Ignoranten unter sich
Fijáte 217 vom 30. Aug. 2000, Artikel 1, Seite 1
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Ignoranten unter sich
Wie bereits im ¡fijáte! Nr. 210 vom 24. Mai 2000 berichtet, hat die US-amerikanische Solidaritätsgruppe Rights Action anlässlich der Frühjahrssitzung der Weltbank eine Wiedergutmachungsklage für die Opfer des Massakers von Río Negro angestrengt. Im Rahmenprogramm dieser Sitzung wurden bei einer ganztägigen Konferenz an der amerikanischen Universität in Washington Vorträge zu Themen rund um die Globalisierung gehalten. In der Mittagspause dieser Konferenz konnte zufälligerweise ein persönliches Gespräch zwischen James Wolfensohn, Präsident der Weltbank, Stanley Fischer, Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Ben Ladner, Präsident der amerikanischen Universität, aufgenommen werden, weil die Herren vergassen, ihre Knopflochmikrofone auszuschalten. Ein unabhängiges Medienzentrum in Philadelphia hat die Aufnahmen transkribiert und per Internet veröffentlicht. Rigths Action hat diejenigen Stellen, die im Zusammenhang mit der Wiedergutmachungsklage für die Chixoy-Damm-Vertriebenen relevant sind, kommentiert. (Das vollständige Transkript kann auf http://www.nisgua.org/AU.html eingesehen werden.) Rights Action betont, dass die Aufnahmen nicht durchgehend einwandfrei verständlich sind und keineswegs als offizielle Stellungnahme der Weltbank gelesen werden können. Sie gäben aber sicherlich Aufschluss über die persönliche Haltung und das Einfühlungsvermögen der Verantwortungsträger. Wir veröffentlichen hier diejenigen Passagen des Gesprächs, in denen es um die Wiedergutmachung an den Opfern der Massaker von Río Negro geht. Wir wollen damit aufzeigen, dass es eine grosse Diskrepanz gibt zwischen den in der Öffentlichkeit gemachten Zugeständnissen (z.B. der guatemaltekischen Regierung bezüglich der Wiedergutmachung in zehn Fällen von Menschenrechtsverletzungen) und der persönlichen Einstellung der Verantwortlichen zu ihren Taten. Auf diesem Hintergrund ist die Forderung vieler Menschenrechtsorganisationen zu verstehen, die sich nicht mit einer finanziellen Abspeisung begnügen wollen und eine Strafverfolgung der Täter und Gerechtigkeit für die Opfer verlangen. Wiedergutmachung ist ein gegenseitiger Prozess und solange ein Denken wie dasjenige von Wolfensohn und Konsorten vorherrscht, wird ein solcher Prozess niemals in Gang kommen. Transkribierte Gesprächsausschnitte, die das Chixoy- Damm-Projekt in Guatemala betreffenJ.W.: alles ist sehr subjektiv... sie brachten eine indigene Person, die 1975 umgesiedelt wurde ... (B.L.: jawohl) ... und deren Familie ruiniert wurde ...(B.L.: richtig) ... und jetzt machen sie uns verantwortlich für die Probleme von Guatemala ...(B.L.: richtig) ... und wir sagen, dass dort 32 Jahre Bürgerkrieg war und Zehntausende umgebracht wurden, und dass dies wahrscheinlich nichts mit dem Projekt zu tun hat ...(B.L.: richtig) ... aber dann wird wieder irgend jemand ein Buch schreiben, um .... das macht die Antwort sehr schwer ...(B.L.: oh, ja, richtig) ... also suchst du weiter und beschäftigst dich mit den Details, mit den Chixoy-Indianern, so wie wir es machen, etc....(B.L.: richtig) ... und dann sind sie zuerst einverstanden und wir meinen, das ganze Ding gelöst zu haben. Und jetzt kommt ein anderer Chixoy-Indianer, der sagt "Gut , wir schätzen was ihr gemacht habt, aber jetzt wollen wir Wiedergutmachung und Schadenersatz ...(B.L.: Ha ha ha ha ha ) ... und so haben wir ein ...(B.L.: ihr müsst alles wieder von vorne anfangen)... einen Indianer hier, der sehr gewillt ist, es zu tun. Und diese indigenen Leute, ich denke nicht, dass sie keine Probleme hatten, aber sie sind auch clever ...(B.L.: sicher) ... Also die kommen und denken, "das ist ein recht guter Weg, ein bisschen Geld zu machen", ja ...(B.L.: richtig, richtig) ... St. F. Und du kannst nichts über die Opfer sagen, weisst du, es ist ... B.L.: nein, ausgeschlossen. St.F. Gut, viele der Diskussionen laufen auf der Ebene "da gibt es ein Problem und du bist hier, also bist du schuldig". Kommentar von "Rights Action"Schon die Bezeichnung "Chixoy-Indianer" ist unkorrekt. Es handelt sich bei den umgesiedelten Indígenas um Angehörige der Achí Maya-Bevölkerung. Die Person, die im März/April 2000 in die USA und nach Kanada kam, war Carlos Chen Osorio, ein Überlebender der vier Massaker von Río Negro. Seine schwangere Ehefrau und zwei Kinder waren unter den 177 Frauen und Kindern, die im zweiten Massaker von Río Negro vom 13. März 1982 ermordet wurden. Wenn James Wolfensohn kommentiert "...und jetzt machen sie uns verantwortlich für die Probleme von Guatemala...", verzerrt er die Argumente von Rights Action bezüglich der Rolle der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank in den Río Negro- / Chixoy-Damm-Massakern. Die Verantwortung der Banken ist eindeutig erwiesen. Mit dem Entschluss, nahezu 300'000 US-$ an ein Militärregime zu zahlen, das im ganzen Land Repression ausübt (inklusive Genozid in den vor allem von Mayas bevölkerten Regionen), wurden die Banken mitverantwortlich für die Aktionen dieses Militärs, insbesondere im Zusammenhang mit dem spezifischen Projekt, das sie finanzierten: Dem Bau des Chixoy-Dammes. Nach oben |
Wolfensohn sagt weiter: "... und wir sagen, dass dort 32 Jahre Bürgerkrieg war und Zehntausende umgebracht wurden, und dass dies wahrscheinlich nichts mit dem Projekt zu tun hat..." Erstens beunruhigt es, wie der Präsident der Weltbank so beiläufig zugibt, dass die Weltbank wusste, dass sie mit einem Militärregime verhandelte, in einem Land, wo Zehntausende umgebracht wurden. Ausserdem bestätigt die US-Wahrheitskommission, dass die Opfer der Massaker hauptsächlich Mayas waren und die Zahl der Toten über 200'000 liegt. Diese wurden mehrheitlich zwischen 1978 und 1983 ermordet - in den Jahren des Chixoy-Dammbaus. Noch wichtiger ist aber, dass Wolfensohn's Aussage einen zentral wichtigen Punkt des Diskurses nennt. Die Weltbank versucht nämlich, damit zu argumentieren, dass ihre massive finanzielle Unterstützung nichts mit der Repression rund um das Chixoy-Dammbau-Projekt zu tun hatte. Ohne hier in die Details zu gehen, lohnt es sich, die Weltbank an die Untersuchungen der guatemaltekischen Wahrheitskommission (CEH) zu erinnern. Diese zeigt eine konkrete Verbindung auf zwischen den Repressionen gegen diejenigen, die sich der Umsiedelung entgegenstellten und dem Bau des Staudammes. Ein guatemaltekischer Beamter sagte in den Untersuchungen der CEH aus: "Um die Leute wegzukriegen, mussten wir sie entweder dazu überreden oder zwingen. Verhandeln mit denjenigen, die wollten, und diejenigen zwingen, die nicht wollten." Die Wahrheitskommission zieht den Schluss, dass der friedliche Widerstand der Bevölkerung mit Gewalt und Repression zerschlagen wurde. Weiter sagt Wolfensohn: "...und dann waren sie einverstanden und wir haben das ganze Ding gelöst. Und jetzt kommt ein anderer Chixoy-Indianer, der sagt "Gut, wir schätzen, was ihr gemacht habt, aber jetzt wollen wir Wiedergutmachung und Schadenersatz ..." Mit dieser Aussage behauptet Wolfensohn also, es werde Manipulation betrieben, indem verschiedene Repräsentanten der Region zu verschiedenen Zeiten auftreten. Das ist nicht der Fall. Zudem behauptet er, dass die Weltbank das ganze Problem gelöst hat. Die Rights Action weist diese Behauptung zurück. Die Weltbank hat zwar auf Grund der Publikation von Witness for Peace aus dem Jahre 1996 einige wenige Schritte unternommen, um die schrecklichen Bedingungen zu verbessern, unter denen die Überlebenden der Massaker von Río Negro leben. Dennoch muss festgehalten werden, dass die Opfer bis heute unter weit schlechteren Bedingungen leben als vor ihrer Vertreibung. Es ist nur logisch, dass die überlebenden Gemeindemitglieder volle und gerechte Wiedergutmachung fordern. Wäre Wolfensohn selbst ein Überlebender der Massaker und zur Umsiedlung gezwungen worden, würde er bestimmt anders reden. Im weiteren sagt Wolfensohn, "...und diese indigenen Leute, ich denke nicht dass sie keine Probleme hatten, aber sie sind auch clever. Also die kommen und denken, "das ist ein recht guter Weg, um ein bisschen Geld zu machen". Diese extreme Aussage spricht für sich selbst. Wir können Wolfensohn und andere Vertreter der Weltbank nur einladen, nach Rabinal zu kommen und mit den Überlebenden von Río Negro zu sprechen. Rights Action lädt die Vertreter der Weltbank dazu ein, ihre Herzen zu öffnen und die Geschichte der Massaker anzuhören, die Geschichte der Folter, der Flucht und des Überlebens. Dann könnten sie selbst entscheiden, ob die Überlebenden einfach daran interessiert sind "ein bisschen Geld zu machen". |
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