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Maya-Frauen: Über Multikulti und Feminismus

Fijáte 428 vom 11. Februar 2009, Artikel 1, Seite 1

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Maya-Frauen: Über Multikulti und Feminismus

Eine der Auffassungen wird von Frauen wie Virginia Ajxup vertreten, die von einer positiven, (nicht-kolonialen) Sicht der Vergangenheit der indigenen Bevölkerung inspiriert ist und auf der Maya-Kosmovision beruht. Sie stellt Reflektionen darüber an, wie Frauen "gedacht und behandelt" werden, die sich in ihrer Lebensform und Denkensart von der abendländischen Rationalität distanzieren. Aus ihrer Perspektive gibt es durchaus ein kolonialistisches Erbe, welches das Leben der indigenen Frauen bis heute prägt, aber es gibt - und das wertet sie durchaus positiv - auch die Anerkennung von Gegenseitigkeit, Ergänzung und Dualität zwischen Mann und Frau, welche noch in vielen indigenen Gemeinschaften vor allem in ländlichen Gegenden praktiziert wird.

Eine andere Auffassung wird von Frauen wie Irma Alicia Velásquez vertreten. Zwar definieren sich diese Frauen nicht notwendigerweise als Feministinnen, sind aber deren Positionen nicht fern. Sie interessieren sich nicht sehr für die idealisierte Analyse der Maya-Kosmovision, sondern hinterfragen die aktuelle Situation der Maya-Frauen. Auf diesen Grundlagen erarbeiten sie Vorschläge für neue soziale Beziehungen und definieren auf ihre Weise die Komplementarität, die Gegenseitigkeit und die Kultur.

Schliesslich gibt es eine dritte Gruppe indigenen Frauen, deren Weg sich nicht um Maya-Organisationen und eine mayanistische Ideologie (Maya-Ideologie) bildet, sondern die aus Frauen- und feministischen Organisationen hervorgegangen sind. Diese Frauen bezeichnen sich mehr oder weniger als Feministinnen und haben den entsprechenden Diskurs und die Lebensweise in ihren Wortschatz und ihr tägliches Leben integriert. Von dieser Position ausgehend haben sie sich nichtsdestotrotz der mayanistischen Anschauung angenähert und entdecken und definieren ihre oft und lange Zeit geleugnete ethnische Identität neu. Vertreterin dieser Strömung ist z.B. die Frauen-Gruppe Kaqlá. Interessant in dieser dritten Gruppe ist auch die Haltung, vorsichtig hinsichtlich der Meinungen von Maya-Intellektuellen zu sein, da von dieser Seite häufig ein relativ geschlossenes Weltbild entworfen wird, welches nicht so nah an der Lebenswirklichkeit indigener Frauen steht.

Gegenwärtig streben die Maya-Frauen weiter sowohl die soziale wie auch die Geschlechtergerechtigkeit an. Angesichts der verschiedenen Ansätze bleibt es jedoch schwierig, die Zusammenarbeit zu organisieren. Wenn die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern mit der ethnischen Frage gekreuzt ist, werden Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen erzeugt. Noch gibt es einerseits Frauengruppen, die das Ethnische nicht mitdiskutieren wollen, und andererseits ethnische Gruppen, die die Frauenfrage ausklammern möchten.

Postkolonialer Feminismus

Postkoloniale Gesellschaften gründen nicht bloss auf der Ungleichheit zwischen Indigenen und Nicht-Indigenen, sondern auch auf einer ungleichen Behandlung von Männern und Frauen. Unterdrückungsmechanismen wie VGRassismusNF, Klassendenken oder das Patriarchat wirken sich unterschiedlich auf Männer und Frauen aus. Soziale Bewegungen, welche die Anerkennung von Differenz und politischer Identität fordern, machen oft den Fehler, sich nur auf ein Differenz-Thema zu konzentrieren: Geschlechterdifferenz ODER Klassenunterschied ODER Ethnische Verschiedenheit. Dass sich diese Unterdrückungsmechanismen überkreuzen und ergänzen, wird in der Analyse oft ausgeklammert und führt zu einer Art Konkurrenz zwischen den Unterdrückten, was eine gemeinsame Bekämpfung des unterdrückenden Systems verhindert und dieses in gewisser Weise gar legitimiert.

In der Realität der indigenen Frauen Guatemalas führt dies dazu, dass sie sich für eine eindimensionale politische Identität entscheiden müssen und ihre spezifischen Forderungen als Frau, Indígena und sozial Benachteiligte nicht berücksichtigt werden.

Die hergebrachte Vorstellung von Nation hat die Frauen und die indigenen Bevölkerung nicht beachtet, sondern sie zu Objekten der Folklore und des Marktes gemacht. Der Mayanismus hingegen strebt die Bildung einer "nationalen Einheit" an, die auf verschiedenen Politikfeldern die ererbte Hegemonie des Staates eingrenzen soll. Dieser hergebrachte Staat hat sich aus der Geschlechterperspektive als nicht sehr vorteilhaft erwiesen. Aber das patriarchale und machistische System einzig als Ergebnis der Kolonialisierung zu sehen, wie dies viele Mayas tun, greift definitiv zu kurz. Ebenso müsste die Unterdrückung von Geschlecht, Ethnie und Klasse, die Frauen UND Männer auf unterschiedliche Weise betrifft, einer genauen und integralen Analyse unterzogen werden. Von daher stellt sich die Frage, ob ein Staat nach Maya-Vorstellungen nicht Fehler des aktuell bestehenden Staates reproduziert.

Für die Frauen ergibt sich ein Fallstrick, wenn das Bekämpfen einer Unterdrückungsform zur Stärkung einer anderen führt.


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