PARLACEN-Krimi wird zu Castillos Satire
Fijáte 405 vom 05. März 2008, Artikel 6, Seite 5
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PARLACEN-Krimi wird zu Castillos Satire
Guatemala, 28. Feb. Vor einem Jahr, am 19. Februar 2007, wurden ausserhalb der Hauptstadt die salvadorianischen Abgeordneten des Zentralamerikanischen Parlaments (PARLACEN) Eduardo D´Aubuisson, William Pichinte und Ramón González, sowie ihr Chauffeur, Napoleón Ramírez, auf brutalste Weise ermordet und ihr Fahrzeug in Brand gesteckt. Innerhalb kurzer Zeit wurden vier der Tat verdächtige Polizisten verhaftet und zwei Tage später wiederum im Gefängnis umgebracht. Der ¡Fijáte! berichtete. (siehe Nr. 380, 382, 391) Wegen des zweiten Verbrechens läuft inzwischen ein Prozess gegen 13 in jenem Gefängnis zum Zeitpunkt der Tat inhaftierte Jungendbandenmitglieder, 7 Gefängniswärter und 3 Privatpersonen, die die Waffen in die Haftanstalt eingeschleust haben sollen. Die Entwicklung der Ermittlungen um den Mord an den Abgeordneten hat unterdessen skurrile Ausmasse angenommen. Zum Grossteil ist dies auf deutliche Verfahrensverzögerung durch die Justizinstanzen zurückzuführen. Bereits seit März stand der unabhängige Abgeordnete Manuel de Jesús Castillo Medrano, der einst der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE) angehörte, unter Verdacht, einer der Drahtzieher des Verbrechens zu sein. Zu jener Zeit genoss Castillo, bekannt auch als "Manolito", aufgrund seines Kongressmandats Immunität und wurde bei den Wahlen im September zum Bürgermeister von Jutiapa gewählt. (siehe ¡Fijáte! 394) Doch im Verlauf der Ermittlungen, die zum Teil in der Überprüfung von Telefonanrufen bestand, tauchte ein gewisser "Montaña 3" - "Berg 3" in den Informationen auf, der nicht identifizierbar war. Und auch Manolito wollte dazu nichts sagen, obwohl diverse Anrufe zwischen seinem und dem Telefon des Unbekannten registriert waren, kurz vor, während und nach der Tat. Aber erst Ende des Jahres entschied die regionale Dependance des Höchsten Gerichtshofes (CSJ), dem Abgeordneten seine Immunität zu entziehen, da sich der kriminelle Verdacht gegen ihn verdichtet hätte; wenige Tage später wurde ebenso hinsichtlich seiner Bürgermeisterimmunität entschieden, die er ab dem 16. Januar 2008 sicher gehabt hätte. Vorgeworfen wird ihm besondere Beihilfe, da er den "3. Berg" nicht identifizieren wollte, und illegale Vereinigung, da er mutmasslich im Drogenhandel aktiv ist. Doch zwischen Immunitätsentzug, Anklage und der Ausführung des Haftbefehls hatte Castillo ausreichend Zeit zu verschwinden und ist trotz zahlreicher Razzien nicht lokalisiert worden. Angeblich sei er seit Weihnachten observiert worden, bis er eines Tages aus seinem Haus ging und nicht mehr auftauchte. Die inzwischen internationale Suche nach ihm hielt den Abgeordneten aber nicht davon ab, Mitte Januar persönlich beim Kongress anzurufen, um nachzufragen, wie er an sein ausstehendes Gehalt und die Spesen für Januar käme. Selbstverständlich sei er bereit, seiner Verpflichtung als scheidendes Kongressmitglied gemäss den Laptop und das Mobiltelefon zurückzugeben, die ihm für seine Amtszeit zur Verfügung gestellt worden waren. So geschah es und Castillo erhielt seinen Scheck. Als Mitte Januar dann die BürgermeisterInnen vereidigt wurden, hatte der Stadtsekreträr in Jutiapa zwei Akten dabei, eine mit dem Namen und Daten von Castillo und eine mit denen des ersten Stadtrates, für den dann eingetretenen Fall, dass Castillo aufgrund der legalen Vorwürfe gegen ihn nicht erscheine und dann automatisch der Stadtrat interim den Posten einnehme. Unterdessen wurde nach neun Monaten der Suche die Person mit dem Decknamen "Montaña 3" gefasst. Dabei handelt es sich um den 35jährigen Carlos Alberto Gutiérrez Arévalo, einem Geschäftsmann, der aus einer Ortschaft des Bezirks "la Montaña" stammt, gelegen in Castillos "Operationsregion" Jalpatagua, Jutiapa. Er war letztendlich als Gefängnis-Besucher von drei weiteren wegen des "PARLACEN-Falls" sitzenden Häftlingen aufgefallen und wurde zusätzlich noch von jemandem beschrieben. Derweil sind sechs Personen und zwei Polizisten in diesem Zusammenhang in Untersuchungshaft. Nach oben |
Gutiérrez Arévalo ist den Ermittlungen zufolge indes als Anführer von Gruppen bekannt, die aus Polizisten und Zivilisten bestehen und auf der Strecke zwischen El Salvador und Jutiapa salvadorianische TouristInnen überfallen. Im Fall der Abgeordneten gilt er als wichtiges Glied in der Kette, aber nicht als intellektueller Kopf hinter dem Verbrechen. Anfänglich bestritt Montaña 3 noch jegliche Verbindung zu Manolito, doch die Telefonüberprüfung und Bilder in einem Fotoalbum, das in seinem Wohnhaus gefunden wurde, widerlegen seine Behauptung. Und ein weiterer Tatbestand: Auf einmal stellt sich heraus, dass Gutierrez Arévalo in den Jahren 2005 und 2006 im Kongress angestellt war, als persönlicher Assistent vom Abgeordneten Castillo. Bei einem Gehalt von 7.500 Quetzales monatlich tauchte er laut der Kongressdokumentation nicht einmal an seinem vermeintlichen Arbeitsplatz auf. Diese Erkenntnis kann Gutiérrez eine zusätzliche Klage wegen Betruges und eines besonderen Falles der Täuschung bescheren. Von Manuel Castillo fehlt indes weiterhin jede Spur. Nichtsdestotrotz gelang es ihm erneut, die guatemaltekische Justiz zum Besten zu halten. Während ein starkes Polizeiaufgebot mit der Suche nach ihm beschäftigt ist und zahlreiche potentielle Verstecke und Aufenthaltsorte belagert, ging gegen Ende Februar eine Nachricht durch die Presse, deren Geschehen bereits eine Woche zurück lag: Just am 19. Februar, genau ein Jahr nach dem Verbrechen an den PARLACEN-Abgeordneten, tauchte Manolito - nach Aussagen einiger wohl verkleidet - auf einer Stadtratssitzung in Jutiapa auf, zeigte ein Dokument des Obersten Wahlgerichts (TSE) vor, auf dem seine Wahl zum Bürgermeister bestätigt wurde und forderte den versammelten Stadtrat auf, ihn als solchen nun zu vereidigen. Ebenfalls wurde bekannt, dass er mit Applaus willkommen geheissen wurde. Und die FunktionärInnen ernannten ihn unter Vorsitz des Interimsbürgermeisters offiziell und dokumentiert zum Stadtvorsteher. Damit meint Castillo, seine Immunität wiedererlangt zu haben, sein Anwalt forderte entsprechend die Staatsanwaltschaft auf, die Anzeigen und den Haftbefehl gegen seinen Mandanten aufzuheben. Zum einen erklären RechtsexpertInnen jedoch, dass diese Tatsache schlicht falsch sei, zum anderen wurden inzwischen acht der Stadtratsmitglieder festgenommen - vier sind noch auf freiem Fuss. Allein jener Interimsbürgermeister ist ob seines Amtes noch zumindest "immun". Den anderen wird besondere Beihilfe, Autoritätsmissbrauch und ideologische Fälschung vorgeworfen. Sie hätten in dem Moment gegen das Gesetz verstossen, den mit Haftbefehle gesuchten Castillo nicht gleich den Autoritäten zu melden und ihn dann auch noch in ein öffentliches Amt zu heben. Die seit Januar in Jutiapa stationierten Sondereinsatzkräfte der Polizei wollen nichts gesehen haben und behaupten, es habe sich nicht um eine ordentliche Sitzung im Rathaus gehandelt, sondern das Treffen hätte irgendwo ausserhalb der Stadt geheim stattgefunden. Manolito ist derweil wieder untergetaucht. |
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