Es geht ums Land
Fijáte 304 vom 25. Feb. 2004, Artikel 6, Seite 5
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Es geht ums Land
Guatemala, 13. Feb. "In Guatemala findet die Justiz in Sachen Finca-Räumungen schnell und einfach Anwendung. Ganz anders dazu verhält es sich, wenn es um die Anerkennung und Durchsetzung von Gerichtsurteilen zugunsten der auf den Fincas Arbeitenden geht," so Álvaro Ramazzini, Bischof von San Marcos. Über dem Recht auf Landbesitz solle das Recht auf Subsistenz und Überleben stehen und in den Konflikten Priorität darstellen, so Ramazzini. Gemäss den Aussagen des Bischofs wurde das im letzten Jahr von der FRGRegierung mit viel Brimborium verabschiedete Sozialkrisenprogramm für arbeitslose bzw. entlassene BäuerInnen noch nicht einmal zu 20% erfüllt. Währenddessen summieren sich seit Januar und der Regierungsübernahme durch Präsident Berger, der in seiner Wahlkampagne die Schaffung von Lösungsstrategien für die Agrarproblematik versprach die Berichte über die Situation der besetzten Fincas im Departement Quetzaltenango. Einen potentiell positiven Eindruck hinterlassen die Entwicklungen in San José los Encuentros, El Palmar, wo sich nach viermonatigen Verhandlungen unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft, der katholischen Kirche, des Menschenrechtsprokurats (PDH) und dem staatlichen Landfond FONTIERRAS die BewohnerInnen dazu bewegen liessen, die Finca auf friedliche Weise zu verlassen. Als Gegenleistung vertrauen sie auf die Zusage von FONTIERRAS, sie innerhalb von 90 Tagen an einem anderen Ort wieder anzusiedeln. Dieser Zeitraum bleibt abzuwarten, um das Verhandlungsergebnis endgültig zu bewerten. Die Erfüllung einer von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH ausgestellten Verfügung bleibt auch auf der Finca San Juan Horizonte, Coatepeque zu erwarten. Im Frühsommer 1994 hatten 90 Arbeitende des Unternehmens ,,La Exacta" die Finca besetzt und die Auszahlung von ausstehenden Löhnen und Lohnzusatzleistungen gefordert. Entlassen worden waren sie, da sie sich gewerkschaftlich organisiert hatten. Im August wurde die Finca durch Spezialeinheiten von Militär und Polizei gewaltsam geräumt, vier BäuerInnen wurden dabei getötet, elf weitere verletzt. Der Gewerkschaftsverband UNSITRAGUA reichte zusammen mit dem Menschenrechtszentrum CALDH vor der CIDH Klage ein. Deren Entscheid verpflichtet den guatemaltekischen Staat, aufgrund der Einmischung der Staatsgewalt in die Räumung, nun zur Zahlung von rund US-$ 120´000 ursprünglich waren ca. US-$ 2,75 Mio. gefordert worden ferner die Disposition eines Mindestwohnstandards und einer Basisinfrastruktur für die Betroffenen. Der Unternehmensbesitzer muss laut CIDH 70 der Arbeitenden wieder einstellen sowie allen die fehlende Gehaltszahlung gewähren. Die Entschädigungszahlungen sollen an die Familien der Opfer gehen und zum Kauf von Land genutzt werden. Gar nicht gut dagegen sieht es auf den Fincas La Merced und María de Lourdes, Génova Costa Cuca, aus (vgl. ¡Fijáte! 299). Eine davon ist im Besitztum einer nahen Verwandten der Ehefrau Oscar Bergers. Nach oben |
Die Ende November im Zusammenhang mit der Forderung auf Gewährung von Arbeitsrechten durch rund 250 Familien besetzten Fincas wurden nur eine Woche, nachdem Berger das Präsidentenamt übernommen hat, von 400 ,,Antiaufstandsspezialkräften" der Nationalen Zivilpolizei (PNC) geräumt. Weder wurden die juristischen Verfügungen, die seit 11 Jahren den Arbeitenden Recht zusagen, respektiert, noch konnte eine gemeinsame Vermittlungskommission der katholischen Kirche, dem PDH, der Staatsanwaltschaft und der PNC, gewaltsame Interventionen verhindern. Nun kampieren die Familien am Strassenrand. Plataforma Agraria weist im Besonderen auf die Tatsache hin, dass entgegen aller Wahlversprechen Bergers nicht nur jegliche Verhandlungsprozesse gekappt werden, sondern zudem Räumungsanweisungen und sogar Festnahmen von BäuerInnenvertreterInnen realisiert werden. Dass es sich in diesem Fall zudem um familiäre Machenschaften des Präsidenten handelt, sei nicht zu übersehen. Andernorts geht es nicht primär um Arbeitsrechte. So wurden vor einigen Jahren in der Gemeinde Las Tecas, Cuyotenango im Departement Suchitepéquez Angehörige der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) angesiedelt. Gemeinsam übernahmen die ursprünglichen BewohnerInnen und die ZuzüglerInnen die örtliche Finca, zerstritten sich jedoch ob der Frage nach kollektiver bzw. individueller Landbestellung. Eine gewalttätige Auseinandersetzung hatte Anfang des Jahres einen Toten und die Flucht der angegriffenen ehemaligen Guerilla-Aktiven zur Folge. Die Situation ist noch ungeklärt. Auf der Finca El Maguey, Fraijanes im Departement Guatemala dagegen sind die Besitzverhältnisse zwischen dort lange lebenden und arbeitenden BäuerInnen und dem Militär ungeklärt, vorherige Regierungsvereinbarungen widersprüchlich und dem Urteil durch das Verfassungsgericht zugunsten der Zivilbevölkerung wird auch hier keine Beachtung geschenkt. |
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