Die Laguna del Tigre und ihre Erdölschätze - Verlängerung des Erdölabbauvertrages mit der französischen Firma Perenco
Fijáte 465 vom 28. Juli 2010, Artikel 1, Seite 1
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Die Laguna del Tigre und ihre Erdölschätze - Verlängerung des Erdölabbauvertrages mit der französischen Firma Perenco
Luis Solano analysierte im Enfoque 6 des El Observador vom 30. April 2010 die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Erdölabbaus im Nationalpark Laguna del Tigre sowie die verschiedenen Interessen, die im Spiel sind. Anlass dazu ist der auslaufende Vertrag mit dem französischen Erdölunternehmen Perenco, das in der Laguna del Tigre den grössten Förderbetrieb Guatemalas, die Ölfelder Xan, betreibt. Nun hat Präsident Alvaro Colom der Vertragsverlängerung zugestimmt. Ob dies legal ist, darüber streiten sich Fachleute und UmweltschützerInnen. Die aktuelle SituationSeit Beginn des Jahres 2010 steht der Erdölabbauvertrag 2-85 betreffend die Ölförderstation Xan im Nationalpark Laguna del Tigre in der Gemeinde San Andrés, Petén, im Mittelpunkt verschiedener Interessensparteien, da es gilt, über dessen Verlängerung zu entscheiden. Schiedsrichter ist in diesem Fall die Regierung, d.h. Präsident Alvaro Colom, welcher von verschiedenen Seiten "beraten" wird. So präsentierte das Generalsekretariat der Präsidentschaft (SGP) Colom einen Bericht, der seinerseits von der Generalprokuratur der Nation (PGN), vom Ministerium für Umwelt und Naturrohstoffvorkommen (MARN) und vom Nationalrat für Umweltschutzgebiete (CONAP) kommentiert wurde. Zwischen dem Energie- und Bergbauministerium (MEM) und der französischen Firma Perenco Guatemala Limited wurde bereits am 4. Februar 2010 eine Verlängerung unterschrieben, welche bis zum 13. August vom Präsidenten abgesegnet werden musste. Am 23. Juli 2010 tat Álvaro Colom dies und entschied somit, dass der Vertrag mit Perenco um 15 Jahre verlängert wird. Dies geschah trotz Einwände von MARN und CONAP und trotz des Angebots des deutschen Bundestags, die fehlenden Einnahmen auszugleichen, die entstanden wären, wenn der Erdölabbau nächsten Monat sein Ende gefunden hätte. Ausserdem hätte sich Deutschland dazu verpflichtet, den Artenschutz und die soziale Entwicklung in dem Naturschutzgebiet zu fördern. Auf den betreffenden Ölfeldern werden täglich 13'000 Tonnen Rohöl gefördert, was 94% der Gesamtproduktion Guatemalas ausmacht. Nebenbei gab Colom am Morgen des 23. Julis zwei Naturschutzprogramme (Mi bosque produce und Mi bosque progresa) bekannt sowie die Information, dass ein Militärstützpunkt in der Nationalpark Laguna del Tigre errichtet wird, um das Gebiet zu schützen. Der Vertrag 2-85 über die Ölförderstation Xan wurde am 13. August 1985 zwischen dem MEM und der spanischen Hispanoil und Basic Petroleum International Limited unterzeichnet. Ein Jahr später zog sich Hispanoil aus dem Land zurück und machte damit Basic zum Hauptunternehmer. (Ausgiebige Informationen darüber in ¡Fijáte! 231 aus dem Jahr 2001.) Im Jahr 2002 kaufte Perenco Basic und seine Verträge auf und infolgedessen auch das Erdölprojekt im PNLT. Die GesetzeslageAm 18. November 2008 wurde das Gesetz über die wirtschaftliche Entwicklung der Nation (FONPETROL) verabschiedet. Zweck von FONPETRPOL ist eine Regelung über die Verteilung des staatlichen Gewinnanteils an die Departamentalen Entwicklungsräte (COCODES), an Umweltprojekte etc. Es enthält aber auch zwei sehr umstrittene Artikel. Der Artikel 10 setzt alle existierenden Gesetze ausser Kraft, wenn sie FONPETROL widersprechen, z. B. das Gesetz über Naturschutzgebiete, aber auch internationale Abkommen zum Schutz der Natur, die Guatemala unterzeichnet hat. Und Artikel 8 beinhaltet die Verlängerung von Erdölverträgen um 15 Jahre, wenn dabei wirtschaftlicher Nutzen für den Staat entsteht. Der Annahme des FONPETROL-Gesetzes gingen politische Ränkespiele im Kongress sowie die Revision eines Artikels des Erdöl- und Erdgasförderungs-Gesetzes voraus, so dass vermutet werden muss, dass FONPETROL mit dem Hauptziel geschaffen wurde, die Weiterführung der Verträge von Perenco zu begünstigen. Der neue VertragDas MEM und Perenco argumentieren hauptsächlich damit, dass die Vertragsverlängerung den Staat begünstigen werde. Da aber gleichzeitig die Produktion aus den vorhandenen Erdölquellen zurückgeht, sind fünf neue Quellen vorgesehen und die Aufarbeitung von sechs schon existierenden. Tatsache ist, dass die jährliche Produktion sinkt. Vor allem ab 2009 sanken die Staatseinnahmen an diesem Projekt, was auch mit den gesunkenen Erdölpreisen im Zusammenhang steht. Desgleichen wurden von den Ölfeldern Xan im Zeitraum 2002 bis 2009 Erdöl im Wert von etwa 1,7 Milliarden US$ in die USA exportiert - Einnahmen, die aber nur von Perenco beansprucht wurden. Das bedeutet, dass der Hauptanteil an den Einahmen nicht dem Staat zugute kommt, was der Verfassung widerspricht, laut der Erdöl Staatseigentum ist. Auch enthält der Vertrag eine Klausel bezüglich der Gewinnbeteiligung des Staates, die nicht gerechtfertigt ist. Die Gewinne des Staates sind vom Erdölpreis abhängig. Wenn das Petroleum zwischen 85 und 110 US$ pro Barell (etwa 159 Liter) wert ist, zahlt Perenco 1% mehr Gewinnbeteiligung an den Staat; 2% wenn der Preis zwischen 110 und 150 US$ liegt und 3,5%, wenn er über 150 US$ steigt. Allerdings ist der Preis in den letzten fünf Jahren nicht über die 70US$ pro Barrel hinausgekommen. Des weiteren ist die Gewinnbeteiligung des Staates von der Fördermenge abhängig. Im Moment zahlt Perenco 35% Gewinnbeteiligung, da die Produktion unter 20.000 Barrel täglich liegt. Nach oben |
Alles zusammen betrachtet, ist eine Vertragsverlängerung mit Perenco nicht unbedingt eine Investition, die den Staat wirtschaftlich begünstigt. Auch geht aus technischen Studien vom MEM hervor, dass die Ölreserven schrumpfen und damit die Produktion zwangsläufig zurückgehen wird, gemäss Angaben des MEM von 3,3 Millionen Tonnen 2010 auf schätzungsweise 1,4 Millionen Tonnen im Jahr 2015. Die BefürworterInnenDas MEM, die Firma Perenco, der UnternehmerInnenverband CACIF, die Stiftung für Entwicklung (FUNDESA) und einige KolumnenschreiberInnen der Zeitschriften Siglo Veintiuno und elPeriódico unterstreichen den wirtschaftlichen Aspekt des Vertrages und bezeichnen die "Invasionen" von DorfbewohnerInnen, deren Land- und Viehwirtschaft sowie Waldbrände als Hauptgrund für die Zerstörung des Naturparks Laguna del Tigre. Die Ansiedlung von Gemeinden im Rahmen der Installation der Erdölfabrik wurde in den 90er Jahren als eine Strategie von Basic aufgezeigt, die dazu diente, ihre Aktivitäten in dem Gebiet weiterzuführen und auszubauen. Heute werden die Ansiedlungen als Sündenbock für die Verschmutzung des Laguna del Tigre genutzt, und zwar von eben denen, die den Vertrag verlängern wollen und ohne dabei die Verantwortung anzuerkennen, die sie in diesem Ansiedlungsprozess tragen. Die heutige Strategie ist Bedrohungen von und Druck auf die Gemeinden und auf soziale AnführerInnen, die sich gegen eine Vertragsverlängerung aussprechen. Auch Präsident Colom hat ähnliche Argumente bei verschiedenen Anlässen benutzt. Da der Zustand der Laguna del Tigre eh schon schlecht sei, könne der Erdölabbau ja auch weitergehen und sogar noch ausgebaut werden, und zwar in Gebieten, die gemäss der Umweltgesetzgebung nicht nutzbar seien. Die GegenerInnenKlar äusserten sich gegen eine Verlängerung des Vertrages der CONAP und das MARN sowie die Umweltorganisatioenen und geben u. a. folgende Gründe an:
Am 7. Juli 2010 wurde laut Prensa Libre Anzeige gegen den Ex-Exekutivsekretär der CONAP Sergio Enrique Véliz Rizzo gestellt. Dieser hat angeblich eine Studie über die Laguna del Tigre aus dem Jahr 2007 verfälscht und so dargestellt, dass der Erdölabbau nicht als Bedrohung für die Biosphäre Maya gesehen werden konnte, obwohl zwei Jahre Feldforschung genau diese Schlussfolgerung zogen. Gemäss der ursprünglichen Aussagen der Studie sind die Folgen des Erdölabbaus Umweltverschmutzung, Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten, Abholzung. Der Vertrag mit Perenco umfasst insgesamt 9,9 Hektaren, von denen sich ein Drittel im Biotop Laguna del Tigre-Río Escondido befindet, der Kernzone der Laguna del Tigre. Ebenso liegt ein Drittel der Erdölquellen in dieser Zone. Die neuen Quellen sollen ebenfalls im Biotop gebohrt werden, was per Gesetz komplett illegal ist. Wenn diese Quellen aber nicht geschaffen werden, kann man davon ausgehen, dass die angeblich wirtschaftlich rentable Produktion für den Staat doch nicht so gewinnbringend sein wird. Auch muss man die Kosten betrachten, die entstehen, um verursachte Umweltschäden zu beheben. Die Vertragsverlängerung wäre also wirtschaftlich gesehen ein Verlustgeschäft für Guatemala. Das Dilemma der RegierungDie Regierung befindet sich im Dilemma, ihren Energieplan zu erfüllen. Dieser sieht vor, 200.000 Tonnen Erdöl täglich bis zum Jahr 2022 abzubauen. Neben der Laguna del Tigre existieren 12 weitere Anfragen für Abbaulizenzen, deren Autorisierungen notwendig sind, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Perenco hatte allerdings schon gedroht, seine Investitionen abzuziehen, wenn die Regierung nun 'Nein' zur Vertragsverlängerung gesagt hätte. Der Rückzug der Investitionen würde ebenso die anderen geplanten Projekte beeinflussen. Des weiteren steckt das Land in einer finanziell schwierigen Situation. Den Vertrag nicht zu verlängern, hätte bedeutet, eine Einkommensquelle zu schliessen. Auch politisch werden Folgen zu spüren sein. So musste Colom mit den Reaktionen verschiedener Personen rechnen, wie z. B. der Ex-Teilhaber von Basic aus den 90er Jahren, die 2001, als Perenco das Unternehmen übernahm, entlassen wurden. Diese stellten sich gegen eine Verlängerung in der Hoffnung, bei Nichtverlängerung dann ihrerseits mit eigenen Plänen zum Zuge zu kommen. So existieren z. B. Gerüchte, dass Mitglieder der Familie des Ex-Präsidenten Berger Teilhaber von Basic waren. So gesehen war es wohl keine leichte Entscheidung für den Präsidenten - aber sicher eine gegen die Umwelt und den Umweltschutz. |
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