Erdölabbau in Guatemala: Fortschritt versus Naturschutz
Fijáte 204 vom 16. Feb. 2000, Artikel 1, Seite 1
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Erdölabbau in Guatemala: Fortschritt versus Naturschutz
Am 25. November 1999 nützten AktivistInnen der guatemaltekischen Umweltschutzorganisation Madre Selva einen internationalen Kongress von Umweltorganisationen in Guatemala-Stadt, um mit grosser Medienpräsenz eine offizielle Anklage gegen den Erölabbau im Nationalpark Biosfera Maya einzubringen. Madre Selva wurde 1996 gegründet, um im Naturpark Rio Dulce eine Baummonokultur zu verhindern, was ihnen mittels starker Präsenz in den Medien auch gelang. Der folgende Artikel wurde von Christian Steinreiber, Mitglied der Guatemala-Initiative Wien und Graz, geschrieben. Nationalpark: Biosfera MayaPetén ist nicht nur die nördlichste und größte Provinz Guatemalas, sondern besitzt durch die geringe Besiedelung auch die grössten Flächen an unberührtem Regenwald, der auch als zweite Lunge für Amerika nach dem Amazonasgebiet genannt wird. Ein Teil dieses Gebiet voll Pflanzen- und Tierreichtum wurde 1990 von der guatemaltekischen Regierung zum Nationalpark "Reserva Biosfera Maya" (RBM) erklärt, damit diese 25.000 km2 auch der nächsten Generation zur Verfügung stehen. Innerhalb des Nationalparks gibt es vier Naturparks und drei Biotope, die nur im geringstmöglichen Ausmass genützt werden sollen. Nur ForscherInnen und teilweise TouristInnen dürfen sich dort aufhalten. Der grösste Teil aber wird als "Gebiet für verschiedenste Zwecke" bezeichnet. In diesen Zonen darf nur auf nachhaltige Weise - Aufforstungsprogramme, Kautschukproduktion etc. - gewirtschaftet werden. Biotop: Laguna del TigreEine der Kernzonen ist das Biotop "Laguna del Tigre" mit über tausend tropischen Seen und dutzenden Flüssen, umgeben vom viel größeren Naturpark gleichen Namens. Fast das ganze Jahr über steht das Biotop unter Wasser, eine Tatsache, die es sehr anfällig für Umweltverschmutzungen in der Umgebung macht. 1993 wurde dieses Biotop in das RAMSAR Montreux-Register aufgenommen, in dem weltweit alle bedrohten Feuchtgebiete aufgelistet sind. Dieses Abkommen garantiert diesen Gebieten internationale Gelder für Überwachung, Erhaltung und Forschung. Acht Jahre vor dieser internationalen Anerkennung vergab 1985 die guatemaltekische Regierung, genauer gesagt das Ministerium für Energie und Bergbau, der damals französischen und heute US-amerikanischen Basic Resources eine Lizenz zum Erdölabbau in genau jenem Biotop "Laguna del Tigre". Der staatlichen Umweltschutzkomission (CONAMA) wurde ein Umweltgutachten vorgelegt, aber nur um einen Kredit der Weltbank zu bekommen. Mit ca. 10.000 ha stellt dieses Gebiet ca. 8 % der Fläche des Biotops und nur 2 % des Naturparks dar. Da erst 1990 die Biosfera Maya geschaffen wurde und solche Abbaulizenzen 20 Jahre lang gültig sind, konnte der Erdölabbau in dieser Kernzone nicht verhindert werden, auch wenn sie den Massstäben des Nationalparks nicht entsprach. Zur Zeit gibt es 23 Bohrtürme, der Grossteil dieses Erdöls schlechter Qualität wird in einer Pipeline an die Karibikküste transportiert, um dann in den USA raffiniert zu werden Nur ein Teil bleibt im Land und wird vor allem als Asphalt verwendet. Verschärft hat sich die Situation dann 1992, als die Regierung die Lizenz von Basic Resources auf fast 200.000 ha ausweitete, darin enthalten das ganze Biotop und mehr als die Hälfte des Naturparks. Das alles, obwohl das Gebiet international geschützt ist. Zwar wurde ein Umweltgutachten erstellt, das wiederum von der Umweltschutzkommission genehmigt wurde. Doch der inzwischen eingeführte Nationalrat für geschützte Gebiete (CONAP), verantwortlich für alle Nationalparks, lehnte dieses ab. Der Erdölkonzern gab sich jedoch nicht geschlagen, legte dagegen Einspruch ein, so dass das Landwirtschaftsministerium als letzte Instanz das ganze Vorhaben dann doch genehmigte. Die Finanzmittel für den Abbau erhielt die Basic Resources vor allem von der Weltbank, die den Ausbau der Pipeline finanzierte. Nach oben |
Ein inzwischen von der RAMSAR-Kommission vorgelegtes Gutachten kommt zu dem Schluss, daß sich der Abbau nur auf das anfangs kleine Gebiet beschränken sollte. Die Umweltauswirkungen sind leicht ersichtlichBei der Erdölförderung kommen auch immer Mengen an mit Öl verschmutzem Wasser zutage. Dieses wird in "wasserdichte" Becken geleitet, in der mit der Zeit das Öl verbrannt wird. Vor allem in einem Feuchtgebiet kann das alles nie wirklich "sauber" passieren, immer wieder gelangt verschmutztes Wasser in den Boden und damit ins Oberflächen- und Grundwasser. Die Auswirkungen kennen wir alle von den zahlreichen Tankschiffunfällen oder vom Golfkrieg. Bei einem Unfall kann damit leicht die ganze Tier- und Pflanzenwelt im Biotop gefährdet werden, ganz abgesehen von der Gefahr für den Menschen, wenn das Öl in die Nahrungskette kommt. Nach anfänglichen Plänen sollte die neue Pipeline entlang des schon existierenden Weges ins Biotop gebaut werden. Da dies einen ziemlichen Umweg bedeutet hätte, wurde stattdessen die direkte Linie gewählt und zusätzlich ein neuer 10 Meter breiter Weg an der Pipeline entlang gebaut. Dies brachte eine unkontrollierte Besiedlung dieses so sensiblen Ökosystems mit sich, zumindest 29 neue Dörfer und über 5.000 Menschen haben sich dort angesiedelt. Da sich der Großteil des Landes in Guatemala in Händen weniger Menschen befindet (2 % besitzen mehr als 67 % des Landes), ist Land Mangelware für den Großteil der Bevölkerung. Vor 30-40 Jahren war der Petén noch fast unbesiedelt, heute leben dort schon ca. 300.000 Menschen. Genau um diese Tendenz zu bekämpfen wurde der Nationalpark geschaffen, durch die sehr fragwürdige Politik der Regierung wird sie stattdessen nur gefördert. Unkontrollierte Abholzung und damit verbundene Erosion stellen eine grosse Gefahr für das Ökosystem Petén dar. Das Biotop Laguna del Tigre ist nur ein Beispiel, wie in Guatemala mit den wertvollsten Naturreserven umgegangen wird. Dabei fördert die Erdölproduktion keineswegs den Wohlstand der Bevölkerung, sondern nur die Gewinne der multinationalen Konzerne und füllt die Geldtaschen korrupter Politiker. Vor allem im Petén gibt es durch Tourismus, "sanfter" Abholzung (mit gleichzeitiger Aufforstung) etc. genügend andere Alternativen, die der Bevölkerung Einkünfte und Sicherheit für die Zukunft garantieren. Seit 1980, mit Beginn des Erdölabbaus in Guatemala, waren die durschnittlichen staatlichen Einnahmen mit ca. 40 Millionen Schilling sehr gering (im Vergleich dazu die Abholzungslizenzen bringen fast 100 Millionen OES), die Auswirkungen für die Umwelt dafür bedenklich gross. Nicht in allen Abbaugebieten (z.B. Ixcán, Alta Verapaz, anderen Zonen der Biosfera Maya) handelt es sich dabei um ein Naturschutzgebiet, doch auch dort sind die Konsequenzen für Umwelt und Bevölkerung sehr bedenklich. So werden die EinwohnerInnen nicht von den wirklichen Auswirkungen informiert und meistens mit kleinen Geschenken und leeren Versprechungen "gekauft". In den letzten Jahren haben sich aber eine Reihe von Umweltschutzorganisationen gegründet, um sich der Ausbeutung der multinationalen Konzerne entgegenzustellen. Das kann auch gefährlich sein, in einem Land, in dem selbst in Menschenrechtsfragen weitgehend Straffreiheit besteht, noch mehr natürlich in Umweltfragen. Guatemala ist noch weit weg vom Grundsatz, der in Österreich schon längst besteht: Die Schäden bezahlt der Verursacher. In Guatemala wie in den meisten 3.Welt-Ländern heisst es aber meistens: Es zahlt die Bevölkerung, die Verursacher haben die Gewinne. Wer mehr über das Biotop Laguna del Tigre wissen möchte: |
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