¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Komisch, dass und wie sie sich erschrecken lassen!
Fijáte 431 vom 25. März 2009, Artikel 7, Seite 6
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¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Komisch, dass und wie sie sich erschrecken lassen!
Während Präsident Colom öffentlich Gesten von symbolischem Fortschritt macht (z.B. Chávez zu seinem gewonnenen Referendum gratuliert oder eingesteht, dass in Guatemala Genozid verübt worden war, oder nach Kuba reist, um Fidel Castro den Orden des Quetzal zu überreichen, denselben, den unser Alfonso Bauer Paíz im letzten Oktober abgelehnt hatte), fliessen die Gewässer unserer Realität in die Gegenrichtung. Die Straflosigkeit und Parteilichkeit unserer Justizbeamten sind gewichtiger als die Verfassung; die Streitkräfte machen sich zynisch über die Gesetze und internationalen Abkommen lustig ("...Ich wusste nicht, dass noch andere Militärpläne existierten...", "manchmal zerstört die Armee diese...", sagte der Verteidigungsminister, als er aufgefordert wurde, die Pläne Firmeza 82 und Operation Ixíl auszuhändigen); die Oligarchie verlängert die Kampagne ihres Hauptmanns Pedro Alvarado und beutet die nationalen Ressourcen mit demselben Rassismus aus wie sie die lokalen Volksbefragungen ignoriert; der Kongress arbeitet für die transnationalen Korporationen und für die privaten Sicherheitsunternehmen, die ihr Geschäft mit der Angst der Leute machen, welche durch die Berichterstattung der Medien genährt wird; das Innenministerium ist und bleibt von Kriminellen infiltriert... Zwischen den Perversionen des Staates, zwischen den ZynikerInnen und den TräumerInnen, versuchen die BürgerInnen wie einst Sancho Pancho bei Don Quichote, zusammengepfercht wie Sardinen von der Hand in den Mund zu leben. Sie essen Tortillas mit nichts drauf, kurieren sich mit dem, was sie mit den Münzen in ihren Portemonnaies bezahlen können, lernen irgendwelche Texte auswendig, die sie nicht verstehen, bloss um ihre Examen zu bestehen. Sie träumen davon, die Kriminellen loszuwerden, indem sie zur Selbstjustiz greifen, und öffnen die Hand für ein bisschen Geld von irgendeiner Nichtregierungsorganisation, vom Programm "meine Familie wächst", vom Nationalen Versöhnungsprogramm oder wer immer ihnen etwas anbietet, auch wenn sie dafür langweilige Workshops über sich ergehen lassen oder in der Sonne stundenlang Schlange stehen müssen. Wenn irgendeine Organisation kommt und Weiterbildung in Menschenrechten oder BürgerInnenbeteiligung anbietet, wird sie als erstes und ziemlich direkt gefragt: Und was genau habt ihr uns zu bieten? Denn das soziale Leben, das uns aufgedrängt wird, lässt keinen Platz für Feinheiten im Denken oder Fühlen. Es geht ums Überleben, sowohl im nationalen, lokalen oder kommunalen Kontext, wo das Misstrauen, die Unsolidarität, der Betrug, die Korruption und die Gewalt regieren. Ethik ist ein Parfum, das immer seltener wird in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, und Justiz und Gesetz lassen sich in allen sozialen Sphären immer irgendwie mit Geld "regeln", sei es beim Obersten Gerichtshof oder in der Dorfschule. Nach oben |
Sicher, das aktuell am häufigsten gebrauchte Wort auf dieser Welt ist "Krise". Eine Krise mit konzentrischen Kreisen wie die Wellen eines Teiches, welche vom Planeten bis in mein Dorf oder in meine Strasse wirken. Eine globale Krise wie bisher keine in der Geschichte der Menschheit: Finanziell, ökonomisch, sozial, politisch, kulturell und ökologisch. Wir haben Glück, in diesen Zeiten zu leben - und ich sage das ohne Ironie. Ich bin mit der Bedeutung, welche die MeinungsbildnerInnen dem Wort "Krise" geben, nicht einverstanden. Sie tun so, als wäre die Krise etwas, das von aussen kommt, mit dem wir nichts zu tun haben, sondern dessen passive Opfer wir geworden sind. Etwas, das auf uns niederfällt oder uns wie ein Meteorit trifft. Das Wort Krise kommt vom griechischen Verb crinein, was soviel bedeutet wie analysieren, unterscheiden. Es beschreibt mehr eine Herausforderung als ein externes Phänomen. Diese Krise bietet uns die Gelegenheit und das Privileg, dass wir uns in einem Moment befinden, in dem wir analysieren und unterscheiden können. Und natürlich entsprechende Entscheidungen treffen können. Diese Zeiten zwingen uns die Notwendigkeit auf, neue Kriterien (ebenfalls vom Wort crinein abgeleitet) für unsere Lebensweise auf diesem Planeten und in dieser Gesellschaft zu definieren und konsequent danach zu handeln. Im Fall von Guatemala, auch wenn hier das Scheitern des Staates nie wirklich evident war, keimen die Alternativen erst zögerlich. Und sie werden nicht spriessen, solange wir darauf warten, dass aus den Wolken ein Messias steigt. Die Alternative wächst einzig aus dem Humus, den wir alle bilden, die wir dem Schmerz und Gestank des Faulenden ausgeliefert sind. Denn eigentlich wissen wir schon längst, was über Bord geworfen werden müsste und wie die neuen Vorschläge aussehen müssten. Alternativen kommen nicht einfach so daher, sie tauchen auf. Wir alle entwickeln sie, sobald wir, ohne zimperlich zu sein, alles wegwerfen, was in diesem kannibalischen Kapitalismus stinkt. Sie bestehen in neuen und möglicherweise verwirrenden Formen, als Mann oder Frau, als Maya oder Mestizin, als Junge oder Alter, als Städterin oder Bauer zu leben. Es bedingt ein Zusammenleben auf und mit unserem Planeten. Es braucht neue Formen des Handelns und des Konsumierens; neue Formen, die anderen, alle anderen, zu verstehen, nämlich als "Subjekt-genau-wie-ich". Es bedeutet, definitiv jegliches Dominanzverhalten abzulegen, angefangen bei sich selber; es heisst, verantwortungsvoll mit der Umwelt und dem sozialen Umfeld umzugehen; die Welt zu beschützen, sich in permanentem Wandel zu wissen, in einem unendlichen Prozess; es heisst, die anderen Lebenswesen so zu respektieren wie mich selber und zu akzeptieren, dass auch sie sich an einem bestimmten Punkt in ihrem Prozess befinden... Weltweit gesehen findet die Implosion des gefrässigen, abenteuerlichen und bestialischen Kapitalismus, die wir gegenwärtigen, zu einem Zeitpunkt statt, wo andere Ereignisse symbolische Relevanz erhalten. Ich beziehe mich damit auf die Bewegung des Sozialismus des 21. Jahrhunderts, nach wie vor etwas unklar, aber hoffnungsvoll. Während die neoliberale Titanic untergeht, werden in der dunklen Nacht ein paar Leuchttürme erhellt: Venezuela, Ecuador, Bolivien... und das kleine grosse Kuba, trotz aller Erstickungsversuche durch das Embargo. Übrigens: wie komisch, dass dieses kleine Land, das für niemanden eine ökonomische oder militärische Bedrohung darstellt, die Herren des Imperiums und ihre Höflinge der guatemaltekischen Oligarchie dermassen erschreckt. Weshalb bloss? |
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