¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Skorpione
Fijáte 417 vom 27. August 2008, Artikel 6, Seite 6
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¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Skorpione
In den letzten Julitagen machte ein Manifest mit Datum vom 28. die Runde, als dessen Absender die Vereinigung der Militärveteranen (AVEMILGUA) zeichnete. Darin hiess es, die Vereinigung sei bereit, jegliche Mittel jederzeit einzusetzen, um verfassungsmässig den Präsidenten und den Vizepräsidenten abzusetzen. Unterschrieben haben die beiden Generäle Miranda Trejo und Quilo Ayuso. Abgesehen davon, dass dies ein Verrat am Staat ist und schlimmste Anschuldigungen gegen den Präsidenten der Republik in sich birgt, wurde dieses Schreiben von AVEMILGUA nie schriftlich widerrufen; Quilo Ayuso, der Präsident des Vereins, sagte lediglich, dass es sich dabei um ein apokryphisches (ein nicht offiziell anerkanntes, die Red.) Dokument handelt. Mit geschwollener und überholter Rhetorik drückt der Text seine Ablehnung gegenüber der aktuellen Regierungsführung aus. Es wird unter anderem vorgebracht, dass Colom sein Einverständnis zur physischen Eliminierung von Innenminister Vinício Gómez gab (der bisher unaufgeklärte Helikopterunfall, bei dem der Innenminister und sein Vize ums Leben kamen), um danach zwei ehemalige Guerilleros in die Ämter des Innen- und Vizeinnenministers zu ernennen: den Philosophieprofessor Francisco Jiménez und den Politologen Emilio Arnoldo Villagrán. Ebenso wird die Frau des Präsidenten, Sandra Torres, in dem Schreiben beschuldigt, zur Guerilla gehört zu haben. Nahe liegt deshalb die Anschuldigung, das Ehepaar Colom Torres würde mit den Verhandlungen mit dem venezolanischen Präsidenten Chávez über den Beitritt zu Petrocaribe dem internationalen Kommunismus (verkleidet in Chávez' Sozialismus) die Türen öffnen. Damit nähme Guatemala eine geopolitisch strategische Position in den expansionistischen Plänen ein, die Chávez für Lateinamerika hege - als Gegenpol zum grössten, dem US-amerikanischen Markt. Weiter wird das regierende Ehepaar beschuldigt, die neuen Drogenbosse in Guatemala sowie die kolumbianische Narco-Guerilla zu schützen und ihnen so zu guten Geschäften zu verhelfen. Selbstverständlich kündigt das Pamphlet nicht direkt einen Staatsstreich an, erstens weil ein solcher ja nie angekündigt wird und zweitens weil die USA dagegen sind. Und trotzdem hinterlassen in und mit ihm einige mächtige Akteure der nationalen Politik ihre Spuren. Da sind zum Beispiel die Spuren der kolonialistischen Dinosaurier der Landwirtschaftskammer, die auch bei der Diskussion um eine Steuerreform oder bei irgendeiner sozialpolitischen Initiative losplärren. Die sich mit den transnationalen Unternehmen paaren, welche die Ressourcen unserer Heimat (wie sie so gerne sagen) ausbeuten. In einem bezahlten Zeitungsinserat vom selben Tag wie das Manifest von AVEMILGUA äussert diese Oligarchie dieselbe Sorge um die "expansionistischen Intentionen der sogenannten bolivarianischen Revolution, die das autoritäre Regime von Chávez uns aufdrängen will". In der Tat haben AnalytikerInnen festgestellt, dass die Handschrift des apokryphischen Manifests wohl eher Züge von Zivilisten denn von Militärs trägt. Andere Spuren weisen auf einen militärischen Clan hin, der sich auf gefährliche Weise in die Regierung eingenistet hat. Einige Tage nach Erscheinen des Manifests ordnete Colom wichtige strategische Änderungen an der Spitze der Militärführung an. Auffallend war, dass dies ausserhalb der für solche Wechsel üblichen Daten (30. Juni oder 15. September) geschah. Ausgewechselt wurden die Chefs des Generalstabs der Verteidigung (EMD), der Kasernen Guardia de Honor und Mariscal Zavala, sowie der Präsidentengarde. Fachleute bringen diese personellen Änderungen mit den Drohungen des Apokryphons von AVEMILGUA in Zusammenhang und deren Verbindung zur extremen Rechten. Nach oben |
Diese Absetzungen und Ernennungen gaben Anlass zu Kommentaren über den schwindenden Einfluss des Militärs Carlos Quintanilla auf den Präsidenten. Der begüterte Amtsinhaber des Sekretariats für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten des Präsidenten (SAAS) ist Vertrauensmann des gefürchteten ehemaligen Generals Ortega Menaldo, dem die USA wegen seinen Verbindungen zum Drogenhandel schon vor Jahren das Visum entzogen haben. Quintanilla hat sich privilegiert an der Seite von Colom und seiner Ehefrau positioniert (denen er laut dem Journalisten Gustavo Berganza nach der Wahlniederlage von 2003 einen einmonatigen Ferienaufenthalt all inclusive in Spanien bezahlte). Die Macht von Charlie, wie ihn Colom nennt, zeigte sich auch in den ersten vier Monaten der neuen Regierung, als er eine beachtliche Anzahl von Militärs in strategisch wichtige Positionen erhob, vor allem im Sicherheits- und im Antidrogenkampfbereich: Minister und Vize im Verteidigungsministerium, den Innenminister, den Berater des Innenministers, den Chef des EMD, den Finanzchef des Verteidigungsministeriums, den Kommandanten der Ehrengarde ... (José Rubén Zamora, elPeriódico, 2. Juni 2008). Es scheint, dass Quintanilla zu viele Fehler begangen hat und dem Präsidenten sein Streben nach allmächtiger Kontrolle zu weit gegangen ist. Vielleicht hat dieser ihm deshalb auch die Aufgabe seines persönlichen Schutzes entzogen. Der Journalist Gustavo Berganza nennt zudem das Gerücht, der US-amerikanische Unterstaatssekretär Negroponte habe bei seinem Besuch den Präsidenten auf die schlechte Gesellschaft hingewiesen, mit der er sich umgebe. Der Niedergang von Quintanilla zeigt, dass Colom versucht, einige der Skorpione abzuschütteln, die seit der Wahlkampagne wie Kletten an ihm hängen. Skorpione, wie es sie in der clase politique zuhauf gibt und die sich im Untergeschoss der Oligarchie tummeln, welche dieses Land beherrscht. Die 82 Millionen, die im Kongress "verloren gingen" (siehe ¡Fijáte! 412 und 416), sind nur eine triviale Episode. Die Hauptverantwortlichen sind geflohen, genauso wie in anderen ähnlichen Fällen - und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute: mit unserem Geld in irgendeinem Land der Welt. Ausserdem: die 82 Mio. sind nicht Grund genug, um sich von der Brücke "Belice" zu stürzen, wenn wir bedenken, dass sie bloss 0.5% der ca. 12'000 Mio. ausmachen, welche die Regierung dieses Jahr (ohne irgendwelche Kontrolle) an Treuhänder übergeben hat. Wer von diesem Geschäft profitiert? Ob wir das je erfahren werden? Arme Heimat, die von Skorpionen heimgesucht wird. |
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