Anklage wegen Verschwindenlassens aufgehoben
Fijáte 425 vom 17. Dezember 2008, Artikel 5, Seite 4
Original-PDF 425 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 --- Nächstes Fijáte
Anklage wegen Verschwindenlassens aufgehoben
Guatemala, 10. Dez. Der pensionierte Oberstleutnant Marco Antonio Sánchez Samayoa, der im April gemeinsam mit drei Militärkommissionären in Untersuchungshaft gekommen ist, wurde jetzt dank einer Resolution des Verfassungsgerichts (CC) freigelassen. Angeklagt waren alle vier der illegalen Festnahme und des Verschwindenlassens von sieben jungen Männern. (¡Fijáte! 408) Untersuchungen des Menschenrechtsprokurates (PDH) belegen, dass die Angeklagten die Männer, die sie als Guerilleros bezichtigten, 1981 aus der Gemeinde El Jute, Chiquimula, in die Militärbasis von Zacapa gebracht haben, die unter Befehl von Sánchez Samayoa stand, und aus der die Festgenommenen niemals wieder herauskamen. Noch stand der Prozess gegen Sánchez Samayoa und die Militärkommissionäre aus, den die Strafgerichtsinstanz im April eröffnet hatte. Indes wurde dieser gleich suspendiert, da das Verfassungsgericht keinen Entscheid ob eines Einspruchs von Sánchez´ Verteidiger getroffen hatte. Dieser forderte die Aufhebung der Anklagepunkte gegen seinen Mandanten und stützte sich auf das Gesetz der Nationalen Versöhnung, das Dekret 41-96, das eine allgemeine Amnestie bezüglich der Verbrechen während des Konflikts vorsieht. Letzte Woche nun gab das Verfassungsgerichts seine Entscheidung zu Gunsten des Angeklagten bekannt. Sergio Morales, Leiter der PDH, die als Nebenklägerin auftritt, bewertete das Urteil als Rückschritt der Justiz hinsichtlich der Aussicht, die herrschende Straflosigkeit zu besiegen, und kündigte an, Anzeige vor internationalen Organismen einzureichen. Mit der Resolution des Verfassungsgerichts werde nicht nur das erwähnte Versöhnungsgesetz unterminiert, das eine Amnestie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wozu das Verschwindenlassen von Personen gezählt wird, ausschliesst, sondern auch die UN-Konvention zum erzwungenen Verschwinden und den Interamerikanischen Pakt von San José verletzt. Die Menschenrechtsstiftung Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) verurteilte die Resolution des Verfassungsgerichts als parteiisch ob der Beobachtung, der Strafverteidiger von Sánchez Samayoa, Julio Roberto Contreras Quinteras, habe mehr als 30 Jahre eine Kanzlei mit dem Verfassungsrichter Francisco Flores geteilt. Aufgrund dessen vermutet die GAM, dass Flores befangen war. Damit beklagt die Organisation einmal mehr die Schwäche der Institutionalität und stellt die Glaubwürdigkeit des Verfassungsgerichts in Frage. Nach oben |
Die Stiftung Myrna Mack geht in ihrer Analyse und Kritik noch ein Stück weiter. Demnach hätten die verschiedenen Gerichtsinstitutionen, sprich Verfassungsgericht, Höchster Gerichtshof, Staatsanwaltschaft und eben das Menschenrechtsprokurat (PDH) alle mit ihren verschiedenen Entscheidungen während des Jahres 2008 zur Stärkung der Straflosigkeit im Fall El Jute beigetragen, was letztendlich zum Freispruch der Angeklagten geführt hätte. Die Stiftung detailliert: "Im Fall von Staatsanwaltschaft und PDH ist die Fahrlässigkeit, die Gleichgültigkeit, das Nichterfüllen von Pflichten und sogar die Nichterfüllung ihres verfassungsmässigen Mandates offensichtlich, denn diese Institutionen sind in Bezug auf den Umgang mit dem Fall El Jute durch Verfassungsgericht und Höchsten Gerichtshof vollkommen durchlässig gewesen. So habe das Verfassungsgericht die PDH trotz ihrer Rolle als Nebenklägerin vom Prozess ausgeschlossen und ihre Funktion sowie die Sonderermittlungen geleugnet, die diese auf Geheiss des Höchsten Gerichtshofes durchgeführt hatte. Doch legte die betroffene PDH keinerlei Widerspruch ein und tat nichts, um die Situation richtig zu stellen." Die Staatsanwaltschaft ihrerseits habe eine nicht zu verhüllende Trägheit bewiesen, da sie keinen Einspruch gegen das Urteil eingelegt habe, womit die Resolution verbindlich wurde und der ehemalige Oberstleutnant seine Freiheit wiedergewann, indem das Versöhnungsgesetz auf ihn angewendet wurde, obwohl dieses explizit das Verschwindenlassen als Verbrechen katalogisiert, das nicht verjährt und zudem nicht unter die Amnestie fällt. Die Myrna Mack-Stiftung prangert an, dass der gesamte Umgang mit dem Fall El Jute ein böswilliger Rechtsstreit war und geprägt von zahlreichen Unregelmässigkeiten, die von allen am Prozess Beteiligten begangen wurden. "Das Beunruhigende ist, dass es sich um Institutionen handelt, die eigentlich dafür verantwortlich sind, die Gültigkeit der Menschenrechte zu garantieren, doch weit von ihrem Mandat entfernt unterwerfen sie sich Praktiken, die ihnen jegliche Glaubwürdigkeit, Integrität, Allparteilichkeit und Unabhängigkeit nehmen." |
Original-PDF 425 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 --- Nächstes Fijáte