(Aldo Mario René Tobar Gramajo)
Fijáte 288 vom 2. Juni 2003, Artikel 3, Seite 2
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(Aldo Mario René Tobar Gramajo)
Kaffeeernte und Hausarbeit: Guatemaltekische MigrantInnen im Süden Mexikos ,,In Guatemala gibt es nun mal kaum Arbeit", erzählt Marcela. Sie ist eine 15jährige Guatemaltekin, die gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder zur Kaffeeernte auf die mexikanische Finca Hamburgo gekommen ist. Einen Tagesmarsch haben sie gebraucht, um von San Marcos aus die guatemaltekisch-mexikanische Grenze zu überqueren und hierher zu kommen. Dabei hat sich Marcela den Fuß verletzt, der stark angeschwollen ist und schmerzt. Auf der Finca Hamburgo gibt es keinerlei ärztliche Versorgung: keinen Arzt, keine Krankenschwester und nicht einmal die Möglichkeit, eine Aspirin zu kaufen. Etliche Kinder haben Infektionen, Allergien und Hautentzündungen, denn auch sie arbeiten von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends mit ihren Eltern in den Steilhängen, wo der Kaffee angebaut wird, und sind in ständigem Kontakt mit den Chemikalien, die auf die Pflanzen gesprüht werden. Die guatemaltekischen ErntehelferInnen sind in dunklen, stickigen Räumen unterhalb der Anhöhe untergebracht, auf der die grosszügig gebaute Villa desPlantagenbesitzers steht. Acht Familien schlafen auf Holzpritschen in einem Raum, der nicht einmal einer Familie genug Platz bieten würde. Mit Plastikvorhängen sind die Betten notdürftig abgehängt, um für die Monate auf der Finca ein bisschen Privatsphäre zuzulassen. Toiletten und Wasserversorgung gibt es nicht für die ca. 300 ArbeiterInnen. Auf den meisten Fincas erfolgt die Bezahlung nach Leistung. Für eine Kiste Kaffee, ca. 70 Kilo gepflückter Kaffeekirschen, bekommen die LandarbeiterInnen 40 Pesos (das entspricht 4 Euro) ausgezahlt. Eine Familie schafft es, an einem Arbeitstag ein bis zwei Kisten zu füllen. Von diesem Betrag werden allerdings pro Person und pro Mahlzeit etwa 8 Pesos für eine dünne Bohnensuppe, ein paar Tortillas und eine Tasse Kaffee abgerechnet, die in der Küche der Fincas zweimal täglich ausgeteilt werden. Wenn zwei Leute zusammen am Tag eine Kiste füllen, werden ihnen von den 40 Pesos also noch 32 für die Mahlzeiten abgezogen. Übrig bleiben 8 Pesos, um- gerechnet 80 · -Cent pro Tag. Allerdings wird den ArbeiterInnen der Lohn erst nach einem Monat ausgezahlt, von diesem gehen dann noch alle angefallenen Ausgaben im Finca-Laden ab, wie z.B. zusätzliches Essen und Seife. Die meisten der Männer und Frauen haben keine Vorstellung davon, was bei dieser Lohn-Kosten-Rechnung am Ende für sie herauskommt. Und so verlassen einige die Finca sogar mit Schulden. Die temporäre Migration von guatemaltekischen LandarbeiterInnen in die Region des Soconusco, wo die umsatzkräftigsten Kaffeeplantagen Mexikos zu finden sind, blickt auf eine lange Tradition zurück. Waren es früher hauptsächlich mexikanische Indígenas aus dem Hochland, die auf die Plantagen kamen, so sind heute die Löhne so minimal, dass nur noch die guatemaltekischen MigrantInnen kommen. Die Landwirtschaft der Region basiert somit fast ausschliesslich auf den billigen Arbeitskräften aus dem Nachbarland. Der mexikanische Staat vergibt jährlich inzwischen rund 70´000 temporäre Arbeitsgenehmigungen an guatemaltekische SaisonarbeiterInnen. Mit diesen reisen meistens noch zahlreiche Familienangehörige ein, und auch ohne Papiere überqueren viele ArbeiterInnen zur Erntezeit die Grenze, um auf die Fincas zu gehen. Die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Fincas haben sich seit Jahrhunderten kaum verändert. Immer noch hängt es von der Willkür der Verwalter und Plantagenbesitzer ab, ob die minimalen Löhne auch tatsächlich ausgezahlt werden. So berichtet das Menschenrechtzentrum Fray Matías de Córdova von einem Fall im Herbst 2002, bei dem 49 LandarbeiterInnen vier Monate auf einer Finca gearbeitet hatten und keinen Centavo dafür bekamen. Solange kein internationaler Druck ausgeübt wird, ist keine Veränderung dieser Situation zu erwarten. Im Gegenteil, das Sinken des Kaffeepreises auf dem Weltmarkt erhöht den Druck auf die Fincabesitzer, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Nur wenn die AbnehmerInnen des Kaffees in Deutschland und anderswo die Einhaltung von Mindeststandards einfordern, verbessert sich die Situation der ArbeiterInnen. Nach oben |
So richtete die Finca Irlanda, die biodynamischen Öko-Kaffee über die Firma demeter verkauft, zumindest eine kleine Krankenstation und eine Schule ein. Doch nur der Kauf von in Kooperativen angebautem und fair gehandeltem Kaffee unterstützt wirklich eine von Ausbeutung weitestgehend freie Form des Kaffeeanbaus. Während auf die Fincas im Soconusco ganze Familien aus Guatemala migrieren, finden guatemaltekische Frauen und Mädchen auch Arbeit in den Haushalten der mexikanischen Städte. Wegen der äusserst niedrigen Löhne (600-800 Pesos im Monat, ca. 60-80 ·) ist es nicht nur in der Oberschicht, sondern auch in der breiten Mittelschicht sehr geläufig, eine guatemaltekische Hausangestellte zu haben. Diesen ist nicht nur die Hausarbeit überlassen, sie sind oft auch für die Versorgung und Erziehung der Kinder zuständig. Das bedeutet, dass sie, wenn auch sehr versteckt, eine wichtige Rolle in der Reproduktion der Region spielen. Die guatemaltekischen Mädchen und Frauen bleiben meistens für einige Jahre in Mexiko und fahren höchstens zu Weihnachten einmal nach Hause. Sie schicken aber beständig Geld an ihre Familien, um diese ökonomisch zu unterstützen. Manche Mädchen kommen schon im Alter von 11 Jahren nach Mexiko, um als Hausangestellte zu arbeiten, der grösste Teil der Hausangestellten sind minderjährige Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren. Die meisten Mädchen geben zwar an, dass sie gut und respektvoll behandelt werden. Es gibt aber immer wieder Fälle, in denen die Arbeits- und Menschenrechte der Frauen verletzt werden. Die Patron@s der Haushalte nutzen dann den ungesicherten Aufenthaltsstatus ihrer Angestellten aus, um ihnen bei Unterbezahlung übermässige Arbeit abzuverlangen. Viele Mädchen berichten, dass sie verbal niedergemacht und gedemütigt werden, manche berichten sogar von Schlägen. Diese unmenschliche Behandlung zeigt, dass sie für manche Patron@s eher den Status einer Sklavin, als einer Angestellten haben. In den Haushalten wohnen einige nahezu abgeschlossen von der Aussenwelt, schlafen in Kammern ohne Luftzirkulation und Tageslicht, erhalten keine ausgewogene und ausreichende Ernährung. Manche Patron@s halten selbst den sehr niedrigen Lohn noch zurück, die Mädchen sehen sich dann gezwungen, weiterzuarbeiten, um das schon erarbeitete Geld nicht zu verlieren. Manchmal behält der/die Haushaltsvorsitzende auch die Papiere oder Wertsachen der Angestellten ein. Wenn das Mädchen auf den Lohn besteht, wird ihr dann oft Diebstahl vorgeworfen, dessen Anzeige die Abschiebung nach sich zieht. Die meisten Frauen wissen meistens nicht, dass sie juristisch gegen ihre ArbeitgeberInnen vorgehen könnten. Nach mexikanischem Recht können auch undokumentierte ArbeiterInnen ihren Lohn einfordern. Desgleichen verstossen MexikanerInnen nicht gegen Gesetze, wenn sie undokumentierte Personen einstellen. (Kathrin Zeiske) |
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