Der Oberste Gerichtshof ist komplett
Fijáte 447 vom 4. November 2009, Artikel 2, Seite 4
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Der Oberste Gerichtshof ist komplett
Guatemala, 13.Okt. Der Kongress hat entschieden, wer künftig die 13 RichterInnen für den Obersten Gerichtshofs (CSJ) und die weiteren 90 der Appellationsgerichte sind. Der Einfluss der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) und die Lobbyarbeit der Menschenrechtsorganisationen haben erreicht, dass die Transparenz des Verfahrens tatsächlich ein wenig durchschien (siehe ¡Fijate! 445). Im Vorfeld der Kongressentscheidung hatte Carlos Castresana, Leiter der CICIG, erklärt, dass acht nominierte Personen entweder fragwürdige Urteile in gesellschaftlich relevanten Gerichtsverfahren gefällt hätten, es schwebende Verfahren gegen sie gäbe oder sie in zweifelhafte Aktivitäten verwickelt seien, bzw. dass bei ihnen die Gefahr bestehe, dass sie ihre Unabhängigkeit persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interessen opferten. In den Wochen vor der Entscheidung der ParlamentarierInnen verblieben sechs KandidatInnen, die dennoch nominiert worden waren. Ihnen wurde von Seiten der CICIG und von Menschenrechtsgruppen folgendes vorgeworfen:
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Von diesen von der CICIG als ungeeignet qualifizierten Personen wurden die ersten drei durch andere KandidatInnen ersetzt, während die drei Letztgenannten gewählt wurden. Diese Entscheidung wurden von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen scharf kritisiert, die sogleich rechtliche Schritte ankündigten. Derweil hatte das Verfassungsgericht die Wahl für gültig befunden, so dass das neue Kollegium des Obersten Gerichtshofs sein Amt aufnehmen kann. Zum Vorsitzenden des gesamten Gremiums wurde Erick Alvarez gewählt. Auch die verschiedenen Kammern erhielten ihre Vorsitzenden - gegen zwei von total drei laufen Disziplinarverfahren. Der neue Vorsitzende des Obersten Gerichtshof erklärte angesichts der unterschiedlichen Forderungen und Erwartungen von aussen, dass der einzige Massstab der Justiz das Gesetz sei. Weiterhin versprach er, dass die Arbeit des Gremiums transparent sein werde, und schlug ein Hearing vor, in dem die Öffentlichkeit die neuen RichterInnen des CSJ kennenlernen könnte. Der CSJ werde im übrigen mit der Förderung einer Schule für Juristische Studien und der Öffnung der Gerichte fortfahren und zudem daran arbeiten, die Dauer der Gerichtsverfahren zu verkürzen, um die zurecht kritisierten Verzögerungen zu reduzieren Bei den RichterInnen für die verschiedenen Appellationskammern ist keineR der zwanzig von der CICIG oder von Menschenrechtsorganisationen Beanstandeten gewählt worden. Nineth Montenegro von Encuentro por Guatemala (EG), die das neue Gesetz über die Ernennung der RichterInnen des CSJ (Dekret 19-2009) eingebracht hatte, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis: "Zu guter Letzt hat der Kongress angefangen zu verstehen, dass die Bevölkerung eine Mitsprache will, dass Transparenz bei den Auswahlverfahren herrschen muss und ethische Kriterien bei der Ausahl angewendet werden müssen". Für sie ist dasVotum angesichts der Vielfalt der abzuwägenden Aspekte angemessen ausgefallen. Gleichwohl kritisierte auch sie die Wahl der drei von der CICIG monierten CSJ-KandidatInnen. César Fajardo, Verhandlungsführer der Regierungspartei UNE, erklärte seine Zufriedenheit mit den Ergebnissen und fügte an, dass die verschiedentlich kritisierten, interfraktionellen politischen Übereinkünfte darüber, wer gewählt werden soll und wer nicht, für das Wahlverfahren notwendig gewesen seien. Während sich die PolitikerInnen auf die Schulter klopften, waren die Reaktionen der Zivilgesellschaft gemischt: Helen Mack von der Stiftung Myrna Mack versicherte, dass die Arbeit dieser fragwürdige Personen, die nun gewählt worden seien, genau beobachtet würden. Alvaro Pop von der Indígena-Organisation Naleb' erklärte, dass die Parteien im Vorfeld über die KandidatInnen verhandelt und zu wenig auf die Einwände und Beweise der Zivilgesellschaft gehört hätten. Ramon Cadena von der Internationalen JuristInnenkommission sagte, es sei positiv, dass der Kongress jene KandidatInnen für die Appellationsgerichte abgelehnt habe, die als ungeeignet angesehen wurden. Zugleich kritisierte er, dass unter den Unberücksichtigten einige qualifizierte JuristInnen gewesen seien, die trotz ihrer akademischen Meriten und Berufserfahrung nicht ausgewählt wurden. Eleonora Muralles von den Angehörigen und FreundInnen gegen das Verbrechen und Entführungen (FADS) äusserte sich positiv über das Verfahren und das Monitoring durch nicht-staatliche Gruppen. Gleichwohl könne das entsprechende Gesetz durchaus noch verbessert werden insbesondere im Hinblick darauf, den Einfluss der Parteien(zugehörigkeit) auf die Wahlen zu minimieren. Auch gebe es durchaus einige gewählte RichterInnen, die von ihr als nicht geeignet angesehen würden. Dies dem Kongress gegenüber zu beweisen, sei aber für die Gruppen der Zivilgesellschaft in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Raquel Zelaya von der Vereinigung für Sozialforschungen und Sozialstudien (ASIES) wies darauf hin, dass es eine grosse Übereinstimmung bei der parlamentarischen Abstimmung gab, welche in diesem Fall zu einem positiven Ergebnis geführt habe. Sie gab allerdings auch ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es das letzte Mal gewesen sei, dass der Kongress die MagistratInnen der Appellationsgerichte bestimmt habe, weil nach ihrer Meinung eigentlich eine juristische Karriere die KandidatInnen zu diesen Ämtern führen müsste. Insgesamt kann man bilanzieren, dass das frühere Geschacher um Justizposten dank dem Einfluss kompetenter Verbände aus der Zivilgesellschaft. hat verhindert werden können. Die Wahl offensichtlich von wirtschaftlichen und/oder politischen Interessen abhängiger und korrupter JuristInnen konnte so verhindert werden. Das kann einer Justiz, die unabhängig werden will, nur gut tun. |
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