Kürzungspläne für´s Militär
Fijáte 308 vom 21. April 2004, Artikel 3, Seite 3
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Kürzungspläne für´s Militär
Guatemala, 2. April. Vor hohen Militärs und RepräsentantInnen der internationalen Gemeinschaft legte Oscar Berger seinen Plan zur Modernisierung der Armee vor. Dieser sieht die Kündigung von 12´109 Stellen, rund 35%, vor, übrig bleiben werden planmässig 15´500 Militärangestellte. Die Modernisierung umfasst zudem die Kürzung des Ressortetats von aktuell rund 1,5 Mrd. auf 780 Mio. Quetzales sowie die Schliessung von Militärbasen. In Funktion bleiben demnach nur die fünf Stützpunkte in Petén, Huehuetenango, Suchitepéquez, Jutiapa und in der Hauptstadt. Noch vor dem 30. Juni soll dies geschehen und so die Ausgaben für die Armee auf 0,33% des BIP gesenkt werden. Verteidigungsminister César Augusto Méndez Pinelo kündigte die Bildung einer Kommission an, die sich der Vermögensverteilung der Militärbestände annehmen wird. Die Kosten der Demobilisierung belaufen sich laut Finanzministerin María Antonieta de Bonilla auf 400 Mio. Quetzales, welche im Verteidigungshaushalt für 2003 wohl bereits beinhaltet waren. Gleichzeitig ist davon die Rede, dass der Gewinn aus dem Verkauf von Besitztümern des Militärs notwendig sei, um die Kündigungen zu finanzieren. Für die angekündigte, grundlegende Modernisierung der Institution wird laut ExpertInnenschätzungen zudem die Investition von rund 1 Mrd. Quetzales benötigt. Der Präsidiale Kommissar für Sicherheit und Verteidigung, General a.D. Otto Pérez Molina skizzierte seinerseits drei Achsen für die Transformation des Staatsressorts: die Umstrukturierung und Modernisierung des Heeres, die Stärkung der zivilen Institutionen, die für die öffentliche Sicherheit zuständig sind und schliesslich die Etablierung eines nationalen Geheimdienstes. Pérez zeigte sich zuversichtlich hinsichtlich der Akzeptanz der Reform in der guatemaltekischen Gesellschaft. "Wir verfolgen die Vision, dass die GuatemaltekInnen bis Ende 2007 über neue Einrichtungen für Sicherheit und Verteidigung verfügen werden", so der ehemalige General. Die ersten Reaktionen in der Zivilgesellschaft zeugen sowohl von vorsichtigem Optimismus als auch von Zweifeln am Regierungsplan. Als Berger seinen Entschluss, vormals mit der Angabe der Personalkürzung auf 14´000, einige Tage vorher bei einer Veranstaltung in Jutiapa verlauten liess, äusserte sich Mario Polanco von der Menschenrechtsorganisation Grupo de Apoyo Mutuo bereits besorgt hinsichtlich der hohen Kosten und der Möglichkeit, dass die entlassenen Militärs sich aus Frust über die Kündigung Banden des organisierten Verbrechens anschliessen könnten und somit ein Klima der unkontrollierbaren Gewalt auslösen könnten. Die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú erinnert derweil an frühere angekündigte Heereskürzungen, die keine wirkliche Veränderung mit sich gebracht hätten. Die jetzige Massnahme dagegen erscheine ihr als Beweis dafür, dass, wenn es den politischen Willen von Seiten der Regierungsspitze gibt, tatsächlich grundlegende Strukturveränderungen vollzogen werden könnten. Sandino Asturias, Kadermitglied der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG), hält die Entscheidung unterdessen durchaus für ein positives Zeichen, doch warnt er, dass die tatsächliche Reduktion der Armee konkrete Aktionen bedürfe, bevor sie bewertet werden könne. Während Menschenrechtsprokurator Sergio Morales hofft, dass die durch die Kürzung eingesparten Mittel in soziale Programme zugunsten der Bevölkerung fliessen, bezeichnet US-Botschafter John Hamilton den Regierungsbeschluss für historisch. Nach oben |
"Das ist ein Zeichen dafür, dass in Guatemala neue Winde wehen", so Hamilton euphorisch. "Man muss dem Heer gratulieren, dass es die Veränderung akzeptiert. Darin spiegelt sich wider, dass es die zivile Macht annimmt." Derweil hat die Regierung Berger die Unterstützung der USA bei der Umstrukturierung des Militärs erbeten. Die Stärkung der öffentlichen Sicherheit wird nicht nur in den Friedensverträgen als fundamentaler Aspekt zur Garantie der Demokratie erörtert, sondern stellt auch eine beständige Hauptsorge der Zivilbevölkerung dar, was sich u.a. im Vorfeld der Wahlen im vergangenen Jahr an den Forderungen an die PräsidentschaftskandidatInnen zeigte. Entsprechend besorgniserregend ist, dass manche vorgeschlagenen Massnahmen derweil doch stark an die Zeiten des bewaffneten Krieges erinnern. Auch dazumal, vornehmlich unter Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten und auf den gesamten lateinamerikanischen Kontinent ausgedehnt, wurden die betroffenen Regierungen unter dem Motto der "Counterinsurgency" (Aufstandsbekämpfung) in mancher Hinsicht unterstützt. Militärs und Polizei wurden bis 1984 in Panama, anschliessend im USBundesstaat Georgia an der US-Army School of the Americas (SOA) darin unterwiesen, wie "gegen den Kommunismus" effektiv vorzugehen sei. Auch Efraín Ríos Montt genoss eine solche Ausbildung. Während seiner Regierungszeit hat er die SOA-Lektionen lehrbuchmässig angewendet. Eine von diesen war die Nutzbarmachung der von seinem Vorgänger Lucas García bereits in die Wege geleiteten Unterstützung der Armee durch die Zivilbevölkerung in Form der Zivilpatrouillen (PAC). Diesen wird von der Wahrheitskommission und dem Projekt REMHI für rund 13% der Verbrechen während des Bürgerkrieges die Verantwortung zugeschrieben. Unter dem viel versprechenden Titel "Allianz für den Fortschritt" wurden so genannte "civic actions" in Form von Entwicklungsprojekten durch die USA finanziert. Mit diesen konnten zum einen der Ruf und (wirtschaftliche) Einfluss des "grossen Bruders" gepflegt werden und zum anderen konnte in gewisser Weise die nationale Regierung die Bevölkerung unter Kontrolle halten. Erst kürzlich wurde davon berichtet, dass die US-amerikanische Armee, die unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung inzwischen völlige Bewegungsfreiheit auf guatemaltekischem Terrain geniesst, manchen Orts den Bau von umfassender Infrastruktur finanziert und realisiert. Zu Recht sind demnach auch in der Presse kritische Stimmen zu hören. Dazu die beiden nachfolgenden Artikel. |
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