Militär mit neuem Leitbild?
Fijáte 202 vom 19. Jan. 2000, Artikel 12, Seite 6
Original-PDF 202 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 --- Nächstes Fijáte
Militär mit neuem Leitbild?
Guatemala, 17. Dezember 1999. Als eine ihrer letzten Amtshandlungen präsentierten der abtretende Präsident Alvaro Arzú in seiner Funktion als oberster Befehlshaber des Militärs und der (unterdessen ebenfalls ersetzte) Verteidigungsminister Marco Tulio Espinosa, die neue Militärdoktrin. Zu diesem Anlass eingeladen waren die Rektoren der verschiedenen Universitäten, Diplomaten sowie weitere Gäste. Im Dokument festgehalten sind die Richtlinien für eine Armee in Friedenszeiten, unter Einhaltung der Menschenrechte, Respektierung der Verfassung und der Gesetze. Verteidigungsminister Marco Tulio Espinosa bezeichnete in seiner Ansprache das neue Leitbild als 'die Bibel der Armee', betonte jedoch, dass das Militär offen sei, Meinungen und Änderungsvorschläge zum Leitbild entgegenzunehmen, sofern es in den Vorschlägen um Interessen der Gesellschaft und nicht um persönliche Interessen ginge. Der Leiter der Mission der Vereinten Nationen für Guatemala (MINUGUA), Jean Arnault, seinerseits betonte, dass "dieses Projekt, das heute von der Regierung überreicht worden ist, erst der Anfang einer Debatte ist, welche von den verschiedenen Sektoren geführt werden muss." Damit bezog sich Arnault auf die verschiedentlich geäusserte Kritik, unter anderem seitens der URNG und der Begleitkommission der Friedensabkommen, die zur Erarbeitung des neuen Leitbildes nicht beigezogen wurden. Arnault anerkannte, dass das vorgestellte Leitbild den Vereinbarungen des Friedensabkommen zur Stärkung der Zivilgesellschaft und der Funktion des Militärs in einer demokratischen Gesellschaft entspricht. Er äusserte jedoch seine Kritik in drei Punkten, welche die Souveränität der Nation, die Zusammenarbeit mit andern Institutionen des Staates und die Transparenz betreffen. Auch die Menschenrechtsaktivistin Helen Mack kritisierte das neue Leitbild der Armee. Solange das Militär weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehe, decke und verstecke, nütze das schönste Leitbild nichts, meinte sie. Der Vertreter der Versammlung der Zivilgesellschaft (ASC), Eddy Armas, sieht im neuen Leitbild der Armee keine wesentlichen Neuerungen. Das Militär passe sich lediglich den veränderten Umständen an, behalte jedoch seine Machtposition. Es seien keinerlei fundamentalen Änderungen in Bezug auf seine Funktion in einer demokratischen Gesellschaft im Dokument vorhanden, kritisierte Armas. Nach oben |
Die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú meinte, das Leitbild des Militärs müsse unbedingt vom Volk mitbestimmt sein und empfindet es als einen Affront, dass dieses bisher nicht miteinbezogen wurde. Grundsätzlich wird am der neuen Doktrin kritisiert, dass der im Dokument enthaltene 'geschichtliche Abriss' die Methoden der Aufstandsbekämpfung des Militärs gegenüber der Guerilla mit keinem Wort erwähnt. Ebenso hat das Militär nach wie vor die Erhaltung der inneren Sicherheit zur Aufgabe und der Militärdienst bleibt weiterhin obligatorisch, zwei Punkte, die mit der abgelehnten Verfassungsänderung hätten modifiziert werden sollen. Der neugewählte Kongressabgeordnete der FRG und Ex-Militär Byron Barrientos kündigte an, seine Partei, welche die Mehrheit im Kongress hat, werde im Jahr 2000 die neue Militärdoktrin durch den Kongress revidieren lassen. Um das Militär umzustrukturieren genüge dies nicht, es müssten Änderungen im Armeegesetz vorgenommen werden. Im Gegensatz zu Espinosas Vergleich mit der Bibel, bezeichnete Barrientos das vorgestellte Leitbild als eine Reihe von Richtlinien, die jedoch nicht in Stein gemeisselt, sondern veränderbar seien. Zu einer solchen Revision würde der Kongress nicht nur das Militär beiziehen sondern auch die Zivilgesellschaft und die Menschenrechtsorganisationen, meinte Barrientos. In der ersten Sitzung des neuen Kongresses hat der FRG-Abgeordnete Aristides Crespo denn auch eine Initiative zur Reform des Militärgesetzes vorgelegt. Das Reformprojekt enthält insgesamt fünfzehn Gesetzesänderungen. Hauptziel der Reform ist die Auflösung des Generalstabs des Präsidenten (EMP) und die Möglichkeit, einen Zivilisten zum General und somit zum Verteidigungsminister ernennen zu können. |
Original-PDF 202 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 --- Nächstes Fijáte