Auf der Überholspur ins Verkehrs-Chaos - Unterwegs mit der Transmetro
Fijáte 383 vom 18. April 2007, Artikel 6, Seite 5
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Auf der Überholspur ins Verkehrs-Chaos - Unterwegs mit der Transmetro
Seit Anfang Februar ist auch Guatemala City eine moderne Stadt. "Die erste Transmetro Zentralamerikas" steht auf den riesigen Plakaten, die "Tu Muni" (Deine Gemeindeverwaltung) über den Eingängen zu den Transmetro-Stationen aufgehängt hat. Doch mit dem, was die Besucherin aus der Schweiz mit dem Begriff "Metro" assoziiert, hat das neue Transportmittel nicht viel gemeinsam - und trotzdem übt es ein gewisse Faszination aus. "Sind Sie schon einmal mit der Transmetro gefahren?" wird zur Standardfrage der Besucherin bei ihren Begegnungen in der Hauptstadt. Die Idee ist simpel: Von den bis zu 4-spurigen Ein- bzw. Durchfahrtsstrassen der Hauptstadt wird eine Spur für den Privat- und Handelsverkehr gesperrt, mit grellgrüner, im Volksmund "muni-grün" genannter Farbe gestrichen. Auf dieser Spur dürfen einzig die ebenfalls munigrünen Transmetro-Busse fahren. Im Moment funktioniert erst die Route auf der Aguilar Batres / Avenida Bolívar, die vom Süden ins Stadtzentrum führt, weitere Linien sind in Planung bzw. im Bau. FussgängerInnenpassarellen erleichtern den Zugang zu den Haltestellen und gleichzeitig das Überqueren der lebensgefährlichen Strassen, Unter- oder Überführungen an kniffligen Verkehrsknotenpunkten garantieren der Transmetro "freie Fahrt". Durch das System, dass das Fahrgeld vor dem Besteigen des Busses bezahlt werden muss (vorläufig kostet eine Transmetro-Fahrt 1 Quetzal, gleich viel wie eine Fahrt in einem "normalen" Bus) sollen Überfälle auf die Busfahrer unrentabel gemacht werden. Um zu verhindern, dass die Fahrgäste überfallen werden, ist ein Riesenkontingent an Sicherheitskräften an den Haltestellen sowie in den Bussen selber postiert worden. Die Vorteile sind einleuchtend: Wer einmal eine Transmetro bestiegen hat (es heisst, die Wartezeiten an den einzelnen Haltestellen seien unterschiedlich und zum Teil sehr lang), reist relativ schnell von Punkt A nach Punkt B. Fixe Haltestellen und keine winkenden Personen am Strassenrand, die zusteigen wollen, tragen das ihre zu einem flüssigen Vorwärtskommen bei. Ob wegen des Prepaid-Systems oder wegen des Sicherheitsaufgebots: in den bald zwei Monaten seit die Transmetro unterwegs ist, haben die Medien noch über keine Überfälle auf Buseinheiten oder wartende Passagiere berichtet. Nicht zuletzt ist es begrüssenswert, wenn sich in Zeiten allgemeiner Privatisierungswut die, pardon, "mi" Muni für den öffentlichen Verkehr verantwortlich fühlt. Die Nachteile sind ebenfalls offensichtlich: Das chronische Verkehrsproblem (verstopfte Strassen und kilometerlange Staus) verschärft sich durch das "Wegnehmen" einer Fahrspur. Dazu kommen monatlich 10'000 neue Fahrzeuge auf den Strassen der Hauptstadt. Der Transmetro zum Opfer fielen gewisse direkte Busrouten, die jetzt nur noch durch Umsteigen - und zweimaligem Bezahlen des Fahrpreises - gefahren werden können. Ein Mangel an dem neuen System ist sicher auch, dass es in keiner Weise rollstuhlgängig ist: Auf die Fahrsteige kommt man nur über die Passarellen und diese sind nur über Treppen zu erklimmen. Die Möglichkeit, dass nach den ersten defizitären Betriebsjahren die Transmetro privatisiert wird, kann auch nicht ausgeschlossen werden. Doch wirklich zu überzeugen mögen die Argumente der GegnerInnen nicht. Tatsächlich löst man auch mit dem Bau weiterer Transmetro-Routen das chronische und zunehmende Verkehrsproblem der Hauptstadt nicht. Aber darüber nachdenken, dass sich dieses Problem längerfristig eh nur dadurch lösen lässt, dass die AutofahrerInnen ihre Mobilität per Privatwagen einschränken (geht es doch nicht nur um ein Verkehrs- sondern auch um ein gravierendes Umweltproblem), will niemand so recht. Das Argument, der hauptstädtische Bürgermeister und ehemalige Präsident, Alvaro Arzú, habe sich mit der Transmetro ein Denkmal setzen wollen, mag stimmen. Wahlpropagandistisch hätte er es aber kaum nötig gehabt, denn es scheint sich im Hinblick auf die Wahlen 07 keinE andereR KandidatIn für dieses Amt zu interessieren. Und ob sich der anfängliche Kritikpunkt Nr. 1, das Problem des langen Wartens mit der Zeit und der zunehmenden Routine der Transmetro-BenutzerInnen von selber löst, bleibt abzuwarten. Nach oben |
Trotzdem und unabhängig von aller zum Teil berechtigten Kritik spürt man einen leichten Hauch von modernem Grossstadtwind, wenn man frühmorgens mit der Transmetro ins Stadtzentrum fährt: Geschäftiges Treiben auf den Fahrsteigen; kein Gedränge, die Menschen stehen beim Einsteigen geduldig in der Warteschlange; die Angestellten von "Mi Muni" in ihren grellgrünen Westen überbieten sich in ihrer Hilfsbereitschaft (die Besucherin aus der Schweiz darf sogar gratis mitfahren, weil sie das erste Mal nicht gewusst hat, dass die Ticketautomaten ausschliesslich mit 1-Quetzal-Münzen gefüttert werden müssen - und trotzdem keine Tickets ausspucken); der "älteren Dame" (damit ist wieder die Besucherin aus der Schweiz gemeint) wird von einem Mitfahrer höflich ein Sitzplatz angeboten, den sie gerne annimmt und die Gunst der Stunde nutzt, um mit dem jungen Herrn ins Gespräch zu kommen - über die Transmetro selbstverständlich. Auch wenn das Transportproblem in der Hauptstadt weiterhin der Lösung harren muss - irgend einen "Trans-Effekt" scheint dieses neue Verkehrsmittel doch zu haben! |
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