Zur Situation der Menschenrechte in Guatemala
Fijáte 203 vom 2. Feb. 2000, Artikel 1, Seite 1
Original-PDF 203 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 --- Nächstes Fijáte
Zur Situation der Menschenrechte in Guatemala
Die Mission der Vereinten Nationen für Guatemala, MINUGUA, hat am 11. Januar, kurz nach ihrem Bericht über die Einhaltung der Friedensabkommen nun auch ihren 10. Menschenrechtsbericht veröffentlicht. Im folgenden eine Zusammenfassung aus verschiedenen Zeitungsartikeln und Stellungnahmen zu dem Bericht. Es ist anzumerken, dass die genauen Zahlen in den verschiedenen Artikeln varieren, was aber irrelevant ist, da es darum geht, eine Tendenz aufzuzeigen. Der Bericht umfasst den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. November 1999. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren ist die Anzahl der Menschenrechtsverletzungen frappant angestiegen: Während im Jahre 1997 von MINUGUA 1900 Fälle notiert wurden, sank die Zahl im Jahr 1998 auf 1200, um dann im vergangenen Jahr auf 4800 Fälle anzusteigen. Der Leiter der UNO-Mission, Jean Arnault, wies während der Präsentation des Berichts darauf hin, dass die quantitative Zunahme der Fälle nicht unbedingt relevant sein muss. Allein 261 Anzeigen sind Fälle von Verletzungen der politischen Rechte und stehen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf der letzten Monate. Nicht in allen Bereichen hat es eine Zunahme gegeben; was die Verletzung des Rechtes auf physische Integrität anbelangt, hat sich die Tendenz der letzten Jahre bestätigt und es ist, laut Arnaut, wiederum ein Rückgang zu verzeichnen. Auch habe die allgemeine Verschlechterung der Menschenrechtssituation nicht notwendigerweise mit einer Verschlechterung der Situation bei den zuständigen Institutionen zu tun, meinte Arnault weiter. Die zivile Nationalpolizei z.B. habe im letzten Jahr eine positive Veränderung durchgemacht: Eine Professionalisierung der Spezialeinheit (FEP) hatte einen deutlichen Rückgang der Zahl der Anzeigen gegen diese Truppe wegen 'kollektiven Machtmissbrauches' und 'Überschreitung der Kompetenzen' zur Folge. Durch ein offensives Agieren der Polizei sank auch die Anzahl der Lynchversuche im vergangenen Jahr. Solche Aussagen sind natürlich relativ: laut den am 22. Januar veröffentlichten Daten der Vereinigung Familienangehöriger von Verschwundenen FAMDEGUA waren es immerhin noch 165 Lynchversuche, wovon 59 tödlich endeten. Ein krasser Anstieg ist jedoch bei der Verletzung des Rechtes auf eine faire Prozessführung zu vermerken. Die Zahl der Fälle ist von 530 im Vorjahr auf 3670 in der Zeit von Januar bis September 1999 angestiegen und macht somit 76% der insgesamt im letzten Jahr von MINUGUA registrierten Menschenrechtsverletzungen aus. Hauptverantwortlich für diese Verletzungen sind laut MINUGUA "die persönlichen Interessen und der Einfluss ehemaliger oder aktueller Staatsfunktionäre auf den Justizapparat und die Polizei". Dies führte zur Behinderung oder Verschleierung von Untersuchungen. Bei den meisten dieser Verletzungen (66%) ging es um Fälle, die mit der Aufklärung von Massakern und der Suche nach Verschwundenen aus der Zeit des bewaffneten Kampfes zusammenhängen, wie z.B. der Fall Xamán, oder die verschwundenen Militärarchive. Dabei ist anzumerken, dass es nicht die Aufgabe von MINUGUA ist, Verbrechen aufzunehmen und zu beurteilen, die vor der Unterzeichnung des 1994 abgeschlossenen Friedensvertrages über die Menschenrechte und der darauf erfolgten Einsetzung der UNO-Mission begangen wurden. Die im Zusammenhang mit solch 'alten' Verbrechen notierten Verletzungen haben ausschliesslich mit den jetzt laufenden Untersuchungen und Prozessen zu tun. Doch auch wenn man diese 'alten' Fälle beiseite lässt, hat sich die Anzahl der Verletzungen dieses Menschenrechtes im letzten Jahr verdoppelt. Nach oben |
Bei den Menschenrechtsverletzungen, die das Recht auf eine faire Prozessführung betreffen, hat laut MINUGUA der Staat die Aufgabe, eine überwachende Funktion zu übernehmen und entsprechende Sanktionen auszusprechen, da das Funktionieren der Staatsanwaltschaft und der Gerichte in der Verantwortung des Staates liegt. Positiv wird in diesem Zusammenhang hingegen vermerkt, dass im Laufe des Jahres die Einsetzung der Friedensrichter im ganzen Land zugenommen hat. Trotz der bereits erwähnten Professionalisierung der Polizei haben die Fälle von Folter und Misshandlung als Verhörmethode im letzten Jahr zugenommen. Dies ist laut MINUGUA auf eine schlechte Organisation und mangelnde Kontrolle innerhalb der Polizei zurückzuführen. Siebzig in der Hauptstadt stationierte Polizeifunktionäre haben die Aufgabe, die Arbeit von über 17'000, im ganzen Land verteilten PolizistInnen zu koordinieren. Auch den sogenannten parallelen Strukturen des Staates und des Militärs, sprich den Geheimdiensten, widmet sich der 10. Bericht von MINUGUA. Die Rolle dieser Parallelkräfte dürfe nicht unterschätzt werden, vor allem auch in Bezug auf das Nicht-Aufklären von Fällen wie beispielsweise der Mord an Bischofs Gerardi, heisst es im Bericht. MINUGUA empfielt der neuen Regierung und dem neuernannten Obersten Gerichtshof, die Gelegenheit zu nutzen und die entsprechenden Reformen zu fördern, die eine Stärkung des Justizsystems ermöglichen. Dies sei eine Grundbedingung der Friedensabkommen und eine klar formulierte Forderung der Zivilgesellschaft. Es müsse sich dabei um eine integrale Politik handeln, die eine enge Zusammenarbeit der Justiz, der Staatsanwaltschaft und der Exekutive bedinge. Ebenso müsse der Straffreiheit ein Ende gesetzt werden, sowie den legalen und illegalen Geheimdiensten. "MINUGUA wird mit der Überwachung der Einhaltung der internationalen Menschenrechtsabkommen und der guatemaltekischen Friedensabkommen das Ihre zum Kampf gegen die Straffreiheit beitragen", meinte Jean Arnault abschliessend. Verletzte Menschenrechte 1999 (gemäss MINUGUA): Anzahl Fälle Recht auf Leben: 77 Recht auf Integrität und persönliche Sicherheit: 127 Recht auf freie Meinungsäusserung: 4 Recht auf freie Organisierung: 357 Recht auf einen fairen Prozess: 3666 Recht auf Bewegungsfreiheit und Mobilität: 95 Abkommen über die Rechte der Indigenen Völker: 70 |
Original-PDF 203 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 --- Nächstes Fijáte