Guatemala - nie wieder: ein frommer Wunsch
Fijáte 434 vom 06. Mai 2009, Artikel 1, Seite 1
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Guatemala - nie wieder: ein frommer Wunsch
von Mariano Gonzáles, 22. April in albedrío, anlässlich des 11. Todestages von Bischof Gerardi am 26. April. Elf Jahre nach der Ermordung von Bischof Juan José Gerardi Conedera scheint der aussergewöhnliche Titel des Berichts über die Umstände, unter denen Tausende von Opfern des bewaffneten Konflikt ermordet wurden, nichts weiter als ein frommer Wunsch zu sein. Es stimmt, dass die Berichte des Projekts zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (REMHI), "Guatemala - nunca más", und der offiziellen Wahrheitskommission "Guatemala - Memoria del Silencio" einen Fortschritt bezüglich der Anerkennung des Geschehenen und der Geschichte des Schmerzes und des Leidens während des bewaffneten Konflikts darstellen. Sie sind Ausdruck eines einzigartigen Willens, die Geschichte der Opfer aufzuzeigen und geben Empfehlungen ab, die darauf abzielen, die Opfer zu erinnern, ihnen ihre Würde zurückzugeben und ihre Hinterbliebenen (teilweise und ungenügend, da Menschenleben nicht ersetzbar sind) zu entschädigen sowie das soziale Gefüge der Familien, die Tote oder Verschwundene zu beklagen haben, zu reparieren. Doch das Projekt eines anderen, gerechten Guatemalas und der in der Redewendung "Guatemala - nie wieder" enthaltene Wunsch werden von einer Realität zerstört, die sich tragischerweise in jeder Gewalttat wiederholt: Weder Friede noch Gerechtigkeit. Dessenungeachtet muss man das Ziel im Auge behalten. Gemäss der Wahrheitskommission wurden während des Konfliktes 200'000 Guatemalteken und Guatemaltekinnen ermordet oder zum Verschwinden gebracht. Dies ist eine monströse Zahl. Ausserdem wurden unzählige und unterschiedliche Verbrechen begangen, die bis heute nachwirken und das heutige Gesicht des Landes prägen. Seit 1999 bis heute wurden mehr als 40'000 Personen umgebracht. 40'000 neue Opfer, die unter absurden und tragischen Umständen ihr Leben verloren. Wiederholt sich die Geschichte? Haben wir nichts gelernt? Was ist mit uns geschehen, dass wir so weit gekommen sind? Die Art und Weise und der Grund der Gewaltformen sind unterschiedlich. Die politischen Bedingungen des Landes haben sich verändert und in einem gewissen Sinne haben sie sich verbessert. Trotz Korruption und mangelnder Demokratie ist es ein Fortschritt im Vergleich zu den Militärdiktaturen. Es gibt keine so offensichtliche politische Verfolgung und geringfügiger Pluralismus wird geduldet. Doch gewisse wirtschaftliche und soziale Konditionen wie die Tatsache der Verarmung, der Ausbeutung und der Ungerechtigkeit sind uns wie offene Schulden hinterlassen worden wie brennende Wunden. In erster Linie diese enorme Anzahl von neuen Opfern der Gewalt. Was sind die menschlichen Kosten von 40'000 Morden? Wie viele Familien haben ihre Liebsten durch diese neue, chaotische Gewalt verloren? Was geschieht mit den Waisen und den Witwen der aktuellen Gewalt? Diese Fragen weiss niemand zu beantworten. Es macht sich auch niemand die Mühe, eine Antwort auf diese Fragen zu suchen. Nach oben |
Mehr schlecht als recht versuchen sowohl der Staat wie auch die Organisationen der Zivilgesellschaft und die Opfer selber, im Rahmen des Möglichen die Schäden des bewaffneten Konflikts wieder gutzumachen. Im Fall der aktuellen Gewalt zeichnen sich keinerlei Bemühungen ab, irgendwelche Schäden wieder gutzumachen. Es scheint vielmehr, als bräuchte es noch viele Opfer mehr, bevor effektive Massnahmen ergriffen werden, die Gewalt zu bekämpfen. Verzweiflung und Angst führen dazu, dass niemand die Notwendigkeit sieht einzugreifen, geschweige denn, präventive Mittel einzusetzen. Die Verachtung des menschlichen Lebens geht weiter, zumindest in dieser Beziehung gibt es eine Kontinuität zwischen dem Konflikt und der aktuellen Realität. Genau deshalb sollten wir den Tod von Bischof Gerardi und den Tausenden von Opfern des bewaffneten Konflikts nicht erinnern, sondern wir müssen die Vergangenheit aktualisieren. Wir müssen alles daran setzen, aus dem nichterfüllten Traum von Tausenden von Opfern Realität zu machen. Die beste Art, die Erinnerung jener zu würdigen, die nicht mehr sind ist, dieses Land zu verändern, es besser und gerechter zu machen. Dies ist eine riesige Aufgabe. Aber ich glaube es ist die einzige Möglichkeit, den Opfern gerecht zu werden und die Hoffnung auf ein Miteinander zu bewahren. Es ist nicht bloss ein Thema der Vergangenheit. Und es ist auch nicht ausschliesslich eine Angelegenheit der Gegenwart. Noch einmal: "Guatemala - nie wieder" ist ein aussergewöhnlicher Wunsch, einer dieser Hoffnungen von einem besseren Leben (E. Bloch), welche ein unerfülltes Versprechen in sich bergen. Der Wunsch ging bisher nicht in Erfüllung. Wir müssen alles daran setzen, dass dieses "Guatemala - nie wieder" eines Tages Realität ist. Dies ist die beste Art, Gerardi und die Opfer von gestern und heute zu ehren. |
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