UNO-Rüge ans Justizsystem
Fijáte 428 vom 11. Februar 2009, Artikel 6, Seite 5
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UNO-Rüge ans Justizsystem
Guatemala, 31. Jan. Fünf Tage lang war der Sonderbeauftragte für die Unabhängigkeit der RichterInnen und AnwältInnen der UNO-Menschenrechtskommission, Leandro Despouy, in Guatemala, um letztendlich zu konstatieren, was schon lange nicht mehr zu verbergen und allgemein bekannt ist: "In Guatemala herrscht ein Klima der generalisierten Straflosigkeit, die das Produkt von strukturellen Faktoren ist", so der argentinische Jurist in der abschliessenden Pressekonferenz seiner Visite. Seinen Bericht wird er Ende des Jahres der UNO-Generalversammlung vorlegen, doch die besorgniserregendsten Aspekte, die er während der zahlreichen Gespräche mit diversen staatlichen FunktionärInnen, zivilgesellschaftlichen VertreterInnen und den UNO-Instanzen aufgenommen hat, brachte er bereits vor. Demgemäss gebe es keinerlei staatlichen Politikansatz weder in Sachen Verbrechensprävention, Bestrafung und Kriminologie, die in anderen Ländern mittels eines Justizministeriums der Exekutive unterstehen. Zudem gebe es eine Funktionskonzentration an der Spitze des Obersten Gerichtshofes (CSJ), die neben anderen Faktoren zu der aktuellen Krise geführt haben. Zu diesen zählt die Tatsache, dass es das CSJ seit Monaten nicht schafft, eineN neueN Präsidenten/ Präsidentin aus den eigenen Reihen zu küren. Ausserdem sei der Gerichtshof zuständig für unzählige Verwaltungsfunktionen, die ihm seine spezifische Aufgabe, Gerechtigkeit walten zu lassen, erschwerten. Alle zuständigen Instanzen, von der Staatsanwaltschaft bis zur Polizei, seien personell wie materiell völlig unzureichend ausgestattet, um eine effiziente Verbrechensermittlung zu bewerkstelligen. Die Tatsache, dass die RichterInnen einer befristeten Amtszeit von fünf Jahren unterworfen sind, schwäche die Macht der Justiz, ihre Unabhängigkeit und berufliche Entwicklung. Entsprechende legislative Reformen könnten dem abhelfen, indem eine geordnete berufliche Rechtslaufbahn eingerichtet würde. Mit Sorge beobachtet Despouy, dass der Kongress Gesetze, die für die Stärkung des Rechtswesens unabdingbar sind, nicht verabschiedet - darunter das ausstehende Munitions- und Waffengesetz. Auch in Bezug auf seine plurikulturelle, multiethnische und vielsprachige Natur habe das Land noch einige Hausaufgaben zu erledigen. So bestünden noch schwerwiegende Hindernisse im Zugang zur Justiz besonders für die armen Sektoren der Bevölkerung sowie für die indigenen Völker, ohne dass die Regierung die nötigen Massnahmen dagegen unternommen hätte. Nach oben |
Kinder, Jugendliche und Frauen sind am stärksten betroffenen: von den 591 im Jahr 2008 ermordeten Kindern wurden 80% Opfer von Schusswaffen. Auch der Femizid sei angestiegen: 722 Frauen kamen letztes Jahr durch Gewalt ums Leben. Angesichts der beunruhigenden Tatsache, dass von 100 Morden gerade einmal zwei vor Gericht gebracht werden und von 100 Verbrechen vier, mache ein verstärktes Handeln des Staates gegenüber der Justiz, der Straflosigkeit und den Wiedergutmachungsleistungen an die Opfer notwendig. Nicht zu unterschätzen sei die Bedrohung, dass der Drogenhandel und das organisierte Verbrechen das System vollständig durchdringen und irreversible Fakten schaffen könnten. Es war der dritte Besuch eines Justiz-Sondergesandten der UNO, 1999 und 2001 kam Despouys Vorgänger Param Cumaraswamy, doch dessen Empfehlungen sind nicht umgesetzt worden. |
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