischen Umständen und nach der ganzen Medienkampagne, die um den Fall gemacht wurde, ist also ein gewisser Triumph. Denn es wird nicht gesagt, dass die Militärs unschuldig seien. Frage: Wie war das mit der Medienkampagne? M. D.: Von Seiten der Konservativen und den Parallelmächten, die hinter dem Tod von Monsignore Gerardi stekken, wurden nach dem ersten Urteil die Medien genutzt, um widrige Rahmenbedingungen für den Fall zu schaffen.Es wurde ein Buch voller Lügen publiziert, geschrieben von zwei AusländerInnen. Es trägt den Titel "Wer tötete den Bischof?". Die AutorInnen sind die JournalistInnen Maite Rico und Bertrand de la Grange (siehe ¡Fijáte! 299). Wir sind durchaus im Stande, diese Lügen aufzudekken und werden dies auch tun.
   Doch es erschien uns nicht opportun, dies bereits zu unternehmen, da es bloss zur weiteren Politisierung des Falles beigetragen hätte, während das Rechtsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Durch das Buch wurde eine öffentliche Meinung gebildet, dass die Aussagen über den Totschlag, die zur Verurteilung der Angeklagten fühten, erfunden seien. Eine solche Kampagne kostet einiges und wurde von Leuten unterstützt, die sowohl das Geld wie ein Interesse daran hatten, diese Lügen zu verbreiten. Wir wissen, dass allein der Druck eines ersten Buches gegen die Position des ODHAG und gegen die Haltung der Katholischen Kirche hier in Guatemala 68´000 Quetzales gekostet hat. Dieses erste Buch liess sich jedoch nicht verkaufen. Für das Buch von Rico und de la Grange entwickelte man dann ein spezielles Marketing und diesmal klappte es. Wie gesagt, die nötigen Beweise gegen diese Lügen haben wir, aber es ist schwierig, diese Gegeninformation öffentlich bekannt zu machen. Frage: Wer steckt hinter dieser Kampagne? M. D.: Wir wissen, dass diese Kampagne von ranghohen und zum Teil pensionierten Militärangehörigen lanciert worden ist. Diese Leute setzen alles daran, dass die

Fijáte 331 (30.03.05) PDF 1. Artikel
   "Uns gehen langsam die Strategien aus..."
   Aktuelle Herausforderungen für die Plataforma Agraria
   Dieser Tage wurde von der guatemaltekischen Regierung das Freihandelsabkommen Zentralamerika/Dominikanische Republik/USA (CAFTA) ratifiziert. KritikerInnen befürchten negative Auswirkungen dieses Abkommens unter anderem für den guatemaltekischen Landwirtschaftssektor, der nicht mit den aus den USA importierten, subventionierten Produkten konkurrieren kann. In den letzten Jahren hatte auch der Zerfall des Kaffeepreises negative Auswirkungen auf die ohnehin schon prekäre Landwirtschaft des Landes. Dazu kommt die historisch ungerechte Landverteilung. Ursula Roldán von der BäuerInnenkoordination Plataforma Agraria zieht Bilanz und schaut in eine düstere Zukunft. Frage: Die Landfrage ist ein ewiges Thema in Guatemala. Was hat sich in den letzten 50 Jahren verändert? Ursula Roldán: In Sachen Landbesitz und Landerwerb hat sich in den letzten 50 Jahren nicht viel verändert. Das Regierungsprogramm zur Vergabe von Land, das in den 60er bis 80er Jahren ausgeführt wurde, war weder eine wirkliche Landreform noch wurde viel Land verteilt. In den 80er Jahren bis zur Unterzeichnung der Friedensabkommen 1996 wurde dieses Landvergabeprogramm etwas modifiziert, es wurde das Kreditwesen eingeführt. Die Bedingungen waren für die BäuerInnen damals besser als heute: Sie hatten zwanzig Jahre Zeit, ihre Abzahlungen zu leisten und es waren symbolische Preise, welche sie für das Land bezahlen mussten. Da sich im Verlaufe der Jahre keine Verbesserung abzeichnete, wurde die Migration in die USA zur einzigen Alternative für viele Familien, bzw. für die junge Generation. Anfänglich waren es vor allem junge Männer, doch immer öfter migrieren auch die Frauen. Ein weiterer Unterschied zu früher ist, dass viele Bauernfamilien beginnen, ihre Produktion zu diversifizieren. Das heisst, sie sind nicht mehr einzig von der Landwirtschaft abhängig.
   Häufig kommt es vor, dass eine Familie sich drei oder vier Tätigkeiten widmet. Sie ist neben der Landwirtschaft im informellen Sektor tätig, im Dienstleistungssektor oder im Handwerk, vor allem im Baugewerbe. Dies sind die spürbaren Veränderungen in den ländlichen Gebieten. Mit der Unterzeichnung der Friedensabkommen hat sich nicht viel verändert. Durch die Einrichtung des Landfonds (FONTIERRA) hat man den Verkauf von Land verstärkt. Der Unterschied ist, dass heute mit Bankkrediten gearbeitet wird, mit deren Rückzahlung zwar nicht gleich im ersten Jahr begonnen werden muss, aber man hat nie mehr die Frist von 20 Jahren, wie das früher der Fall war, und man muss das Geld bis zum letzten Rappen zurückzahlen. Der letzte grosse Unterschied zu früheren Jahren ist die Kaffeekrise und die Konsequenzen, welche diese für den Export von Rohstoffen hat. Betroffen davon sind neben dem Kaffee die Baumwolle und die Bananen, nicht jedoch der Zucker. Man versucht, diese traditionellen Produkte durch Kautschuk und die afrikanische Palme zu ersetzen. Und in jüngster Zeit ist der Minenbau als ,,Alternative" zum Exportmodell dazugekommen. Frage: Der Slogan ,,Das Land denen, die es bearbeiten" gilt also heute nicht mehr? U.R.: Nein, diese Forderung kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Die BäuerInnen besitzen im besten Fall kleine Grundstücke, auf denen sie für die Selbstversorgung anbauen. Die Leute leben heute lieber von den remesas (Geld, das Familienangehörige aus dem Ausland nach Hause schikken) und daneben pflanzen sie auf ihrem kleinen Stück Land für die Selbstversorgung an. Nur in wenigen Zonen wird über die Selbstversorgung hinaus nicht-traditionelle Landwirtschaft betrieben, Gemüseanbau z.B., oder Kartoffeln. Frage: So wie sich die Konjunktur verändert hat, haben sich wohl auch die Forderungen der BäuerInnenorganisationen verändert. Wie sehen diese heute aus? U.R.:

Fijáte 330 (16.03.05) PDF 1. Artikel
   "Hier also leiste ich als Frau meinen Beitrag zur Entwicklung meines Volkes..."
   Vor einem Jahr ist Dominga Vásquez, Maya-Kaqchiquel-Indígena aus El Tablón, Sololá, als erste Frau in der Geschichte zur Indigenen Bürgermeisterin Sololás auf zwei Jahre gewählt worden. Die alcaldía indígena ist eine Institution, die parallel zum staatlich eingesetzten ,,offiziellen" Bürgermeisteramt in einigen wenigen Departements des Landes funktioniert. Dominga Vásquez hat ihr Büro in der vor ihrem Amtsantritt mit Geldern der UNESCO renovierten und mit Motiven der indigenen Kultur bemalten alcaldía indígena in der Stadt Sololá. Während alle Indigenen und Kommunalen BürgermeisterInnen (alcaldes/as auxiliares) ehrenamtlich arbeiten, werden die administrativen Kosten vornehmlich von internationalen Stiftungen und Organisationen gedeckt, der Fonds für indigene Angelegenheiten (FODIGUA) beteiligt sich geringfügig, sonstige staatliche Gelder erhält die alcaldía indígena nicht. In der offiziellen Gemeindeordnung übernimmt die/der Kommunale BürgermeisterIn durchaus die Repräsentation des offiziellen Bürgermeisters und wird von ihm ernannt. In der Realität jedoch gestaltet sich die Rolle der/s Kommunalen Bürgermeisterin/s eher als dorfeigene Autorität und Vertretung der/s indigenen Bürgermeisterin/s. In Sololá besteht aufgrund der Entscheidung der lokalen alcaldía indígena so gut wie keine Kooperation mit der offiziellen Bürgermeisterei. Im folgenden Interview erläutert Dominga Vásquez die Aufgaben und Rollen der alcaldía indígena und nimmt zu den Vorfällen in Los Encuentros Stellung, in deren Zusammenhang unter anderem gegen sie und ihren Mann, Alfonso Guárquez, der als lokaler Korrespondent für die Nachrichtenagentur cerigua arbeitet, Anzeige erstattet wurde. Frage: Welche Rolle hat die Indigene Bürgermeisterei inne? Dominga Vásquez:
   Die wichtigste Aufgabe der indigenen Bürgermeisterei ist die Stärkung der Identität der indigenen Völker und die Verteidigung deren Rechte, die ständig verletzt werden. Unsere Bürgermeisterei ist eine komplett indigene Autorität, die sich um Angelegenheiten der indigenen Bevölkerung kümmert. Dazu gehört die Förderung der Beteiligung aller, die Sensibilisierung hinsichtlich der Teilnahme speziell der Frau, denn wir sind ein bisschen marginalisiert und werden nicht beachtet. Es wird behauptet, wir Frauen könnten keine Meinung vertreten und keine Entscheidungen treffen. Aber heute mehr denn je sind wir präsent und nehmen teil, auch wenn wir vielleicht nicht alles 100 %-ig gut machen. Es gilt auch, ALLE zur Teilnahme zu bewegen, die Männer, Frauen, Jugendlichen, damit die Entscheidungen zu Gunsten ALLER getroffen werden, zu Gunsten der Entwicklung der Gemeinden. Frage: Wie sieht ein normaler Arbeitstag für Sie aus? D. V.: Dienstags und Freitags sind wir hier in der alcaldía. Am Dienstag empfangen wir gewöhnlich Familien, Personen, Gruppen, die uns über irgendein Problem informieren oder die wünschen, dass ein Problem auf der Basis und nach den Prinzipien des Gewohnheitsrechts der Mayas gelöst wird. Wir hören ihnen zu und machen einen Termin aus, an dem beide bzw. alle involvierten Parteien erscheinen. Dann setzen wir uns zwei, drei Stunden oder manchmal noch länger zusammen und versuchen, eine Lösung für den Konflikt zu finden. Das machen wir mittels Ratschlägen, einer Art von ,,Erziehung" und der Erinnerung daran, dass wir als Maya unsere Prinzipien, unsere Werte und Normen haben, die wir respektieren müssen, wie es uns unsere Vorfahren gelehrt haben. Viele Personen können das für sich annehmen und viele haben hier in der Bürgermeisterei ihre Probleme gelöst.
   Einige Paare waren an dem Punkt, sich scheiden lassen zu wollen ­ sie sind wieder zusammen, oder auch bei Nachbarschaftskonflikten versuchen wir, einen Ausweg zu finden. Am Dienstagvormittag kommen also die Leute zu uns. Nachmittags machen wir alle möglichen Besuche in den Gemeinden, wir suchen ein Komitee auf oder eine Institution oder halten Vorträge in einer Gemeinde. Unser Arbeitstag am Freitag sieht so aus: Sitzung mit den Kommunalen BürgermeisterInnen, momentan sind dies 50. Wir treffen uns mit ihnen, um zu informieren, zu organisieren, um Entscheidungen zu treffen über Aktivitäten, die mit den Gemeinden veranstaltet werden sollen. Am Nachmittag bleiben nur noch wir Mitglieder der Korporation, das sind elf Personen aus vier Ortschaften (aldeas) und neun Kantonen. Im Moment fehlen zwei Gemeinden, die nicht vertreten sind. Frage: Ihre ganze Arbeit beruht auf ehrenamtlichem Engagement? D. V.: Ja, das ist ad honorem. Aber in den ersten zwei Monaten dieses Jahres ist es für mich ein bisschen schwierig geworden, denn ich bin noch Lehrerin und arbeite Montags-, Mittwochs- und Donnerstagsvormittags in einer Schule. Frage: Sie sind die allererste Frau auf dem Posten der Indigenen Bürgermeisterin. Ist dies ein Zeichen für die Frauenrolle in der indigenen Kosmovision? D. V.: Ich denke schon. Denn in unserer Kosmovision liegt eine grosse Bedeutung auf der Dualität. Von Natur aus braucht es sowohl die Frau als auch den Mann. Hier also erfülle ich meines Erachtens meine Mission und leiste als Frau meinen Beitrag zur Entwicklung, zu all den Aktivitäten meines Volkes. Denn alle haben wir eine Mission, nicht nur der Mann, sondern auch die Frau. Ich denke also, dass ich

Fijáte 329 (02.03.05) PDF 1. Artikel
   Freihandelsabkommen mit den USA: ,,Weder Himmel noch Hölle"
   Dies ist der Schluss, den der Wirtschaftsexperte Miguel Ángel Gutiérrez in einem Interview mit der Tageszeitung elPeriódico über den Freihandelsvertrag zwischen Zentralamerika und den Vereinigten Staaten (CAFTA- im Englischen) zieht. Wenn alles nach Plan der BefürworterInnen des Freihandelsabkommens (TLC) läuft, wird das Vertragswerk in den nächsten Wochen vom guatemaltekischen Kongress ratifiziert und die entsprechenden Gesetze dazu erlassen bzw. geändert. Unterdessen hat die Diskussion um das umstrittene Abkommen in Guatemala weitere Kreise gezogen ­ zu spät wohl, um sein Inkrafttreten noch zu verhindern. Ein Stimmungsbarometer. Am 28. Januar wurde der Exekutive die bisherige Schlussfassung des Freihandelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik zur Diskussion vorgelegt. Mariano Rayo, Präsident der Parlamentskommission für Wirtschaft und Aussenhandel, gibt sich positiv und hofft, dass der Kongress das Geschäft bis zu den Osterferien unter Dach und Fach hat. Dies ist auch nicht wirklich schwierig: 80 JA-Stimmen genügen, und darüber verfügt die Regierungspartei GANA und ihre Verbündeten aus der FRG, der Patriotischen Partei und der UNE locker. Die meisten Kongressabgeordneten haben sich bisher noch nicht mit dem Thema Freihandelsabkommen beschäftigt, eine Tatsache, die von den GegnerInnen stark kritisiert wird, werden doch mit der Ratifizierung für die kommenden 50 Jahre die Weichen in eine Richtung gestellt, deren politischen, ökonomischen und sozialen Konsequenzen alle folgenden Generationen zu spüren bekommen werden. Skeptisch gegenüber dem Abkommen sprechen sich die URNG, die ANN und einzelne UNE-Abgeordnete aus. Auch die PAN und die ChristdemokratInnen fühlen sich "noch zu wenig vorbereitet".
   Gemäss der URNG-Abgeordneten Alba Estela Maldonado sei man nicht grundsätzlich gegen eine Öffnung der Märkte, aber gegen dieses spezifische Abkommen mit den USA. Die ANN fordert die Regierung auf, wenn sie schon den TLC unterzeichne, solle sie wenigstens gleichzeitig Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Unterstützung des Agrarsektors sowie eine integrale Steuerpolitik einführen. Der ANN-Abgeordnete Alfredo de León verlangt ein Moratorium von sechs Monaten, damit sich die ParlamentarierInnen erst einmal mit der Thematik auseinandersetzen können, bevor sie entscheiden. Der UNE-Vertreter Raúl Robles ist gegen das Abkommen weil "die USA den dicken Fisch an Land ziehen werden, während die kleinen und mittleren Unternehmen in Zentralamerika im Nachteil sind". Zugang zum Weltmarkt zu haben, nütze nichts, wenn man nichts anzubieten habe, meinte Robles weiter und befürchtet gar, dass gewisse importierte Produkte billiger angeboten werden als die nationalen, weil diese nicht subventioniert würden. (Übrigens gehören laut Abkommen zu den Gütern, die Guatemala steuerfrei in die USA exportieren kann, "typische" Dritt-Welt-Produkte wie Atomreaktoren, Teleskope, Traktoren, Sonnenbrillen etc.) Aus Oppositionskreisen wurde gefordert, dass eine Volksbefragung (Consulta popular) über die Ratifizierung des TLC hätte durchgeführt werden sollen, wofür es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch zu spät ist. Ebenfalls zu spät ist es unterdessen, noch grössere Änderungen in dem Vertrag anzubringen. Nichtsdestotrotz lädt der Kongress zu einer öffentlichen Diskussion ein und bittet alle am Thema Interessierten, ihre Vorschläge einzureichen. Ausserdem wurde eine Webseite eröffnet, die als Forum dienen soll und auf der auch das Vertragsdokument einsehbar ist. (www.ca-asies.
   rg) Seit der Vorgang im Kongress weilt und Gespräche und Informationsveranstaltungen zwischen Kongress, den verschiedenen Ministerien und der Zivilgesellschaft stattfinden, wächst auch der Protest der GegnerInnen täglich. Die in der Mesa Global zusammengeschlossenen Nichtregierungsorganisationen (NRO) gewerkschaftlicher und umweltschützerischer Herkunft weisen darauf hin, dass das Freihandelsabkommen nicht den Interessen des Grossteils der Bevölkerung entsprechen. Die ganze Diskussion darüber habe in der Exekutive stattgefunden, das Parlament und die Bevölkerung seien davon ausgeschlossen worden. Der Gewerkschafter Edwin Ortega befürchtet schlimme Konsequenzen für die ArbeiterInnen, indem noch mehr Akkordarbeit zu Mindestlöhnen eingeführt werde. Ebenfalls habe es wohl die Entlassung Tausender von ArbeiterInnen zur Folge. Auch die KleinbäuerInnen werden die negativen Auswirkungen des TLC zu spüren bekommen, wie eine Studie der Koordination der NRO und Kooperativen (Congcoop) zeigt. Sie befürchtet, dass der Markt von gentechnisch veränderten Produkten überschwemmt wird, die billiger sind als das einheimische Getreide und so den BäuerInnen ihre Existenz genommen wird. An den Protesten vor dem Kongressgebäude nahmen auch die HIV-Positiven und an Aids Erkrankten teil. Sie fordern die Regierung auf, endlich die Hindernisse zum Zugang billigerer Generika für Aidskranke aufzuheben, eines der in letzter Zeit umstrittensten Themen im Zusam-

Fijáte 328 (16.02.05) PDF 1. Artikel
   25 Jahre nach dem Brand in der Spanischen Botschaft
   Die Vorfälle in der Spanischen Botschaft in Guatemala vor 25 Jahren haben Jahr für Jahr eine Reihe von Gedenkveranstaltungen zur Folge, die die Rehabilitierung der Opfer suchen ohne die Forderungen zu vergessen, die die BäuerInnen seinerzeit verfolgten. Bis heute wartet die Entschädigung der Verstorbenen dieser Tragödie auf rechtliche Beschlüsse. Dennoch öffnen sich Aussichten auf die Wiedereröffnung des Falles von Seiten der Elften Strafgerichtsinstanz in Guatemala. Die alte Akte soll überprüft und neue Beweise aufgenommen werden. Zurückzuführen ist dies allein auf den internationalen Druck, der, vor etwa fünf Jahren von guatemaltekischen Menschenrechtsorganisationen initiiert, inzwischen die spanische Justiz selbst auf den Plan gerufen hat. Sie will die rechtliche Lage der fünf spanischen StaatsbürgerInnen aufklären, die damals umgekommen sind und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Auszüge aus inforpress centroamericana 1593 skizzieren die aktuelle Lage. Am 31. Januar 1980 verbrennen 37 Personen, mehrheitlich BäuerInnen aus dem Departement Quiché, während einer friedlichen Besetzung im Inneren der alten Spanischen Botschaft. Gegen den Willen des damaligen Botschafters Máximo Cajal war der diplomatische Sitz von einer guatemaltekischen Polizeieinheit gestürmt worden. Der Zusammenschluss Convergencia 31 de Enero ist heute die Plattform von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Klage der BäuerInnen weiterverfolgen, die diese an jenem Tag in der Spanischen Botschaft einreichen wollten, um eine beispielhafte Wirkung in der Öffentlichkeit zu erreichen. Mit der Präsentation des Dokumentes ,,Was ist wirklich in der Spanischen Botschaft passiert?
    beschreibt Convergencia 31 de Enero die vollzogene Besetzung als einzige Handlungsoption der BäuerInnen, nach einem unfruchtbaren Pilgerzug durch verschiedene Institutionen, wie dem Kongress, der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) und den Medien. Ihr Bestreben war, das Massaker von Chajul, im so genannten Ixíl-Dreieck, und die allgemeine Repression von Seiten der Armee anzuzeigen, unter der die Bevölkerung in der Region Quiché litt. ,,All die Ungerechtigkeit, all die Bosheit und all die Feigheit der nationalen Armee sind der Grund, warum wir zu deren Anzeige in die Hauptstadt gekommen sind (...). Die Zeitungen und Radios wollten nichts veröffentlichen, weil auch deren MitarbeiterInnen von der Regierung Morddrohungen erhalten haben (...). Uns bleibt keine Alternative übrig, als in der Spanischen Botschaft zu bleiben, um unsere Anklage dem ganzen Volk Guatemalas und allen Völkern der Welt bekannt zu machen (...)", so die damalige schriftliche Erklärung der BesetzerInnen. Der den Brand überlebende Botschafter Cajal erklärt in seinem Buch ,,Wer weiss, wer den Brand gelegt hat", dass der Vorfall im historischen Kontext eine Art Lehrstück war. Die unheilvolle Tat habe für die sozialen Organisationen einen exemplarischen Charakter eingenommen und den Möglichkeiten eines friedlichen Kampfes der Volksbewegungen ein Ende gesetzt, während sie die Repression von Seiten des Staates habe wachsen lassen. Die Tageszeitung Prensa Libre betitelte die Ausgabe jenes Tages mit: ,,Die Regierung wird keine weiteren Aktionen von BäuerInnengruppen mehr tolerieren". Den stärksten Anstieg der repressiven Gewalt während des 36-jährigen bewaffneten Konflikts erlebte Guatemala in der Zeit zwischen 1978 und 1986, in der die Regierungen unter Lucas García (1978-1982), Efraín Ríos Montt (1982-1983) und Oscar Mejía Víctores (1983-1986) aufeinander folgten.
   In diesen Jahren wurden die meisten Morde im Bürgerkrieg verübt, die Rede ist von 150´000 Toten, 626 Massakern, 45´000 Verschwundenen und 1 Mio. Vertriebenen, manche Quelle weist sogar auf mehr Opfer hin. Besonders brutal waren die Jahre 1981 unter Lucas García und 1982 mit Amtsübernahme durch General Ríos Montt und seiner Politik der ,,Verbrannten Erde". Die Region Quiché verbucht dabei den traurigen Rekord der stärksten Gewalt während des bewaffneten Konflikts und hatte rund 46% der Menschenrechtsverletzungen des Landes und 344 Massaker in ihrem Territorium zu ertragen. Infolge des Übergriffs auf die Botschaft, ein einzigartiges Vorkommnis in der diplomatischen Geschichte Lateinamerikas, brach Spanien die diplomatischen Beziehungen zu Guatemala ab, als eine Art politische Bestrafung. Als Antwort auf diese Kündigung schickte die Militärregierung von Romeo Lucas García einen Brief an den damaligen Präsidenten Spaniens, Adolfo Suárez, mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Beziehungen, denn ,,eine solide und felsenfeste Gemeinschaft darf durch isolierte Vorkommnisse wie das vom 31. Januar 1980 nicht gefährdet werden, welche sich, auch wenn sie gewissen Schweregrad einnehmen, der menschlichen Kontrolle entziehen und überall auf der Welt geschehen können". Erst nach dem 22. September 1984, dem Datum, an dem die Regierung Mejía Víctores den Anschlag auf die Botschaft anerkannte und anbot, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wurden die Bande zwischen Spanien und Guatemala wieder aufgenommen. Die eingegangene Vereinbarung besagt, ,,dass die Regierung Guatemalas so bald wie möglich die moralischen und materiellen Schäden wiedergutmacht, die an den Leben und Vermögen aller umgekommenen Personen, sowie den betroffenen Überlebenden und Angehörigen verübt worden sind." Das Dokument blieb ein wertloses Schriftstück, bis heute gibt es keinerlei Entschädigung der Opfer.

Fijáte 327 (02.02.05) PDF 1. Artikel
   2005: Das Jahr beginnt schlecht in Sachen Menschenrechte
   In ihrem Bericht über die im Jahr 2004 begangenen Menschenrechtsverletzungen schreibt die Gruppe gegenseitige Hilfe (GAM), dass entgegen aller Hoffnung, im ersten Regierungsjahr von Oscar Berger würde sich die Menschenrechtssituation verbessern, sich diese verschlechtert habe. Die GAM schreibt dies einer fehlenden Sicherheitspolitik zu. Sie berichtet von insgesamt 4505 Fällen von Menschenrechtsverletzungen, über die Hälfte davon, nämlich 2348, haben in gewaltsamen Morden geendet. Die GAM kritisiert, dass die Regierung die internationale Unterstützung bei der Bekämpfung der Gewalt abgelehnt habe, indem die Einrichtung der CICIACS torpediert wurde. amnesty international veröffentlichte am 21. Januar ein Comuniqué zur Menschenrechtslage in Guatemala, in dem die Organisation grosse Besorgnis um die Sicherheit sich exponierender MenschenrechtsaktivistInnen ausdrückt. ,,Die Anzahl der Angriffe gegen MenschenrechtsverteidigerInnen hängt möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem mangelnden politischen Willen der Regierung, das Problem der fehlenden Justiz und der klandestinen Gruppen anzugehen", schreibt amnesty international, und weiter: ,,Wiederholt hat sich die Regierung Berger dazu verpflichtet, der Straflosigkeit ein Ende zu setzen, doch bisher sind keine konkreten Resultate ersichtlich. Die Straflosigkeit, unter der die klandestinen Gruppen operieren können und der Schaden, der damit dem Rechtsstaat angetan wird, ist eines der grössten Hinternisse, mit dem die aktuelle Regierung zu kämpfen hat". Wir berichten im Folgenden über einige aktuelle Fälle, zu manchen hat amnesty international ,,Urgent Aktions" verschickt. Florentín und Makrina Gudiel, URNG-Mitglieder Florentín Gudiel, der Bürgermeister von Cruz de la Esperanza, Escuintla, ist am 20. Dezember 2004 ermordet worden.
   Er war mit dem Fahrrad auf dem Heimweg aus dem nahegelegenen Ort Santa Lucía Cotzumalguapa und wurde von zwei anderen Radfahrern eingeholt, zuerst in den Rücken und dann mit dem Gnadenschuss in die Schläfe ermordet. AIDOS, die Kriegsverletztenvereinigung der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) des Westens und Südens des Landes mit Sitz in Queztaltenango erklärte in einem Comuniqué, dass es sich nicht um einen ,,gewöhnlichen" Überfall, sondern um einen geplanten politischen Mord handle, der alle Charakteristika einer aussergerichtlichen Hinrichtung aufweise: Drohungen über längere Zeit hinweg, Zielgerichtete Verfolgung, Gnadenschuss und keinerlei Spur der Täter. Florentín Gudiel starb 74-jährig. Er war aktives Mitglied der URNG, lebte bis nach den Friedensabkommen im Jahr 1996 während 18 Jahren im mexikanischen Exil und kehrte nach Guatemala zurück, wo er sich in der Gemeindepolitik engagierte. Im Jahr 2002 wurde er dafür als ,,anonymer Held" des Jahres gewählt. In seiner Gemeinde war er ausserdem zuständig für die Umsetzung des Hausbauprojekts für demobilisierte URNG-KämpferInnen, initiiert von der Stiftung Guillermo Toriello. Am Tag der Totenwache für Florentín Gudiel erschien eine Militärpatrouille unter Leitung eines Angehörigen einer Sondermilitäreinheit (Kaibil) in einem nicht gekennzeichneten Fahrzeug am Haus der Familie. Offenbar wollten die Militärs die BewohnerInnen und die BesucherInnen der Trauerfamilie einschüchtern und verängstigen. Seit der Ermordung von Florentín Gudiel hat seine Familie zahlreiche Morddrohungen erhalten, vor allem seine Tochter Makrina Gudiel Álvarez, die sich als URNG-Gemeinderatsmitglied ebenfalls politisch engagiert. Bereits in den vergangenen zwei Jahren hat sie etliche Morddrohungen erhalten, die nach der Ermordung ihres Vaters noch weiter zunahmen.
   So war bereits im November 2003 der Anruf eines ehemaligen "Kaibil" bei ihr eingegangen, der damit drohte, sie, ihren Sohn und ihren Vater umzubringen. Wenige Tage zuvor hatte der Mann sein Amt als Vorsitzender im Bildungsausschuss des Ortes an Florentín Gudiel abtreten müssen, der ihm Unterschlagung vorgeworfen hatte. Während des Jahres 2004 hatte Makrina Gudiel Álvarez einige Auseinandersetzungen im Gemeinderat, weil sie öffentlich auf Vorwürfe hingewiesen hatte, in denen Beamten der Gemeinde Veruntreuung zur Last gelegt worden war. Am 17. November 2004 erschienen bewaffnete und maskierte Männer bei ihr Zuhause, zogen sich aber wieder zurück, als sie feststellten, dass Makrina Gudiel Álvarez nicht dort war. Am 14. Januar wurde aus einem anderen Fahrzeug Benzin auf das fahrende Auto von Makrina und einem Kollegen gegossen, wohl mit der Idee, dieses in Flammen zu setzten. Die beiden InsassInnen merkten jedoch rechtzeitig, dass es sich um Benzin und nicht um Wasser handelte, das auf ihre Windschutzscheibe gespritzt wurde und konnten sich auf dem Parkplatz eines Restaurants in Sicherheit bringen. amnesty international äusserte grösste Sorge um die Sicherheit von Makrina Gudiel und ihrer Familie und die Menschenrechtsombudsstelle hat ihr einen sicheren Ort angeboten, wo sie sich mit ihrer Familie vorübergehend verstecken kann. Armando Sánchez, Rechtsanwalt Am 23. Dezember 2004 ging ein anonymer Anruf auf dem Mobiltelefon des Rechtsanwalts Armando Sánchez ein, in dem ihm gedroht wurde, er werde getötet, wenn er nicht innerhalb von fünf Tagen das Land verlasse. Er meldete die Morddrohungen und man gewährte ihm daraufhin Polizeischutz rund um die Uhr. Am 26. Dezember 2004 erschienen um 2 Uhr nachts drei Männer im Wohngebiet von Armando Sánchez und fragten in der Nachbarschaft nach dem Haus des Rechtsanwalts.

Fijáte 326 (19.01.05) PDF 1. Artikel
   Versuch und Irrtum ­ Merkmale der Sicherheitspolitik
   Bei der Präsentation des Rechenschaftsberichts über sein erstes Regierungsjahr, sagte Präsident Oscar Berger gegenüber der Presse: "Ich gebe zu, wir haben Fehler gemacht (...), aber wir haben unser Bestes getan." In Bezug auf die Sicherheitsfrage, welche die letzten 12 Monaten geprägt hat, gestand er, dass sie die Hauptschwäche seiner Administration ist, zeigte sich aber optimistisch, sei doch die Anzahl der Anzeigen im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Ob das an der Verbesserung des Sicherheitsapparates liegt oder ob die im Verlauf des letzten Jahres oftmals willkürlich erschienenen Massnahmen dazu führten, dass die Bevölkerung kein Vertrauen mehr in diesen hat und sich gar nicht erst die Mühe macht, ein Verbrechen anzuzeigen, darüber kann man streiten. Das folgende Editorial aus der Tageszeitung Siglo XXI vom 30. Dezember 2004, sowie die ergänzenden Kurzmeldungen zum Thema Sicherheit bestärken eher die zweite Position. Monatlich wurden im vergangenen Jahr im Durchschnitt 366 Personen ermordet. Als ob jemand in einem Labor Versuchsanordnungen für chemische Reaktionen aufbaut, setzten die Verantwortlichen des Innenministeriums verschiedene Massnahmen in Gang, um die bereits bekannten Indizien der Kriminalität und Delinquenz zu bremsen, die sich als Hauptmakel des ersten Regierungsjahres von Präsident Óscar Berger herausgestellt haben. Ein Teil der Experimente fusst auf die unfruchtbaren Ernennungen von Verantwortlichen für das Thema Sicherheit. Die erste fand mit der Designierung des Anwalts Arturo Soto als Innenminister statt. Sein fachlicher und politischer Werdegang reichten nicht aus, die Verbrechenswelle anzuhalten, die sich in den folgenden sechs Monaten entfesselte. Die Krise erreichte Anfang Juli ihren Höhepunkt, als 28 Morde innerhalb von 48 Stunden gemeldet wurden.
   Mitte desselben Monats wurde die Ermordung von Jaime Cáceres Knox bekannt, dem Vorstandspräsidenten des Nationalen Elektrizitätsinstituts (INDE). Anscheinend tauchte keinE VerantwortlicheR des Innenministeriums am Ort des Geschehens auf. Aus Anstand oder persönlichen Gründen trat Soto drei Tage nach dem Verbrechen an Cáceres Knox zurück und wurde dadurch zum zweiten Funktionär hohen Ranges, der dem Sicherheitsressort den Rücken kehrte. Monate vorher hatte dies Otto Pérez Molina, General a.D., getan, der zum Präsidialen Kommissar für Sicherheit und Verteidigung ernannt worden war. Statt die zu erwartenden Früchte zu tragen, hinterliess die Arbeit des Militärs einen schlechten Geschmack im Gaumen des Präsidenten, liess er doch halberledigte Aufgaben liegen und zog sich zurück, als er hörte, dass der Mandatsträger eine Annäherung zum Führer der Republikanischen Front Guatemalas (FRG), Efraín Ríos Montt, gesucht hatte. Die folgende Phase des Experiments schloss mit einer "Komplettchirurgie" des Innenministeriums, die Carlos Vielmann, Ex-Kommissar für Transparenz, als neuen Minister und Erwin Sperisen als Direktor der Nationalen Zivilpolizei (PNC) hervorbrachte. Die Taktik, Aktionsmassnahmen gegen die Gewalt anzukündigen, ist nicht Exklusivpraxis der Administration Bergers. Nichtsdestotrotz, womit diese Regierung prahlen kann, ist das Geschick, diese Art von Übungen in Sachen Sicherheit tatsächlich einzuführen. Auch wenn manche Namen erfindungsreich klingen, schwächen die Ergebnisse die Hoffnungen von fast 12 Mio. GuatemaltekInnen auf ein Klima von Sicherheit. In weniger als einem Jahr wurde Folgendes in die Wege geleitet: Militärgeheimdienst.
   Angesichts der eindeutigen Unfähigkeit der zivilen Kräfte, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen, kündigt Regierungschef Berger während des Graduationsaktes von 448 AgentInnen der Zivilpolizei (PNC) an, dass man auf den Militärgeheimdienst (bekannt als ,,G-2") für die Untersuchung der organisierten Banden zurückgegriffen habe. "Wir haben niemanden sonst, der die Arbeit eines Geheimdienstes gegen diese Kreise übernimmt; das Militär wird sich dem annehmen", versicherte Berger. Kreuzzug gegen die Gewalt. Dies ist der erste operative Plan des Innenministers Carlos Vielmann, präsentiert just vier Tage nach Amtsübernahme, als Palliativmassnahme gegen die Welle der Gewalt. Doch der Index der Verbrechensrate, über die Siglo XXI täglich berichtet, macht einmal mehr deutlich, dass auch diese chemische Versuchsformel nicht zur gewünschten Reaktion führt. Ein Bericht, der die Leichen im Leichenschauhaus des Gerichts der Hauptstadt und aus der Stadt Amatitlán berücksichtigt, deckt auf, dass die gewalttätigen Tode im Departement Guatemala in beschleunigter Weise zugenommen haben. In den letzten drei Juliwochen wurden 84 Tote gemeldet, im August waren es 153. Die Morde stiegen im September auf 155, im Oktober auf 179 während im November schliesslich 191 registriert wurden. Wie viele gewalttätige Verbrechen Ende Dezember im Departement Guatemala berichtet werden, steht zum Zeitpunkt noch nicht fest. Die offiziellen Zahlen bestätigen, dass die Morde die Liste der Verbrechen anführen. Während des Jahres 2003 wurden vom Ministerium 3´842 Fälle verlautbart. Noch vor Ende 2004 war diese Zahl längst überholt, allein bis November wurden 4´025 gezählt, das macht durchschnittlich 366 ermordete Personen pro Monat. Plan Sichere Reise. Wie nie zuvor, verwandelten sich die Überfälle auf innerstädtische wie Überlandbusse