Menschenrechte im UNO-Visier
Fijáte 405 vom 05. März 2008, Artikel 2, Seite 3
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Menschenrechte im UNO-Visier
Guatemala, 21. Feb. Hina Jilani, Sondergesandte des UNO-Generalsekretärs zur Situation der VerteidigerInnen der Menschenrechte, hielt am Ende ihres dreitägigen Aufenthaltes in Guatemala Mitte des Monats fest: "Guatemala ist ein Land, das vor beachtlichen Herausforderungen steht. Es gehört zu den Ländern mit der grössten Ungleichheit in der Einkommensverteilung. Die Gewalt und das organisierte Verbrechen sind dringende Probleme, der Grad der Straflosigkeit ist fast total und der Einfluss von parallelen Mächten behindert den Wandel. Das hat die Lage dramatisch verschlechtert, in denen die MenschenrechtsverteidigerInnen aktiv sind." Dabei stellten zwei staatliche Institutionen, die die Vorhut für den Schutz und die Wiedergutmachung bei Angriffen auf AktivistInnen sein sollten, einen Teil des Problems dar: die Polizei und die Staatsanwaltschaft. "Die Funktion der Polizei besteht eigentlich darin, den AktivistInnen in riskanten Situationen Schutz zu gewähren; stattdessen geht die Polizei aber selektiv und ineffizient vor und erhöht vielmehr das Risiko, denn die PolizistInnen selbst beteiligen sich an den Angriffen", unterstreicht die pakistanische Anwältin in ihrem Resümee, das sie im März der UNO-Menschenrechtskommission in Genf vorlegen wird. Im Jahr 2002 war Jilani das erste Mal im Land und hatte sich einen umfassenden Eindruck der Situation verschafft, deren Entwicklung sie heuer überprüfen wollte. Dabei traf sie sich auch diesmal mit einer Reihe von VertreterInnen der Zivilgesellschaft und Organisationen sowie mit FunktionärInnen der Regierung. Diese hinterliessen bei der UN-Gesandten das von ihr mit Wohlwollen zur Kenntnis genommene Bild, den Willen zu haben und sich dazu zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass die humanitären Organisationen in Zukunft von Angriffen und Aktionen gegen sie verschont bleiben. In diesem Zusammenhang erwähnte Jilani lobend die Schaffung einiger Institutionen und Mechanismen als Beginn des Prozesses: die Nichtregierungsorganisation Schutzeinheit der MenschenrechtsverteidigerInnen, die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), die Analyseinstanz von Angriffen auf MenschenrechtsverteidigerInnen, die bei der Staatsanwaltschaft angesiedelt ist, sowie das Projekt über Staatspolitik zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen und anderen verletzbaren Gruppen, das derzeit unter Federführung des Präsidialen Menschenrechts- und Friedenssekretariats (SEPREDEHPAZ) debattiert wird. Zudem hätten die Erfolge des Menschenrechtsprokurats (PDH) in Bezug auf die Entgegennahme von Anzeigen und die Fähigkeit, damit adäquat umzugehen, dazu geführt, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Gleichwohl erinnerte Jilani, dass zwar die Fortschritte wichtig seien, doch hätten sie keine reale Verbesserung herbeigeführt; die Anzahl und Intensität der Angriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen sei vielmehr angestiegen, in den letzten fünf Jahren gar um das Doppelte. 50 AktivistInnen seien in der Zeit zwischen 2002 und 2007 getötet worden. Und trotz der Schaffung von Spezialabteilungen innerhalb der Staatsanwaltschaft zur Verbesserung der Ermittlungspraxis, und der Erhöhung des Etats, sei eine enttäuschende Passivität unter den StaatsanwältInnen festzustellen. Es müssten durchgreifende Massnahmen ergriffen werden, um die Mängel der Untersuchungsmechanismen zu korrigieren, legt Jilani der Regierung nahe. Ausserdem trügen in erster Linie die konstanten Kampagnen zur Stigmatisierung und Kriminalisierung in den Medien und in manchen Sektoren der politischen Klasse zur Zunahme der Angriffe und Drohungen gegen AktivistInnen und zeigten, dass es bislang zumindest eindeutig an einem ausreichenden politischen Willen gefehlt habe, diese Situation zu ändern. Im Namen der Regierung erklärte sich Orlando Blanco, Leiter des SEPREDEHPAZ, mit dem Bericht einverstanden und unterstrich die Bereitschaft, der Empfehlungen der Sondergesandten Beachtung zu schenken - schliesslich sei die Verteidigung der Menschenrechte ja Verantwortung des Staates. Besonderes Augenmerk solle auf die Beobachtung Jilanis gelegt werden, dass die fehlende Ermittlungskoordination zwischen Ziviler Nationalpolizei (PNC) und Staatsanwaltschaft das Haupthemmnis sei, welches der Aufklärung der Verbrechen im Wege stünde. Nach oben |
Neben einer Reihe von konkreten Massnahmen, zu denen Jilani der Regierung riet, legte sie der internationalen Gemeinschaft nahe, weiterhin die Situation der MenschenrechtsverteidigerInnen zu beobachten. Zudem solle sie ihre Unterstützung dieser Arbeit u. a. durch Interventionen mit internationalen und regionalen Menschenrechtsmechanismen wie dem Büro des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte und den vorgesehenen Richtlinien der Europäischen Union zeigen. Den MenschenrechtsverteidigerInnen selbst gab sie den Rat, Allianzen und Koalitionen innerhalb und ausserhalb des Landes zu stärken, um den Schutz, den diese Netzwerke bieten können, auszubauen. Ausserdem sollten sie alle Gelegenheiten nutzen, um an Entscheidungsprozessen der staatlichen Institutionen teilzunehmen sowie einen Kontakt zur Menschenrechtskommission im Kongress herstellen. Schliesslich nahm Jilani im Gespräch mit Vizepräsident Rafael Espada noch Stellung zur aktuellen Diskussion über die kürzlich entschiedene Wiedereinführung der Todesstrafe (siehe ¡Fijáte! 404) und drückte ihre Besorgnis diesbezüglich aus. Auch der Vizepräsident des deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, äusserte sich bei seinem Besuch in Guatemala am 23. Februar zu diesem Thema. Die Vollstreckung eines Todesurteils stelle ein Hindernis für jegliche wirtschaftliche und politische Unterstützung dar, die aus der Europäischen Union komme, speziell die aus Deutschland, warnte er. |
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