Stan und die ,,humanitäre" Hilfe
Fijáte 346 vom 26. Okt. 2005, Artikel 7, Seite 4
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Stan und die ,,humanitäre" Hilfe
Guatemala, 17. Okt. Obwohl alle dazu aufrufen, die Nothilfe nicht zu politisieren und keinen persönlichen Gewinn daraus zu schlagen, ist zweifellos aus der einen oder anderen karitativen Handlung (wahl-)politisches Interesse bzw. das absolute Desinteresse an den tatsächlichen Bedürfnissen der auf Hilfe angewiesenen Bevölkerung auszumachen. Bei einem Treffen zwischen Regierungsinstitutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft, bei dem es darum ging, spezifische Bedürfnisse der Geschädigten auszumachen und Nothilfeaktionen zu koordinieren, wurden diverse Beispiele von Machtmissbrauch bei der Verteilung von Hilfsgütern bekannt. In vielen Orten hätten sich die Hilfslieferungen verzögert, weil man sie zuerst mit Partei-Emblemen versehen wollte. Häufig sei die Nothilfe durch die Gemeindeverwaltung verteilt worden, was dazu geführt habe, dass als erste die ParteigängerInnen der jeweiligen BürgermeisterInnen versorgt worden seien. Frauenorganisationen beklagten, dass bei der Zusammenstellung der Nothilfepakete die Bedürfnisse von Frauen nicht berücksichtigt würden, eine Organisation rief z. B. explizit dazu auf, Monatsbinden zu spenden. In Sololá klagten VertreterInnen der dortigen indigenen Bürgermeisterei, dass sie überhaupt nicht in die Verteilung der Hilfslieferungen einbezogen wurden, sondern alles über die Departementsregierung lief. Dies führte dann eben u. a. dazu, dass, wie im eingangs erwähnten Beispiel, westliche Kleidung in 100% indigene Gebiete gebracht wurden, die dort von niemandem getragen wird. In einem Brief aus San Martín Sacatepéquez, Quetzaltenango, schreibt die dortige katholische Pfarrei, dass sich in der Gemeinde, die während mehreren Tagen von der Umwelt abgeschnitten gewesen ist, die Bevölkerung unabhängig von politischen oder religiösen Zugehörigkeiten vorbildlich solidarisch verhalten habe. Man habe sich gegenseitig geholfen wo es nötig war, ein Notkomitee gebildet, das die Evakuierung von einzelnen Dörfern geplant und durchgeführt habe. Nach oben |
Alles sei bestens gelaufen, bis dann die offizielle Nothilfe eingetroffen sei. In unorganisierter und manipulativer Weise hätten die Gemeindebehörden die Verteilung der sowieso nicht für alle reichenden Hilfsgüter in eine Wahlveranstaltung verwandelt. Die soziale Organisation, die sich in den vorangehenden Tagen gebildet und bestens funktioniert habe, sei im Moment, wo man nicht mehr notwendigerweise auf sie angewiesen gewesen sei, bei sämtlichen Entscheidungen und Aktivitäten übergangen worden. Im Departement San Marcos änderten nach ein paar Tagen der Hilfsflüge die Piloten, welche diese Transporte flogen, ihre Taktik. Nachdem in Dörfern, die während Tagen von der Umwelt abgeschlossen waren, die BewohnerInnen sich in ihrer Verzweiflung in fast gewaltsamer Weise auf die "Helfer" stürzten und sie an einer geordneten Verteilung der Güter hinderten, beschlossen diese, in Zukunft nicht mehr zu landen, sondern die Lieferungen aus der Luft abzuwerfen. So müssen sie wenigstens nicht zuschauen, wie sich die Bevölkerung um die zu späte und unzureichende Hilfe prügelt... |
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