Hausarrest für den Geschäftsführer von Oasis
Fijáte 428 vom 11. Februar 2009, Artikel 2, Seite 3
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Hausarrest für den Geschäftsführer von Oasis
Guatemala, 28. Februar. Jorge López Sologaistoa, Geschäftsführer der LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual)-Organisation OASIS (Organización de Apoyo a una Sexualidad Integral frente al SIDA), weilte vergangenen Oktober auf Einladung von Peace Brigades International (PBI) für eine Vortragstournee in Deutschland und der Schweiz (siehe ¡Fijáte! 422). Zurück in Guatemala sah er sich mit einem gegen ihn erlassenen Haftbefehl wegen versuchten Mordes an der transsexuellen Sexarbeiterin Laila (Axel Leonel Donis González) konfrontiert. Jorge López interpretiert den Vorfall als Teil einer Strategie der Kriminalisierung von MenschenrechtsvertreterInnen, die zum Ziel hat, deren Arbeit zu behindern und ihnen jegliche Legitimation abzusprechen. Am 23. Januar 2009 fand die Anhörung vor dem Richter der 1. Instanz statt. Dank der Aktivierung einiger Schlüsselpersonen durch PBI und andere Menschenrechtsorganisationen, die sich Sorgen um die Sicherheit von Jorge López und die Rechtmässigkeit des Verfahrens machten, waren verschiedene nationale und internationale BeobachterInnen bei der Anhörung anwesend. So auch das Team von PBI-Guatemala. Der Richter sprach Jorge López der unmittelbaren Beteiligung an der Tat frei, hielt jedoch die Anschuldigung der Mitwissenschaft aufrecht und verordnete sechs Monate Hausarrest. Währenddessen laufen die Untersuchungen weiter, um nach Ablauf der Frist entscheiden zu können, ob der Fall weiter verfolgt oder definitiv geschlossen werden soll. Die Situation beunruhigt PBI insofern, als dass sie Jorge López' wichtige Arbeit für die LGBT-Gemeinschaft beträchtlich erschwert. Hergang der EreignisseAm 4. Juli 2008 hat eine Gruppe von Sexarbeiterinnen eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft gegen Laila eingereicht. Dies aufgrund mehrerer gewalttätiger Angriffe ihrerseits gegenüber Arbeitskolleginnen in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli. Am selben Tag begleitete Jorge López die gleiche Gruppe zur Polizeistation 11-14 (der Generaldirektion der Polizei), um die Beschwerde auch dort einzubringen und um die Polizei auf die zunehmende Gewalt gegen Sexarbeiterinnen aufmerksam zu machen. Am gleichen Abend wurde Jorge López davon unterrichtet, dass eine andere Personengruppe nach Laila suchte, um ihr etwas anzutun. Jorge López informierte die Polizei, bat sie um Schutzmassnahmen und suchte Laila auf der Strasse auf, um sie vor dem Übergriff zu warnen. Nur wenige Minuten nach Jorge López Weggang wurde Laila von Unbekannten angegriffen, erlitt aber glücklicherweise keine tödlichen Verletzungen. Am 9. September 2008 reichte Jorge López bei der Polizeistation 11-14 eine Beschwerde wegen der Verletzung der Rechte einer Gruppe von Sexarbeiterinnen ein, die OASIS berichtet hatten, sie seien Opfer illegaler Verhaftungen, Fotoaufnahmen sowie von Bedrohungen, Einschüchterungen und erniedrigenden Behandlungen geworden. In der Abteilung für Verbrechen bei der Staatsanwaltschaft bestätigte Jorge López am 3. Oktober seine Beschwerde gegen Mitglieder der Nationalen Zivilpolizei (PNC) und des Innenministeriums wegen der Verfolgung und Einschüchterung von Sexarbeiterinnen. Dieselbe Abteilung reichte daraufhin Klage gegen ihn ein, worauf am 4. November 2008 oben erwähnter Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde. Hintergrund und KontextWährend ihres Besuches in Guatemala im Februar 2008 sagte Hina Jilani, damalige Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Menschenrechtsverteidiger: "Guatemala ist ein Land, welches vor beachtlichen Herausforderungen steht. Es ist eines der Länder mit dem höchsten Grad an Ungleichheit bei der Einkommensverteilung. Gewalt und organisiertes Verbrechen sind drückende Probleme, es herrscht fast vollkommene Straflosigkeit und der Einfluss der parallelen Kräfte verhindert Entwicklung und Veränderung. Dies alles hat zu einer dramatischen Reduktion des Handlungsspielraumes geführt, in dem Menschenrechtler agieren können." Nach oben |
Die Gewalt, der MenschenrechtsverteidigerInnen ausgesetzt sind, hat viele Facetten: Mord, Bedrohungen und Einschüchterungen, sowie subtilere Formen wie zum Beispiel Überwachungen, Einbrüche in Büros und Häuser, oder die Kriminalisierung der Arbeit der MenschenrechtsverteidigerInnen, sind keine Seltenheit. In diesen Fällen herrscht absolute Straflosigkeit. Sie beeinträchtigt alle öffentlichen Institutionen und die gesamte Gesellschaft. Laut Aussage der Menschenrechtsstiftung "Myrna Mack" ist der Justizsektor in Guatemala eine Quelle für die Straflosigkeit wie zum Beispiel die Defizite und Schwächen bei den polizeilichen Ermittlungen, bei der strafrechtlichen Verfolgung und bei der Verurteilung aufzeigen. In diesem Kontext der Straflosigkeit sticht die Gewalt und Diskriminierung gegenüber den sexuellen Minderheiten hervor. Personen werden aufgrund ihrer sexuellen Identität anders behandelt als ihre Mitmenschen und sind mit täglichen Situationen konfrontiert, die ihre Menschenwürde verletzen, sowie ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben beeinträchtigen. Da die Mehrheit der Übergriffe auf Personen aufgrund ihrer sexuellen Identität mit Fällen der alltäglichen Gewalt vermischt wird, erweist sich die Erfassung und Dokumentation der Fälle als schwierig. Es kann jedoch festgestellt werden, dass Mord die häufigste Form der Aggression darstellt. Oftmals lassen die Verstümmelungen am Körper des Opfers auf extremen Hass schliessen. (Quelle: PBI Guatemala) |
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