Colom tauscht Führungsriege im Verteidigungsministerium aus
Fijáte 426 vom 14. Januar 2009, Artikel 6, Seite 6
Original-PDF 426 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte
Colom tauscht Führungsriege im Verteidigungsministerium aus
Guatemala, 09. Jan. Ohne vorherige Ankündigung und nähere Erklärungen setzte Präsident Álvaro Colom am 21. Dezember den Verteidigungsminister, den Leiter und dessen Stellvertreter des Generalstabs der Verteidigung (EMD) sowie den Armeeinspektor ab und ersetzte sie durch Männer, die bislang im öffentlichen Leben des Militärs weder "berühmt-berüchtigt" sind noch relevante Führungspositionen innehatten. Colom erläutert den Wechsel mit der Absicht, die Institutionalität zu stärken und die interinstitutionelle Beziehung zwischen Regierung und Armee zu harmonisieren. Darin ist nicht nur der Anspruch beinhaltet, dass die Armee sich effektiv daran beteiligt, den Sicherheitsplan, den die Regierung in 2009 umsetzen will, durchzuziehen, sondern auch, dass die neuen Funktionsträger im Vergleich zu ihren Vorgängern keine Loyalitäten zu irgendwelchen Parteien und/oder deren ExponentInnen pflegen. Diese hätten bislang nämlich dazu geführt, dass die Anordnungen des Präsidenten als Generalkommandant des Militärs nur halbherzig bis gar nicht durchgeführt wurden. Dabei gab Colom keine Details über die wahrgenommenen Diskrepanzen bekannt und stritt ab, dass einer der Gründe die Weigerung des Verteidigungsministeriums sei, den Zugang zu den Militärarchiven freizugeben, den Colom vor gut einem Jahr öffentlich angeordnet hatte. Auch die Präsenz des Drogenhandels sei nicht der Anlass für Coloms Entscheidung gewesen. Gleichwohl gab der Leiter des Friedenssekretariats (SEPAZ), Orlando Blanco, bekannt, dass die Institution baldmöglichst das Gespräch mit dem neuen Verteidigungsminister Abraham Valenzuela suchen will, um auf die Öffnung der Archive zu drängen. Er selbst habe in diesen Tagen per E-Mail Drohungen erhalten, die sich auf dieses Bestreben bezogen. Abraham Valenzuela González hat seit 2007 den Grad des Oberfeldwebels inne, war Kommandant der Brigade in Mazatenango im Departement Suchitepéquez und in Huehuetenango. Colom ernannte ihn letzte Woche kurzfristig zum Divisionsgeneral, dem höchsten Rang, den ein Militäroffizier einnehmen kann. Die Neubesetzung der Posten nahm bereits Anfang Dezember mit der Umbesetzung von Brigadeleitern in verschiedenen Kasernen im Landesinneren ihren Anfang. Fortgesetzt wurde sie Anfang Januar auf den unteren Ebenen, einschliesslich den Spezialeinheiten wie den Kaibiles. Auffällig daran ist die Auswahl der obersten Militärführungsriege aus drei verschiedenen Abschlussjahrgängen der Militärakademie. Bislang stammten die Obersten aus derselben Generation oder höchstens aus zwei aufeinanderfolgenden. Offenbar verspricht sich Colom davon eine grössere Treue und Zuverlässigkeit ihm gegenüber. Analysten und vor allem Kritiker gehen derweil davon aus, dass es weniger Coloms eigene Entscheidung war, sondern die Veränderung eindeutig auf den Einfluss seiner Berater zurückgeht, denen die Skeptiker, allen voran die Militärveteranen, vorwerfen, mit der Veränderung die Militärstruktur aus Unwissenheit völlig durcheinander gebracht und die Institutionalität der Armee verletzt zu haben. Nach oben |
So stimmen manche Analysten darin überein, dass der Präsident mit dieser Aktion in erster Linie zu verstehen geben will, dass er es ist, der die Kontrolle über die Streitkräfte in der Hand hat. Und dass er den Willen hat, jegliche bestehenden Strukturen zum Verschwinden zu bringen, die zu möglichen Rebellionen gegen ihn aufrufen könnten. Mario Mérida erinnert daran, dass manch eineR der Ansicht ist, die PolitkerInnen manipulierten das Militär in Funktion ihrer eigenen Interessen. Hauptgrund für die Irritation ist der gewählte Zeitpunkt für die Umbesetzung. Für gewöhnlich finden solche in der Armee entweder im Januar oder im Juni statt. Der Journalist Enrique Naveda behauptet in seinem Artikel in der Tageszeitung elPeriódico gar, dass die "Enthauptung der Armee" Form angenommen hat in dem Moment, in dem Colom glaubte, dass sich sein Argwohn bestätigte: dass nämlich die Streitkräfte für Januar einige Stellenwechsel vorbereiteten, die den Einfluss des Oppositionsführers, dem pensionierten General und Präsidentschaftsgegenkandidaten, Otto Pérez Molina, über die Armeespitze ausweiten sollten. Gleichwohl, so Naveda, stimmten der Militärexperte Mario Mérida sowie die Myrna Mack-Stiftung darin überein, dass die Veränderung tatsächlich frischen Wind in das Denken und die Verrostung in der Armee bringen kann. Helen Mack beobachtet zudem, dass nach und nach die Militärs ersetzt werden, die während des internen bewaffneten Konflikts ausgebildet worden sind und die in Konfrontation zum ebenfalls umbesetzten Innenminister Francisco Jiménez gegangen waren. (siehe separater Artikel) Unterdessen kündigte der Militärsprecher Francisco Loranca an, dass die Übergabe der Militärarchive möglicherweise ab März ergehen könnte, mit Inkrafttreten des Gesetzes zum freien Zugang zu Information. Letztendlich hänge diese Entscheidung jedoch vom Ergebnis der Besprechung zwischen dem neuen Verteidigungsminister Valenzuela und SEPAZ-Leiter Blanco ab. |
Original-PDF 426 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte