Besuch der US-Aussenministerin in Guatemala: Welche politischen und wirtschaftlichen Ziele verfolgen die USA in Lateinamerika?
Fijáte 461 vom 26. Mai 2010, Artikel 1, Seite 1
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Besuch der US-Aussenministerin in Guatemala: Welche politischen und wirtschaftlichen Ziele verfolgen die USA in Lateinamerika?
Inforpress berichtete am 12. März 2010 (Edition 1838) über den Besuch von Hillary Clinton, US-Aussenministerin und Ehefrau des Expräsidenten Bill Clinton, welche von Barak Obama zur Diplomatiebeauftragten ernannt wurde, und nach vielen Kritiken jetzt zu wissen scheint, was zu tun ist: Die nordamerikanischen Interessen in Lateinamerika (LA) zu vertreten und voranzutreiben. Durch Interviews mit verschiedenen Fachleute und der Analyse ihrer Artikel zeigt Inforpress auf, inwieweit die lateinamerikanischen Rohstoffreserven wichtig sind für die USA und dementsprechend ihre Politik bestimmen. Was wollte die US-Aussenministerin Hillary Clinton in Guatemala? Während fünf Tagen tourte sie Anfang März durch Lateinamerika - eine Besuchsreise, die mit der Gründung der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten zusammen fiel. Laut ExpertInnen bedeutet der Staatsstreich in Honduras eine Risikosituation für Zentralamerika und erklärt ausserdem die Präsenz Clintons in der Region zu einem Zeitpunkt, in dem der kürzlich gewählte Präsident Porfirio Lobo Unterstützung braucht - eine Unterstützung, die nicht in der ganzen Region zu finden ist. Ein anderer wichtiger Aspekt der nordamerikanischen Interessen betrifft die Sicherung der Naturrohstoffvorkommen in Lateinamerika, die durch den Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus überdeckt wird. Letztes Jahr veröffentlichte John Saxe-Fernandez, Forscher der Nationalen Autonomen Universität Mexikos UNAM, eine Rede über "Lateinamerika-USA: strategische Abhängigkeit und Krise", in welcher folgende These präsentiert wird: Die geopolitischen Prinzipien der USA entsprechen den Bedürfnissen ihrer kapitalistischen Entwicklung. Daraus erfolgt die US-amerikanische Präsenz und Ausbreitung in Lateinamerika mit der Idee, dass es keine andere Macht oder Nation geben darf, die den wirtschaftlich-militärischen Kapazitäten der USA gleichkommt und deren Hegemonie gefährdet. Laut einem Gespräch mit Iduvina Hernández, Direktorin der Organisation Sicherheit und Demokratie (SEDEM), "ist es offensichtlich, dass dies kein normaler Besuch war. Er fand im Rahmen der aussenpolitischen Agenda der USA statt. Diese Agenda bzw. die Politik der USA lehnt sich stark an die Krisenverwaltung an, sei es die der Unregierbarkeit oder die der Sicherheit." Mario Mérida, Sicherheitsexperte und Journalist von elPeriódico, setzt den Besuch mit der Weiterführung der Manifest Destiny-Doktrin ("offensichtliche Bestimmung": die der Expansion der USA) gleich und Thomas Jefferson zitierend fasst er das Ziel des nordamerikanischen Staates zusammen: "Unsere Kraft - die der USA - erlaubt es uns, das Gesetz in unserer Hemisphäre festzulegen." Die wichtigsten Themen der Agenda Clintons umfassen drei Punkte: Kampf gegen den Drogenhandel, Kampf gegen transnationale Banden und die Krise in Honduras. Während Clinton vorwiegend in Südamerika unterwegs war, gab es für Zentralamerika nur ein Treffen aller Präsidenten (Nicaragua erschien nicht). An diesem Treffen wurden Themen des "gemeinsamen Interesses" besprochen. Themen "des gemeinsamen Interesses""Von welcher Krise sprechen wir?", fragt Iduvina Hernández in Bezug auf die "Krisenverwaltung", welche die USA anbietet. "Politisch gesehen war es natürlich nicht möglich, direkt nach Honduras zu gehen, um den Präsidenten Porfirio Lobo zu unterstützen. Deshalb war der Besuch in Guatemala und das Treffen mit den Präsidenten der Region einfacher und von politischem Nutzen, da es dabei half, die regionale Unterstützung Lobos in Honduras zu verfestigen." Laut Mark Weisbrot, Co-Direktor des Zentrums der Wirtschafts- und Politikstudien in Washington, war der Besuch Clintons in Lateinamerika genauso erfolglos wie der von George W. Bush 2005. "Allerdings erschien sie diplomatisch gesehen ungeschickter als Bush, der wenigstens wusste, dass es einige Probleme gab und wann er den Mund zu halten hatte. Clinton ihrerseits gab Sätze von sich wie: "Die honduranische Krise wurde zu einem erfolgreichen Abschluss geführt (...), welcher ohne Gewalt erlangt wurde." Damit hat sie nur Salz in offene Wunden gestreut, da manche Präsidenten die Absetzung von Mel Zelaya letzten Juni und die anschliessenden Anstrengungen der USA, die dort aufgezwungene Diktatur zu legitimieren, nicht nur als eine Katastrophe sehen, sondern auch als eine Bedrohung der Demokratie in der gesamten Region. Nach oben |
Gemäss Iduvina Hernández kann dies für die Länder der Region schlimme Folgen haben, da es Staatsstreiche sozusagen legitimiert und für straffrei erklärt. Des weiteren seien die ultrarechten Oligarchien in Zentralamerika gestärkt worden, deren Verbrechen der Vergangenheit bis heute ungestraft blieben. Ausserdem seien die Aussagen Clintons beleidigend, da die Staatsstreichregierung Ermordungen, Schlägereien, Massenverhaftungen und Tortur einsetzte, um ihre Macht zu erhalten und pro-demokratische Bewegungen zu unterdrücken. Migration, Drogenhandel, Terrorismus und andere DämonenIduvina Hernández analysierte ebenso das Thema Sicherheit und seinen Platz in der US-Agenda und erkennt keine essentiellen Veränderungen. "Ihre Hauptbefürchtung betrifft die sogenannte illegale, aus Zentralamerika kommende Einwanderung. Damit wird vom eigentlichen Problem abgelenkt, das verfolgt werden müsste: Die Netzwerke, die den Menschenhandel kontrollieren. Stattdessen werden unsere Länder in die Einwanderungspolizei der USA konvertiert." Der Drogenhandel ist eine andere Sorge der USA. Obwohl Clinton öffentlich anerkannte, dass ein Teil des Problems die enorme Nachfrage nach Drogen von Seiten der nordamerikanischen Bevölkerung ist, wird weiterhin nur der Drogenhandel bekämpft. Somit wird der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen, das heisst, die kriminellen Strukturen, die mit Transport und Handel der Drogen Richtung USA im Zusammenhang stehen, werden nicht verfolgt. Auch wird geflissentlich übersehen, dass durch die Drogenaktivitäten Gelder legalisiert werden, die aus kriminellen Aktivitäten stammen. Es wird nur der Drogenhandel bekämpft, man zielt nicht auf das organisierte Verbrechen ab, welches institutionalisierte Strukturen besitzt, die offensichtlich ein Teil der mächtigen Wirtschaftsstrukturen der zentralamerikanischen Staaten sind, um nicht zu sagen der USA. Auch der sogenannte "Kampf gegen den Terrorismus" ist für Hernández eine von den USA aufgezwungene Agenda. Die Organisationen der Zivilgesellschaft, die diesen Kampf unterstützen, würden dadurch die Machenschaften der eigenen Regierungen aus dem Auge verlieren. Kontinentale StrategieDie USA waren schon immer eine Macht auf dem amerikanischen Kontinent und besassen jahrelang die unumstrittene Hegemonie. Diese wird von einer Eindringungsstrategie begleitet, die sich z.B. in der Initiative Mérida materialisiert, wie Boris Rodríguez vom Zentrum der Amerikastudien (CEA) sagt. So wurde am 30. Juni 2008 ein Gesetz von George W. Bush erlassen, welches 162 Milliarden US-Dollar zusätzlich für Ausgaben für die Irak- und Afghanistankriege zur Verfügung stellt, davon 465 Millionen US-Dollar für den Plan Mérida für Mexiko und Zentralamerika, um mit finanzieller, technologischer und logistischer Hilfe den Drogenhandel zu stoppen. Von diesem Geld erreichten aber lediglich 65 Millionen US-Dollar Zentralamerika, die Dominikanische Republik und Haiti. Saxe-Fernández erinnert daran, dass "die historische Verbindung zwischen den Militär- und Sicherheitsprogrammen und den Investitionen grosser US-amerikanischer Monopole in Lateinamerika sich verstärkt, wenn die nördliche Macht vor einer Krise steht, wie zum Beispiel jetzt mit dem drohenden Peak Oil. Um sich vor dieser US-amerikanischen Politik zu schützen, ist es unbedingt notwendig, die Souveränität über die nationalen Territorien zu behalten. Das bedeutet, dass die Rohstoffvorkommen in nationaler Hand und unter nationaler Gerichtsbarkeit bleiben müssen. Die Gier der Firmen und die wachsende Abhängigkeit vom Öl-, Gas- und Mineralienimport sind zwei Gründe für die USA, sich in Lateinamerika auszubreiten. Dies wird durch den Antidrogen- und Antiterrorkrieg ermöglicht." In den nächsten 20 Jahren wird die USA 31% mehr Öl und 62% mehr Erdgas benötigen, und Lateinamerika ist dabei, in Sachen Energie weltweit führend zu werden, da es grosse Reserven an Öl besitzt. |
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