Hijóle, die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Haben Sie Feinde? - Wir töten sie für Sie!
Fijáte 466 vom 18. August 2010, Artikel 8, Seite 5
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Hijóle, die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Haben Sie Feinde? - Wir töten sie für Sie!
Erzählen Sie es nicht weiter, aber ich überlege mir, ein Inserat in den gelben Seiten zu schalten, das ungefähr so lautet: Haben Sie Feinde? Wir töten sie für Sie! Straffreiheit garantiert. Klar, die Sache mit der Straffreiheit muss ich noch mit meinem Anwalt klären, der hat Vitamin B. Man hat mir gesagt, es sei ein gutes Geschäft. Die Idee ist mir nach und nach gekommen. Vor einigen Monaten habe ich mir eine Waffe gekauft, was übrigens ein Kinderspiel war ..., und seither spüre ich, wie sich mein Leben verändert. Ich achte immer darauf, sie gut sichtbar am Gurt zu tragen mit der Absicht, folgende Message durchzugeben: Vorsicht, komm mir nicht in die Quere, sonst knallt's. Seither behandelt man mich im Bus, in der Bank und auf der Strasse viel besser. Die Waffe bringt mir überall dort Vorteile, wo es viele Leute hat: bei Staus, in Schlangen etc. - man lässt mich durch. Und weil alle NachbarInnen von meiner Waffe wissen, kann ich des Nachts gut schlafen. Ich hab zu meinen Kids gesagt: habt keine Angst, hier trauen sich keine Diebe mehr rein. Etwas ganz ähnliches ist einem Kumpel aus meinem Dorf passiert, der einen Sohn bei der Polizei hat. Er hat gemerkt, dass die Leute mehr Respekt vor ihm haben wegen seinem Sohn. Dies hat ihn dazu verleitet, ein paar Gewohnheiten anzunehmen, von denen er früher nicht einmal geträumt hat wie zum Beispiel Grenzsteine zu versetzen oder Frauen zu belästigen und solche Dinge. Einen Sohn bei der Polizei zu haben, bringt ihm den Vorteil, dass die NachbarInnen beginnen, Angst vor ihm zu haben. Je wagemutiger seine Gewohnheiten und Abenteuer werden, umso mehr Respekt haben die Leute vor ihm, denn sie denken, dass sein Sohn auf der Stelle jeden umbringt, der sich seinem Vater entgegenstellt. Auch mein Kumpel hat mir erzählt, dass er sich nun sicherer fühlt in seinem Haus. Deshalb überlege ich mir, ein kleines Geschäft zu eröffnen, das hauptsächlich darin besteht, eine Produktelinie zu entwickeln, die von Angst bis Panik reicht und mit der ich die Sicherheit meiner KundInnen garantieren kann. Dazu bräuchte ich ein paar disziplinierte und zuverlässige Angestellte, die in den Sicherheitsapparaten des Staates problemlos zu finden sind. Es ist schon heute der Job dieser Leute, Tötungsmaschinen zu erfinden. Ausserdem bräuchte ich Waffen verschiedenen Kalibers, Granaten etc., die in den Lagerräumen der Armee leicht aufzutreiben sind, wie wir alle wissen. Hauptsache man hat Geld. Eine weitere unabdingbare Sache für mein Geschäft sind die Beziehungen zu den drei Staatsmächten. Sie wissen ja, das Geschäft mit der Sicherheit setzt multidisziplinäre und gut koordinierte Absprachen voraus. Ich habe Geschäftspartner im Justizwesen und bei der Staatsanwaltschaft. Diese wiederum kennen Anwälte und Richterinnen, die mit uns kollaborieren. Auch im Kongress bin ich schon gut verankert, ich habe mächtige Kontakte, vor allem zu den ChefInnen der verschiedenen Fraktionen. Ein paar persönlich ausgestellte fette Checks sowie das Versprechen auf Geld für die Wahlkampagnen wirken Wunder. Und genauso läuft es bei der Exekutive. All dem wird noch ein bisschen Angst in den verschiedensten Varianten beigefügt: Drohungen, Erpressung etc. Schliesslich ist die Angst unser Kerngeschäft. Die Menschen haben ja nicht nur vor dem Tod Angst. Sie haben genauso Angst vor der Verleumdung, die zum sozialen oder politischen Tod führen kann. Dazu sind die Medien äusserst nützlich: die öffentliche Ablehung bringt impertinente VertreterInnen der sozialen Bewegungen zum Scheitern oder beendet eine unliebsame politische Karriere. Wir verkaufen Unsicherheit, Schutzlosigkeit, Angst, Horror, Terror und Panik à la carte, je nach Wunsch unserer Kundschaft. Ihnen sind wir verpflichtet, sie bezahlen. Wir wissen, dass die Angst ihnen den Rücken freihält, um ihre Projekte durchzuziehen: die Leute schliessen sich in ihr Schweigen ein, sei es bei der Arbeit, im Supermarkt oder auf dem Weg dorthin und zurück; wenn sie zuhause sind, schliessen sich sich mit ihrem Fernseher ein. Über den Bildschirm erzählen wir ihnen dann, wie gross ihre Angst sein muss. Dafür provozieren wir Ereignisse, die Angst machen, zum Beispiel Verbrechen in öffentlichen Verkehrmitteln, wo wir Granaten unter die Passagiere werfen. Nach oben |
Wir bieten unseren Service den grossen Unternehmenskonsortien an, um ihnen Sicherheit und ausländische Investitionen zu garantieren. Deshalb benutzen wir in jenen Regionen, in denen es Minen, Wasserkraftwerke und andere Megaprojekte gibt, andere Strategien als in den urbanen Zentren. Während wir für die Städte den Delinquenten Straflosigkeit garantieren, kriminalisieren wir in den Dörfern die Unzufriedenen, indem wir sie verfolgen, beschuldigen, verleumden oder umbringen. Auf unterschiedliche Weise zwar, aber in beiden Fällen erfolgreich, bringen wir auf dem Land und in den Städten dasselbe Produkt auf den Markt: Die permanente Angst. Sie fragen zwar nicht danach, aber ich möchte Ihnen trotzdem erklären, dass es zu unserem Geschäft gehört, die tägliche Anzahl der Toten zu erhöhen. Aktuell sind es in Guatemala 23 Tote pro Tag. Es ist leider so: bei Bedarf erhöhen wir diesen Durchschnitt. Wobei Ihnen klar sein muss, dass dies nicht unsere Absicht ist. Unsere Produktelinie hat nur mit der Angst zu tun. |
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