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"Ich gebe dir 24 Stunden..."

Fijáte 289 vom 16. Juli 2003, Artikel 1, Seite 1

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"Ich gebe dir 24 Stunden..."

Generalstaatsanwalt Carlos David de León schmälerte dagegen jegliche Bedeutung des Überfalls in unverschämter Weise und beschränkte sich darauf zu behaupten, dass es sich bei der Tat wahrscheinlich um eine von Zamora selbst inszenierte Show handelte. Der Journalist sei ein Lügner, währenddessen der Generalstaatsanwalt ein seriöser Mann sei, der keine Zeit für Seifenblasen und Dummköpfe habe. Der Präsident bräuchte sich um Zamora keine Sorge zu machen. Während der Abgeordnete der Regierungspartei im Parlament von Zentralamerika (VGPARLACENNF) Mario Rottmann zum einen der Meinung ist, dass sich Zamora in einer angeschlagenen wirtschaftlichen Karriere befinde sowie eine ausgewiesen parteiische Tendenz verfolge und zum anderen behauptet, dass derzeit keinE einzigeR JournalistIn im Land bedroht oder geschlagen werde, sieht die Realität doch etwas anders aus. Allein innerhalb von 72 Stunden seien sechs Klagen von JournalistInnen eingegangen, berichtet Sergio Morales vom VGMenschenrechtsprokuratNF (PDH). Bereits seit Mitte Juni summieren sich die Anzeigen wegen Morddrohungen und Einschüchterungsaktionen, unter denen die JournalistInnen im ganzen Land leiden. Dabei wird kein Pressemedium verschont, und es vergeht kaum ein Tag, an dem die Kommission für Pressefreiheit der JournalistInnenvereinigung von Guatemala (VGAPGNF) nicht einen Fall von Rechtsverletzung gegen eins ihrer Mitglieder öffentlich verurteilt. So bekommt Pablo Rax Chub, Direktor des Nachrichtensenders La Noticia, der über VGRadioNF VGCobánNF im VGAlta VerapazNF ausgestrahlt wird, bereits seit Mai vornehmlich via Telefon diverse Drohungen. Unter anderem berichtete er in seinem Programm über den illegalen Nutzen von Gemeindeverwaltungsgeldern durch FRG-AktivistInnen für den Wahlkampf. Rax Chub schliesst nicht aus, dass die Ermordung seines 18-jährigen Cousins wenige Tage zuvor im Zusammenhang mit den Einschüchterungen ihm gegenüber in Verbindung steht. Dem Direktor des Radio Tamazulapa in VGJutiapaNF wurde unterdessen ebenfalls per Telefon und wiederholt mitgeteilt, dass, sollte er weiter über angebliche Anomalien bei der Kandidatenwahl für den Bürgermeisterposten und die Differenzen zwischen den in der politischen Alianz VGGANANF sich beteiligenden Parteien Patriota und Movimiento Reformador berichten, "sie" kämen und ihn mit Kugeln durchsieben würden. Denn der bereits gekürte Kandidat Basilio Cordero werde Bürgermeister, koste es, was es wolle. Mit solchen und ähnlichen Situationen sehen sich auch der Programmleiter eines Radios in VGSololáNF und zahlreiche MitarbeiterInnen der schriftlichen Presse konfrontiert. Zehn Tage nach dem Überfall auf Zamora wurde in das Haus des ebenfalls bei elPeriódico arbeitenden Journalisten Luis Eduardo de León eingebrochen. Die Eindringlinge entwendeten neben Disketten von de León mit Informationsmaterial über einen in Korruption verwickelten Abgeordneten auch den Computer, Dateien und Papiere der Ehefrau von de León, der US-Amerikanerin Shannon Lockarth, die von 1998 bis 2001 im Erzbischöflichen Menschenrechtsbü-

ro (VGODHANF) beschäftigt war und u.a. an der Übersetzung des Berichtes zur Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses (VGREMHINF) mitgearbeitet hatte. In diesem sind die Verletzungen der VGMenschenrechteNF aufgelistet, die während des bewaffneten Konflikts v.a. vom Militär verübt wurden. Nachdem Luis Barillas, Korrespondent der Prensa Libre, der zudem für VGNuestro DiarioNF und ein Kommunalradio arbeitet, bereits telefonische Drohungen erhielt, wurde wenige Tage später eine selbst gemachte Bombe in sein Haus in VGRabinalNF, VGBaja VerapazNF, geworfen. Barilla hatte von den Vorkommnissen während Ríos Montts Wahlkampagne in Rabinal berichtet (siehe separater Artikel). Der Journalist hat sich aus Sicherheitsgründen zeitweilig in die Hauptstadt zurückgezogen. ,,Ich gebe dir 24 Stunden, dass du bei VGCeriguaNF kündigst, denn du hast mir schon alle Geduld geraubt wegen all der Veröffentlichungen, die es hier gibt. Wenn du meine Forderung nicht erfüllst, werden du und deine Familie die Konsequenzen spüren," war das, was die Korrespondentin des Nachrichtenzentrums Cerigua in VGSalamáNF, Baja Verapaz, Carmen Judith Morán Cruz, drei Mal hintereinander nachts am Telefon zu hören bekam. Ausserdem teilte ihr der Anrufer mit, dass sie noch einmal entkommen sei, da sie am vorherigen Samstag nicht zur Universität gegangen sei. Wenige Tage später wurde die Drohung konkreter: Da sie nicht auf ihn gehört habe, habe sie nun ,,verschissen", und jetzt würde das Spiel beginnen, da sie es so wollte. ,,Ich kontrolliere alle deine Bewegungen, es ist leicht, dich zu töten, aber ich werde es nicht tun. Sondern es werden dein Vater, deine Mutter oder jemand anderes deiner Familie sein." Zahlreiche Pressevereinigungen und Menschenrechtsorganisationen verurteilen die durch Terror versuchte Zensur gegen die JournalistInnen. Sie fordern den Schutz der Betroffenen sowie die zügige Aufklärung der einzelnen Fälle. Die sich häufenden Vorfälle der Bedrohung gegen jene, die sich trauen, den Mund aufzumachen, sind auch Anlass für nationale staatliche Organisationen, diplomatische Kreise und internationale Menschenrechtsinstitutionen sowie für Aussenminister VGEdgar GutiérrezNF, die internationalen Verantwortlichen wie MINUGUA bzw. die UNO dazu zu drängen, die Kommission zur Untersuchung illegaler paramilitärischer Verbände und VGklandestiner StrukturenNF (VGCICIACSNF) endlich zusammenzustellen.


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