"Wer die Ölindustrie kritisiert, bringt sich in Gefahr."
Fijáte 304 vom 25. Feb. 2004, Artikel 2, Seite 3
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"Wer die Ölindustrie kritisiert, bringt sich in Gefahr."
Das staatliche Amt für Menschenrechte in Guatemala und dessen Vorsitzender, Dr. Sergio Morales, Ombudsmann für Menschenrechte, gelten als engagierte Verfechter der Interessen der armen Bevölkerungsmehrheit. Sergio Morales macht immer wieder Korruptionsfälle innerhalb der Regierung öffentlich und kritisiert die Privilegien grosser Konzerne. Frage: Das touristisch attraktive Land Guatemala ist bekannt für seinen biologischen Reichtum. Doch wie wichtig nimmt die guatemaltekische Gesellschaft den Umweltschutz? Sergio Morales: Die nationale Politik wird vorwiegend von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Ökologische Themen bleiben meist aussen vor. Ich habe viele Gespräche mit verschiedenen WirtschaftsministerInnen geführt, in denen immer wieder deutlich wurde, dass sie sich fast ausschliesslich für Investitionen und ein schnelles wirtschaftliches Wachstum interessieren. Alles andere wird weitgehend ignoriert. So werden wertvolle, gesunde und stabile Ökosysteme zerstört, um Platz zu machen für die Aktivitäten grosser, transnationaler Konzerne. Das Geschäft mit dem Rohöl ist nur ein Beispiel unter vielen. Frage: Wie ist die Beziehung zwischen dem guatemaltekischen Staat und der Ölindustrie? S. M.: Die Regierung gibt den Ölfirmen sehr viele Handlungsfreiheiten und Vorteile. Deshalb ist es attraktiv für sie, hier zu investieren. Die ausländischen Konzerne brauchen sich nicht wirklich um einen angemessenen Schutz der Umwelt zu kümmern, obwohl in Guatemala einer der letzten tropischen Regenwälder der Welt existiert. Der Urwald ist sensibel und leicht verwundbar. Auf Grund der unsichtbaren Verschmutzung sterben viele Vögel noch kilometerweit entfernt von den Bohrlöchern. Das Problem mit dem Öl sind nicht nur die Lecks und die Öllachen, sondern auch das Gas, das bei der Förderung freigesetzt wird. Meiner Meinung nach war die Beziehung zwischen der Regierung und den Ölfirmen auch deshalb immer so gut, weil sich die staatlichen Stellen nie um eine strikte Umweltpolitik bemüht haben. Frage: Wie gefährlich ist es für Menschen, die im Regenwald leben, konkrete Fälle von Verschmutzung in ihrem Umfeld öffentlich zu machen? S. Nach oben |
M.: In unserem Land ist es immer ein Risiko, illegale Handlungen zu denunzieren. Wer die Ölindustrie kritisiert, begibt sich in Gefahr. Trotzdem leisten einige Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich wertvolle Arbeit. Einzelpersonen vor Ort hingegen haben meist nur wenige Kommunikationsmöglichkeiten. Wer sich dort gegen die Interessen der Ölfirmen stellt, ist auf sich allein gestellt und geht ein hohes Risiko ein. Solche Leute werden manipuliert, eingeschüchtert, bedroht und in einigen Fällen auch ermordet. Es ist wichtig, dass darüber gesprochen wird. Die ganze Welt muss davon erfahren, damit diese Dinge gestoppt werden können. Frage: Was tun Sie als Ombudsmann für Menschenrechte, wenn Sie Informationen über Verschmutzungen erhalten? S. M.: Wir geben die Informationen sofort weiter an das Ministerium für Energie und Minen. Dann inspizieren wir den Ort. Wenn sich herausstellt, dass es sich um ein kriminelles Delikt handelt, schalten wir die Staatsanwaltschaft ein. Die muss sich dann darum bemühen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Frage: Sollte ihrer Meinung nach in Guatemala weiter nach Öl gebohrt werden? S. M.: Der biologische Reichtum Guatemalas wird von der Ölindustrie bedroht. Deshalb halten wir Ölbohrungen nur dann für angemessen, wenn sie unter striktester Einhaltung von Umweltschutzauflagen durchgeführt werden. In diesem Land existieren viele andere Möglichkeiten, die natürlichen Reichtümer zu nutzen. |
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