Schwarzes Urteil zum Schwarzen Donnerstag
Fijáte 353 vom 15. Feb. 2006, Artikel 4, Seite 4
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Schwarzes Urteil zum Schwarzen Donnerstag
Guatemala, 04. Feb. Während jener Tage demonstrierten SympathisantInnen und Parteimitglieder unter Anwendung von Gewalt in der Hauptstadt, um die Einschreibung ihres Anführers Ríos Montt als Präsidentschaftskandidat zu fordern. Die dabei provozierten Unruhen führten dazu, dass sowohl öffentliche Institutionen wie Privatgebäude geschlossen und verbarrikadiert werden mussten, unterdessen die anwesenden Sicherheitskräfte keine Anstalten machten, die maskierten und mit Stöcken, Macheten und Schusswaffen gewappneten RandaliererInnen unter Kontrolle zu bringen. Der Prozess gegen die potentiellen Verantwortlichen, allen voran eben Ríos Montt, wurde seitdem immer wieder aufgeschoben. Schliesslich sollte die erste Anhörung des Angeklagten und weiterer 17 verdächtiger FRG-Mitglieder am 28. Januar stattfinden. Während der FRG-Chef der Nötigung, Drohung, Anstiftung zu Unruhen und fahrlässiger Tötung beschuldigt wurde, sollten sich der FRG-Abgeordnete Jorge Arévalo wegen rechtswidriger Vereinigung von bewaffneten Personen, Nötigung, Drohungen, illegaler Treffen und Demonstrationen, Anstiftung und fahrlässiger Tötung, der damalige Innenminister, Doch die zuständige Staatsanwältin Alba Gudiel, resümierte lakonisch: "Es gibt keine ZeugInnen, die etwas gesehen haben, um die Verantwortung für fahrlässige Tötung zu beweisen", und "ohne Beweise können wir nicht in der öffentlichen Debatte auftreten". Für die Beweiserhebung ist jedoch just die Staatsanwaltschaft zuständig. Dennoch beschränkte sich der Richter der 5. Strafinstanz, Hugo Herrera, auf die fehlende Beweislage, sprach Ríos Montt von dem Prozess los und hob gleichzeitig den Hausarrest und das Ausreiseverbot auf, die dem Freigesprochenen vor mehr als einem Jahr auferlegt worden waren. Laut Urteil - und mit der gleichen Begründung - wurden auch die anderen angeklagten FRG-Mitglieder von einer Debatte verschont und stattdessen einem verkürzten Prozedere unterzogen, haben sie doch zugegeben, an den Demonstrationen teilgenommen zu haben. Zur Strafe für illegale Versammlung und Proteste wurde ihnen verwandelbare Haftstrafen über eineinhalb Jahre erteilt, die in Summe eine Geldstrafe von je 14'687 Quetzales (ca. US-$ 2'000) ausmachen. Ex-Innenminister Reyes Calderón kann die ihm aufoktroyierten zwei Jahre Gefängnis mit 18'250 Quetzales bezahlen. Die Anklage hatte Videobänder und Fotos von den Angeklagten vorgelegt, auf denen diese mit Stöcken und Sturmmasken zu sehen sind, sowie von zwei Konferenzen, die eine davon vom 21. Juli 2003, auf der der FRG-Anführer Ríos Montt in Aussicht stellt, dass die Aktionen der SympathisantInnen potentiell dem Demo-Komitee aus der Hand laufen könnten, und die andere vom 26. Juli, bei der Ríos Montt die Demonstrationen abbläst. Das Urteil Herreras sorgte allgemein für Unmut und wurde von zahlreichen KommentatorInnen als bestes Beispiel für die katastrophale Situation herangezogen, in der das Justizsystem derzeit steckt. Während einige von einem juristischen Mord sprechen, bleibt für Yolanda Pérez Ruiz |
Unterdessen ist Héctor Ramirez Rubio, Sohn des verstorbenen Journalisten, der von Anfang an die gerichtliche Verfolgung des Falles verlangte, konsterniert: "Es ist mehr als bewiesen, dass sie daran teilgenommen haben. Ich hab den Eindruck, dass wir in einem Zirkus sind, in dem sie sich über uns und über die Bevölkerung lustig machen, die wir einmal mehr feststellen, dass es in diesem Land keine Justiz gibt." Auch ist die Botschaft gesendet, dass von nun an jeder politische Kopf öffentliche Drohungen verbreiten und den Mob anstiften kann, um Ausschreitungen zu provozieren und wieder einzustellen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ferner beweist das von Herrera gefällte Urteil die traurige Vermutung, dass es sich tatsächlich um ein politisch abgekaspertes Spiel handelt (vgl. ¡Fijáte! 348). Nachdem die FRG bei der Absegnung wichtiger Entscheidungen und Gesetzesvorschläge der Regierungspartei der Auch die Familie des Journalisten Ramírez hat Einspruch gegen das Urteil erhoben. Weniger verwundert, dass die PressevertreterInnen, die die Anhörung dokumentierten, von den anwesenden FRG-AnhängerInnen - der Tradition treu bleibend - angegriffen wurden. Und wieder stellten die Sicherheitskräfte das stillschweigende Publikum. |
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