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Das schwarze Gift des Dschungels

Fijáte 231 vom 21. März 2001, Artikel 2, Seite 1

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Das schwarze Gift des Dschungels

Ich bin überrascht: "Sie sagen, hier in der Nähe sei eine ölverschmutzte Stelle?" Cristobal Peréz bestätigt: "Ja, keine zwei Kilometer entfernt. Aber der Zugang ist schwierig."

Ein Pfad führt von der Strasse bis zu dem Bohrloch 102. Es gibt dort weder einen Zaun, noch ein Schild, das den Zugang verbietet. Der Platz sieht genauso aus wie die Bohrlöcher in Xan: alles sauber, viele kleine Bäumchen. Ein Schild bezeichnet diesen hübschen Garten als: "Ökologischer Park #2, der Hase".

Man muss bis zum Ende des Parks gehen, wo der Weg aufhört. Danach geht es weiter durch den dichten Dschungel. Die Pflanzen sind nass vom Regen der Nacht. Ameisen krabbeln in meine Stiefel. Moskitos attackieren meinen Hals. Grelle Sonnenstrahlen scheinen auf ein intensives Grün, das nur ab und zu von roten und gelben Blumen unterbrochen wird. Doch plötzlich tauchen schwarze Flecken auf dem Waldboden auf. Einige sind klebrig wie Kaugummi, andere hart wie Asphalt. Ich kann nicht weitergehen, ohne meine Kleidung mit Öl zu verschmieren. Schilfblätter voller Öl ragen meterhoch. Das Wasser der vier Tümpel und des kleinen Sees ist schwarz. Die Vögel zwitschern, aber nur die Vögel. Am Boden lebt kein Tier, nur Insekten. Der See ist tot, keine Fische, keine Frösche. Mindestens zwei Hektar sind bedeckt mit schwarzem Gift.

Was vor mir liegt widerspricht all den schönen Worten, die mir die Verantwortlichen von BASIC RESOURCES gesagt haben. Die Verschmutzung ist nicht neu. Die Stelle ist schon seit über vierzehn Jahren verseucht. Seither hat sich niemand darum bemüht, den Boden zu säubern.

Ich mache Fotos von einer ölverschmierten Bucht, von scheusslichen Flecken auf den Bäumen und von schwarzem Gras. Meine Stiefel rutschen ab. Ich stehe in stinkendem Wasser. Meine Knie werden weich. Ich entscheide mich, sofort in die Hauptstadt zurückzukehren, um die Fotos in Sicherheit zu bringen.

Der Rückweg scheint endlos. Es regnet. Während der achtstündigen Fahrt muss ich ständig an die grosse Lüge des Konzerns denken. Ich werde mit einer Videokamera zurückkehren, um mehr Beweise zu haben.

Wie im Krimi

Zwei Tage später bin ich wieder in Rubelsanto. Die Atmosphäre hat sich verändert. Die Verwalter der Förderstation haben von meinen Recherchen erfahren. Ein Wachposten steht am Eingang des Bohrlochs 102. Autos fahren hin und her. Offenbar haben sie begonnen, die Verschmutzung zu säubern. Das wird einige Tage lang dauern. Jedenfalls kann ich nicht mehr zurück zu den Tümpeln.

Mir ist schwindelig, ein wenig Fieber. Ich gehe noch einmal zu der Gesundheitsstation. Der Krankenhelfer Manuel Estrada ist nicht mehr da. An seiner Stelle öffnet mir ein Arzt mit grimmigem Blick. Wir sprechen über die Krankheiten in der Region. Er will seinen Namen nicht sagen und schon gar kein Interview vor der Kamera geben. Stattdessen beginnt er, mich auszufragen: "Wie heissen Sie?" "Für wen arbeiten Sie?" "Haben sie eine Erlaubnis hier zu recherchieren?"

Ich nenne ihm meinen Namen und sage, dass ich ein selbständiger Journalist aus VGDeutschlandNF bin. Eine Erlaubnis, um durch den Wald zu gehen oder mit den Menschen in Rubelsanto zu sprechen, brauche ich wohl nicht.

Ich möchte gehen, aber der Arzt verwickelt mich in eine Diskussion. Plötzlich tauchen zwei Herren von der Unternehmensverwaltung auf. Auch sie möchten ihre Namen nicht nennen. Aber sie sind freundlich. Sie bieten mir ihre Unterstützung an, weil es besser sei, wenn ich mit ihnen direkt spreche, anstatt "dritte Personen" zu interviewen. Ich bedanke mich und wir vereinbaren, dass ich sie am nächsten Morgen aufsuchen werde.

Die Leute in der Siedlung wollen mir keine Interviews mehr geben. Alle wissen, dass mir Cristobal Peréz von der Verschmutzung berichtet hat. Einer seiner besten Freunde möchte nicht mehr mit ihm sprechen. Er ist wütend, weil Cristobal seiner Meinung nach "la compañía" verraten habe. Die Verantwortlichen von BASIC RESOURCES haben mehreren Personen Arbeit gegeben, mit der Auflage, dass sie mit niemandem über die Säuberungsaktion sprechen.

Ich bin auf dem Weg nach Playitas, wegen des Zimmers. Plötzlich überholt mich ein Wagen von BASIC und versperrt mir den Weg. Ein Mann steigt aus. Er lacht mich an: "Ein Freund möchte mit Ihnen sprechen." Ich wusste nicht, dass ich Freunde im Dschungel habe. Er reicht mir ein Telefon. In der Leitung ist Rodolfo Sosa. Der Präsident von BASIC RESOURCES macht sich den Aufwand, mich im Urwald aufzustöbern! Das letzte Mal musste ich rund zwanzig Mal anrufen, um ein Interview mit ihm zu bekommen. Diesmal scheint er nervös zu ein. Er möchte mir "einige Dinge erklären". Er sagt, die Station von Rubelsanto sei älter als die von Xan. Früher hätten andere Unternehmen hier gearbeitet. Jetzt bemüht sich seine Firma darum, die Verschmutzung zu säubern, die die anderen zurückgelassen haben.

Ich schlage vor, dass ich ihn gleich nach meiner Rückkehr in die Hauptstadt anrufen werde. Er hält das für eine gute Idee. Ich möchte ihn fragen, warum so viele Jahre vergehen mussten, bevor das Unternehmen endlich mit dem Saubermachen begonnen hat.

Der Mann von BASIC bietet mir eine Unterkunft in den Wohnblöcken der Förderstation an. Ich willige ein, um nicht noch mehr Besorgnis zu erregen. Aber zuerst fahre ich nach Playitas. Ich möchte den nahegelegenen Fluss VGChixoyNF filmen. An den Holzwänden der Hütten ist deutlich zu sehen, dass das Hochwasser während der Regenzeit das ganze Dorf versenkt hat. Das Wasser ist bis zu den Dächern gestiegen. Jedes Jahr müssen die BewohnerInnen ein paar Tage lang anderswo unterkommen, während sich das Öl der verschmutzten Bohrlöcher über ein riesiges Gebiet ausbreitet.

Es wird dunkel. Ich besuche das schäbige Bordell vor den Wohntrakten von BASIC. Die Frauen wissen wer ich bin. Sie behandeln mich freundlich. Wir sprechen über das Unternehmen. Sie sagen, sie seien in den Urwald gekommen, weil sie in ihrem Gewerbe gut an den Männern von BASIC verdienen. Der Doktor kontrolliert die Tür. Er stellt sicher, dass an diesem Abend keiner der Angestellten des Konzerns in die Spelunke kommt. Niemand soll mit mir sprechen.

Öliges Wasser

Ein kleiner Junge kommt zu mir an die Bar. Er sagt, dass vor der Tür ein Mann auf mich wartet. In der Dunkelheit erkenne ich eine dunkelhäutige, muskulöse Gestalt - Typ Leibwächter. Er nennt keinen Namen, sagt mir aber, dass er in Rubelsanto lebt. Er erwähnt weitere verschmutzte Stellen und erklärt, er sei froh über meinen Besuch. Nach und nach fasse ich Vertrauen. Wir verlassen die Strasse und unterhalten uns an einem geschützten Ort. Jetzt berichtet er: "Es hat Sitzungen gegeben, in denen über Sie gesprochen wurde. Man will mit Ihnen reden, um zu sehen, ob sich eine Lösung finden lässt, damit alles wieder ruhig wird. Das ist immer so. Wenn jemand kommt und eine Untersuchung macht, dann kaufen sie ihn sich."

Er erklärt mir den Weg zu einer anderen verschmutzten Stelle.

Am nächsten Morgen stehe ich vor Morgengrauen auf, lange bevor die Arbeiter in den Wohntrakten aufwachen. Der Wachposten am Eingangstor lässt mich raus. Die Strasse ist leer. Das Dorf ist dunkel. Ich fahre den beschriebenen Weg bis in die Nähe vom Bohrloch 101. Diesmal ist der verseuchte Tümpel nicht weit entfernt von der Strasse. Die aufgehende Sonne erlaubt es mir, das ölige Wasser zu filmen. Der Waldboden in der Umgebung ist bedeckt von einer dicken schwarzen Schicht. Es stinkt nach Benzin. Die Moskitos sind begeistert. Sie bedecken mich mit Stichen. Der Boden hier ist seit den ersten Bohrungen verseucht, seit über zwanzig Jahren. In nur wenigen Metern Entfernung führt eine Pipeline an dem Tümpel vorbei. Ich kann nicht glauben, dass keiner der Verantwortlichen des Umweltschutzprogramms und kein Beauftragter des Energieministeriums diese Verschmutzung je gesehen hat.

Ich jedenfalls habe innerhalb weniger Minuten genug gesehen. Ich gehe zu dem Haus des Mannes, um ihm zu danken. Danach möchte ich sofort abfahren. Er besteht darauf, mich zu begleiten: "Die Chefs sind wütend. Sie sind sehr böse darüber, dass du das Öl gesehen hast. Du musst auf dich aufpassen. Es ist gefährlich."

Die Leute im Ort haben erfahren, dass er mit mir gesprochen hat. Er möchte, dass ich seinen Namen in meinem Artikel nenne, damit ihm die Öffentlichkeit einen gewissen Schutz bietet. Alfredo Ramirez fährt mit mir mit, bis wir das Gebiet verlassen haben, das von "la compañía" kontrolliert wird. Dann verabschieden wir uns.

Auf der Fahrt in die Hauptstadt denke ich über das Geschehene nach. Ich habe die Verschmutzung nahe der Bohrlöcher 101 und 102 von Rubelsanto gesehen. Offenbar gibt es noch mehr. Die Umgebung der Bohrlöcher 103, 104, 107, Tierra Blanca und Caribe müssten untersucht werden.

Des weiteren habe ich erfahren, dass BASIC in einigen alten Bohrlöchern einen zweiten Brunnen gebohrt haben soll. Die Rohre sind unterirdisch umgeleitet worden, so dass es schwierig ist, den zweiten Brunnen zu entdecken. So kann der Konzern Öl fördern, für das er keine Steuern zahlt. In dem Bohrloch 107 gibt es womöglich einen zweiten Brunnen, von dem die Regierung nichts weiß.

Ich habe gehört, dass vor einiger Zeit die Leiche eines Kontrolleurs des Energieministeriums am Ufer des Rio Chixoy gefunden wurde. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Ich bin besorgt um das Wohlergehen meiner InformantInnen und ihrer Familien. Sie sind mutige Menschen und VerteidigerInnen der Wahrheit.


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