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Der Fussballkrieg von Chiquimula - Verurteilungen im Fall El Jute

Fijáte 451 vom 6. Januar 2010, Artikel 2, Seite 1

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Der Fussballkrieg von Chiquimula - Verurteilungen im Fall El Jute

Frage: Konnte rekonstruiert werden, was mit den Verschwundenen geschah, wo und wie sie umgebracht wurden und wo sie vergraben sind. Gab oder gibt es VGExhumierungenNF?

M.P.: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man diese Information je erhält. Die Angeklagten behaupten ja nach wie vor, dass sie unschuldig sind, und wenn sie sagen würden, wo die Verschwundenen begraben sind, würden sie damit ihre Schuld anerkennen.

Frage: In Guatemala gab es während der 80er Jahre viele Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen. Was macht den Fall El Jute so symbolträchtig?

M.P.: Es ist das erste Mal, dass ein hochrangiger Militär wegen Verschwindenlassen verurteilt wurde. In Guatemala einen Militär zu verurteilen, ist eine sehr riskante Angelegenheit angesichts der herrschenden VGStraflosigkeitNF während und nach dem bewaffneten Konflikt.

Frage: Steht dieses Urteil in einem Zusammenhang mit der VGUNONF-Konvention gegen das Verschwindenlassen, die von Guatemala (und auch von der VGSchweizNF) nicht ratifiziert ist?

M.P.: Nein, die UNO-Konvention wurde in diesem Fall nicht angewandt, sondern wir stützten uns auf die Interamerikanische Konvention gegen das Verschwindenlassen.

Frage: Was war das "spezielle Interesse" (so hiess es in den Medien) des US-amerikanischen Botschafters an dem Fall?

M.P.: Angesichts des Ausmasses an Straflosigkeit, das in Prozessen gegen Militärs an der Tagesordnung ist und des Sicherheitsrisikos in diesem speziellen Fall wurde als eine Form der Prävention die Begleitung des US-amerikanischen Botschafters angefordert. Während des Prozesses wurde der Botschafter dann auch tatsächlich von Mitgliedern von VGAVEMILGUA, der Pensioniertenvereinigung der Militärs, bedroht. Er wurde fotografiert, und vor dem Gebäude wurden Transparente gegen ihn aufgehängt.

Aber auch die Botschafter der Schweiz, Hollands und von VGChile begleiteten uns während dem Prozess wie auch freiwillige MenschenrechtsbeobachterInnen von ACOGUATE. VGAmnesty InternationalNF verfolgte den Prozess ebenfalls.

Frage: Es ist nicht der erste Fall von Verschwindenlassen, bei dem es dieses Jahr zu einem Urteil kam, es gab im Sommer den "Fall Cusanero". Bewegt sich da etwas in Sachen Straflosigkeit? Liegt das an den RichterInnen, an der Regierung von VGAlvaro ColomNF oder an der Präsenz der Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala VGCICIGNF, dass plötzliche Urteile möglich sind?

M.P.: Der Fall Cusanero ist sehr wichtig, aber Cusanero war "nur" ein Militärkommissar. Auch war das Urteil in diesem Fall nicht so schlüssig wie im Fall El Jute.

Colom und seine Regierung haben sich für unseren Fall überhaupt nicht eingesetzt, nicht einmal wirklich Interesse daran gezeigt, etwas gegen die Straflosigkeit zu unternehmen. Sie reden viel und machen nichts. Die CICIG hat uns weder beraten noch begleitet. Als ich kürzlich mit Castresana sprach, stellte sich heraus, dass er den Fall El Jute nicht einmal kannte.

Im Jahr 2009 konnten mehrere Fälle deshalb zu einem glücklichen Ende geführt werden, weil die Gesetze es einfach nicht mehr zulassen, dass solche Fälle in der Schublade landen.

Frage: Wenn jetzt offenbar die Konjunktur gut ist, gibt es andere Fälle, die ihr in nächster Zeit vor Gericht bringen werdet?

M.P.: Es gibt ein paar Fälle von Verschwindenlassen, deren Untersuchungsphase schon recht weit fortgeschritten ist, und die nächstes Jahr vor Gericht kommen werden. Da ist zum Beispiel der Fall von Fernando García (der Ehemann von VGNineth MontenegroNF, Gründerin der GAM und heutige Kongressabgeordnete, die Red.), der sehr gut dokumentiert ist und in dem auch schon ein Haftbefehl ausgestellt wurde.

Frage: Lohnt es sich wirklich, in die Aufklärung von Fällen zu insistieren, die 30 Jahre zurück liegen, statt sich auf Gewaltverbrechen zu konzentrieren, die heute geschehen, für die sich keine Menschenrechtsorganisation einsetzt und die sowieso straflos bleiben, weil sie in sogenannten Friedenszeiten ausgeübt werden?

M.P.: Ich möchte mit dem sehr wahren Satz antworten: "Ein Volk, das seine Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." Ausserdem ist die Gewalt, die heute ausgeübt wird, ein Resultat des internen bewaffneten Konflikts. Die Machtstrukturen, die das Militär zu Repressions- und Überwachungszwecken aufgebaut hatte, hätten nach Friedensschluss demontiert werden müssen. Aber das Gegenteil ist geschehen, diese Leute begannen sich zu organisieren und sind heute ein Teil der VGklandestinen StrukturenNF, von denen die aktuelle Gewalt ausgeht.

Gerechtigkeit ist ein Menschenrecht. Du kannst dir nicht vorstellen, was es für die Familienangehörigen der Opfer bedeutet, wenn endlich Gerechtigkeit gesprochen wird!

Herzlichen Dank für das Interview!


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