Ministerwechsel als Audruck einer Regierungskrise
Fijáte 464 vom 7. Juli 2010, Artikel 1, Seite 1
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Ministerwechsel als Audruck einer Regierungskrise
Wie Inforpress Centroamericana in seiner Ausgabe 1852 vom 25. Mai erklärt, beginnt die Regierung von Alvaro Colom das zweite Semester dieses Jahres mit wichtigen Ausfällen in seinen Ministerien. Drei Staatsminister traten zurück, und ein Sekretär des Präsidenten wurde entlassen. Diese stetigen Wechsel werden von KritikerInnen als Zeichen dafür gesehen, dass die Regierung unter Druck steht und die Machtverhältnisse von verschiedenen Interessen gekennzeichnet sind und beeinflusst werden. Auch innerhalb der Regierungspartei Einheit der Nationalen Hoffnung (UNE) existieren Unstimmigkeiten, denn der Abgeordnete Roberto Alejos trat als Mitglied des Exekutivkomitees zurück. Die jüngsten Rücktritte geschahen vor allem in jenen Ministerien, die mit dem Wirtschaftssektor in Verbindung stehen. Am 14. Juni gab Wirtschaftsminister (MINECO) Rubén Morales Monroy seinen Abschied bekannt. Eíne Woche später schloss sich Finanzminister Juan Alberto Fuentes Knight diesem an, und Energie- und Bergbauminister (MEM) Carlos Meany folgte als Dritter im Bunde. Die angegebenen Gründe für diese Rücktritte sind verschiedener Natur und gehen von Gesundheit bis Frustration. Nachfolger im Finanzministerium ist der Ökonom Edgar Balsells, der vorher Direktor der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftliche Integration war. Erick Coyoy, ehemaliger Vizefinanzminister ist neuer Leiter des MINECO. Am 29. Juni wurde schliesslich der neue Energie- und Bergbauminister Romero Rodríguez vereidigt. Laut Präsident Colom sind diese Wechsel aber positiv zu beurteilen. Sie würden helfen, die Regierung und deren Arbeitsplan zu stärken, die Wiederaufbaupläne für die durch den Sturm Ágatha verursachten Schäden durchzusetzen und das Thema Sicherheit gezielter in Angriff zu nehmen. Auch hätten die Wechsel nichts mit der bisherigen Finanzpolitik der Regierung zu tun: "Wir haben die Finanzen im Griff. Die Krise vom letzten Jahr ist überstanden, und jetzt befinden wir uns auf dem Weg der Besserung". Trotzdem bleiben Zweifel über die Ursprünge der Ministerwechsel bestehen. Im Fall von Morales, der aus "persönlichen Gründen" zurücktrat, ist bekannt, dass dieser in den letzten Monaten starkem Druck ausgesetzt gewesen war, um Informationen über das Programm Mi Comunidad Produce herauszugeben, welches Mikrokredite an Kleinunternehmen im ganzen Land vergibt. Morales stellte sich gegen die Übergabe der Namen derjenigen, die davon profitieren. Die Abgeordnete Nineth Montenegro drohte daraufhin mit administratorischen Massnahmen, die schon den Bildungsminister Bienvenido Argueta zum Rücktritt zwangen. Dieser hatte sich ebenfalls widersetzt, Informationen zu den Begünstigten des Programms Mi Familia Progresa herauszugeben. Der Austritt Fuentes Knights wird mit Frustration begründet, welche durch die Unmöglichkeit, eine Steuerreform durchzuführen, hervorgerufen wurde. Der Rücktritt fand einen Tag nach der Präsentation einer Budgeterweiterung für 2010 statt, dank der die vom Sturm Ágatha verursachten Schäden behoben werden sollen. Gleichzeitig ist das Projekt Anti-Evasion II (es formuliert ein neues Steuerpaket) im Kongress, der dieses nun absegnen muss. Da Fuentes Knight beide Projekte entschlossen verfolgte, verwundert sein Rücktritt. Es heisst, dass auch er unter Druck stand, in der Budgeterweiterung 2010 und im Budget 2011 grössere Posten für die Sozialprogramme der Regierung wie eben Mi Comunidad Produce oder Mi Familia Produce bereitzustellen. Auch das Vizeministerium für Finanzielle Administration, welches Erick Codoy hinterlässt, muss neu besetzt werden. Laut Meinung des Vereins Sozialer Investigation und Studien (ASIES) "kommen diese Wechsel innerhalb des Finanzministeriums viel zu schnell und sind nicht unbedingt auf Arbeitserfahrung basiert." Der Abgang von Carlos Meany aus dem MEME geschah laut offizieller Version aus gesundheitlichen Gründen und formalisierte sich am selben Tag, als die Regierung den Empfehlungen der Interamerikanischen Kommission der Menschenrechte (CIDH) entsprach, um anschliessend die Aktivitäten der Mine Marlin in San Marcos einstellen zu lassen. Nach oben |
Trotz der Bemühungen des Präsidenten, diese Austritte als einen normalen Prozess darzustellen, scheint das politische Klima eher schwierig und von institutioneller Instabilität geprägt zu sein - vor allem wenn man die kürzliche Krise in der Staatsanwaltschaft betrachtet (die Wahl von Conrado Reyes als Generalstaatsanwalt, welche am 11. Juni vom Verfassungsgericht annulliert wurde, teilweise als Folge des Rücktrittes von Carlos Castresana aus der CICIG und der Proteste von Seiten der Zivilgesellschaft, aber auch aufgrund von Reyes Verbindung zu Personen wie dem Ex-Sicherheitschef des Präsidenten Carlos Quintanilla, der damals die Räume des Präsidenten abhorchen liess). In diesem Rahmen musste auch Saúl Alburez, der erst am 17. Mai zum Sekretär der Exekutiven Koordination der Präsidentschaft ernannt wurde, nur einen Monat später von seinem Posten entlassen werden, da aus dem Jahr 2006 ein noch offener Strafgerichtsprozess gegen ihn besteht. Dies war nun schon der vierte Verantwortliche für diesen Posten in der jetzigen Regierungsperiode (nach Salvador Gándara, Jairo Flores und Luis Velásquez). Die beiden Fälle, Alburez und Reyes, lassen zwei fundamentale Aspekte erkennen, welche die Entscheidungen des Präsidenten beeinflussen: einerseits die Unfähigkeit der BeraterInnen des Präsidenten, ihm wichtige Informationen für seine Entscheidungen zukommen zulassen; zum anderen die politisierte Nutzung der öffentlichen Institutionen. Das Ergebnis ist der Verlust der Glaubwürdigkeit der Regierung, die sich im Endspurt ihrer Amtszeit befindet und nur wenige positive Errungenschaften mir ihren sozialen Programmen aufweisen kann - welche aber durch das Fehlen von Sicherheit und funktionierender Justiz überdeckt werden. Die Rücktritte in den Ministerien krönte dann noch derjenige des Abgeordneten und Kongresspräsidenten José Roberto Alejos Cámbara. Gemäss seinen eigenen Angaben gab es Meinungsverschiedenheiten mit der Parteispitze und deren Einflussnahme auf die UNE-Fraktion im Kongress. Auch wenn er vage blieb bei seinen Andeutungen, war klar, dass er sich auf die bereits stattfindenden Verhandlungen über die Kandidaturen für die nächsten Kongresswahlen bezog. Alejos Cámbara gehört zum nächsten Kreis des Präsidentenpaars Colom-Torres. Zusammen mit seinem Bruder Gustavo (Privatsekretär des Präsidenten) gehörte er zu den Hauptfinanciers der letzten Wahlkampagne der UNE. Ebenfalls wurde er in den letzten Monaten als möglicher Vizeprädisentschaftskandidat für die Wahlen 2011 gehandelt, zusammen mit Sandra Torres als Präsidentin. |
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