BäuerInnen der Finca Nueva Linda im Protest
Fijáte 362 vom 21. Juni 2006, Artikel 4, Seite 4
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BäuerInnen der Finca Nueva Linda im Protest
Guatemala, 14. Juni. Die gewaltsame Räumung der Finca Nueva Linda im Departement Retalhuleu, am 31. August 2004 - bei der 12 Menschen ihr Leben verloren haben und weitere 43 Personen zum Teil schwer verletzt wurden - ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie in Guatemala Landkonflikte "gelöst" werden, sondern macht ebenso deutlich, wie in dem zentralamerikanischen Land bis heute der Justiz- und Staatsapparat mit den Interessen der GrossgrundbesitzerInnen verstrickt ist. Zur Erinnerung: Am 13. Oktober 2003 besetzten rund 200 BäuerInnen die Finca Nueva Linda. Die Forderungen der BäuerInnen lauteten jedoch nicht - wie bei den allermeisten der unzähligen Fincabesetzungen in Guatemala - mehr Zugang zu Land oder bessere Arbeitsbedingungen für die LandarbeiterInnen auf der Finca. Was die BäuerInnen mit der Besetzung der Finca Nueva Linda ersuchten waren Aufklärung und Gerechtigkeit für das Verschwinden ihres Kameraden, des Gewerkschaftsführers und früheren Verwalters der Finca, Héctor René Reyes. Die BäuerInnen, die sich in der Gewerkschaft "Mayas ohne Land" organisierten, behaupteten, dass das Verschwinden von Héctor Reyes mit seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit zusammenhing und beschuldigten den Grossgrundbesitzer und dessen Sicherheitskräfte, für das Verbrechen verantwortlich zu sein. Aus Protest besetzten sie die Finca. Am 8. Juni 2004 vereinbarten verschiedene Indígena- und BäuerInnenorganisationen mit der guatemaltekischen Regierung einen vorläufigen Stopp von gewaltsamen Räumungen besetzter Fincas für einen Zeitraum von 90 Tagen. Trotzdem marschierten am 31. August 2004, und damit vor Ablauf der vereinbarten Frist, rund 1´000 Polizeikräfte in die Finca Nueva Linda ein, um deren Besetzung gewaltsam zu beenden. (siehe ¡Fijáte! 318) Nach der rabiaten Räumung vom 31. August kehrten die BäuerInnen Ende Oktober zurück und besetzten die Finca erneut. Gegenüber einer Vermittlungskommission erklärten sie sich jedoch bereit, die Finca am 22. November friedlich wieder zu verlassen. Am 21. November wurden die BäuerInnen allerdings entgegen der Abmachung unter Androhung von Waffengewalt von den Sicherheitskräften der Finca vertrieben. Seither leben sie ausserhalb der Finca Nueva Linda in einfachsten Notunterkünften - Holzpfosten bespannt mit Plastikplanen -, am Strassenrand der Hauptverkehrsstrasse, welche von Retalhuleu zum Hafen von Champerico führt. Am 20. Januar 2006 kam es erneut zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den BäuerInnen und den Sicherheitskräften der Finca. Eine Gruppe von BäuerInnen versammelte sich an jenem Tag vor dem Eingang der Finca und wollte mit den Sicherheitskräften in einen Dialog treten. Diese empfingen sie jedoch mit ihren Waffen, wobei vier BäuerInnen Schusswunden erlitten. Ähnliche bewaffnete Drohungen und Einschüchterungen wiederholten sich seither mehrere Male. Bis heute ist der Fall der Finca Nueva Linda ungelöst. Im Fall des Verschwindenlassens von Héctor Reyes haben sich die staatlichen Behörden bisher geweigert, einen Haftbefehl gegen den Wachmann Jesús Chinchilla Morales und den Finquero Carlos Vidal Fernández auszusprechen, obwohl eindeutige Beweise für deren Täterschaft vorliegen. Die einzigen strafrechtlichen Massnahmen, welche von den staatlichen Behörden bisher ergriffen wurden, richteten sich in Form von ausstehenden Haftbefehlen gegen die BäuerInnen, während dessen der Finquero und seine Sicherheitskräfte straflos ausgingen. Nach oben |
Seit Ende Mai protestieren über 100 BäuerInnen aus Nueva Linda auf dem hauptstädtischen Parque Central und fordern vom Generalstaatsanwalt Juan Luis Florido und von Präsident Oscar Berger die Beschleunigung des Prozesses gegen die Verantwortlichen für das Verschwinden von Héctor Reyes. Die aktuelle Jahreszeit erschwert ihren Protest: Tagsüber brennt die Sonne auf ihre Nylon-Bedachung, abends überschwemmen ihnen die ersten Regen der diesjährigen Regenzeit ihr weniges Hab und Gut. Verschiedene Personen mussten in medizinische Pflege gebracht werden bzw. den Protest abbrechen. "Der Präsident empfing uns, doch hat er sich bloss über uns lustig gemacht, indem er behauptete, mein Vater sei schon längst in den USA, von wo aus er uns Dollars schicke", erklärte die hochschwangere Tochter von Reyes, die ebenfalls am Protest teilnimmt und ihr Kind an Ort und Stelle gebären wollte. Der Präsident riet den Protestierenden weiter, den Zentralpark zu verlassen, da sie das internationale Image des Landes und das Tourismusbild störten. Ausserdem gäbe es auf den Fincas genug Arbeit für alle, die arbeitswillig seien. Nach 17 Tagen beendeten die BäuerInnen von Nueva Linda fürs Erste ihren Protest in der Hauptstadt, nicht ohne zuvor dem Präsidenten ein Ultimatum von zwei Monaten zu stellen, in denen die Verantwortlichen für das Verschwinden ihres Compañeros verhaftet und verurteilt werden sollen. Sollte ihre Forderung nicht erfüllt werden, drohen sie mit neuen, drastischeren Massnahmen, erklärte ein Sprecher der Gruppe. |
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