Ein neues PARLACEN-Kapitel
Fijáte 415 vom 30. Juli 2008, Artikel 3, Seite 4
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Ein neues PARLACEN-Kapitel
Guatemala, 20. Juli. Zwei Vorfälle haben in der letzten Zeit dazu geführt, dass der Mord an den drei salvadorianischen Abgeordneten des Zentralamerikanischen Parlaments (PARLACEN) und ihrem Chauffeur am 19. Februar 2007 sowie der anschliessende Mord an den vier des genannten Mehrfachmordes verdächtigen Polizeibeamten im Hochsicherheitsgefängnis El Boquerón jetzt wieder in die Schlagzeilen geraten sind. Am 14. Juli wurde Juan Carlos Martínez Gutiérrez von Unbekannten auf seinem Weg zur Arbeit in den frühen Morgenstunden erschossen. Martínez war Assistent der Staatsanwaltschaft und mit mehreren Ermittlungen von Fällen betraut, die sich um den PARLACEN-Mord zusammengefügt haben: der Mord an Regierungsberater Víctor Rivera im April diesen Jahres, der Fall des Gemeinderates von Jutiapa, der den im Zusammenhang mit dem PARLACEN-Fall gesuchten ehemaligen Kongressabgeordneten "Manolito" Castillo rechtswidrig und geheim ins Bürgermeisteramt gesetzt hat, und ausserdem verfolgte Martínez den Fall der Jugendbandenmitglieder, die des Mordes an den wegen des PARLACEN-Mordes inhaftierten Polizeibeamten angeklagt worden waren. Das zweite Ereignis war die Übergabe von Videos und Aufnahmen an die Staatsanwaltschaft durch Enrique Castillo Medrano, Bruder des erwähnten "Manolito", einen Tag nach dem Mord an Martínez. Dieses Material beinhaltet angeblich Beweise hinsichtlich der Beteiligung einiger verdächtiger Personen an dem Mord im Februar 2007. Die Ermordung von Martínez reiht sich in eine Serie von Morden an Personen, die in die PARLACEN-Ermittlungen involviert waren. Erst dem an Víctor Rivera und Ende Juni an den Brüdern José Luis und Henry Danilo Benítez Barrios. Diese beiden gehörten vor einiger Zeit zu einem Spezialkommando der Nationalen Zivilpolizei (PNC), jetzt arbeiteten sie für die US-amerikanische Drogenbehörde DEA. Im März 2007 überlebten sie ein Attentat, als sie sich wie im Moment ihres Mordes gemeinsam im Auto befanden, dieses Mal wurden sie an einer Tankstelle in der Hauptstadt unter tödlichen Beschuss genommen. Bevor die Brüder Benítez Barrios von der DEA rekrutiert wurden, war von ihnen im letzten Jahr das erste Mal öffentlich die Rede wegen ihrer finsteren Rolle, die sie in der PNC gespielt haben. Unter anderem waren die beiden identifiziert worden, die als ehrenamtliche Berater in Sachen Geheimdienst und Gegenspionage seit August 2006 vom damaligen Polizeichefs Erwin Sperisen engagiert worden waren, als sie, ohne Mitglieder der PNC zu sein, vermummt und schwerstbewaffnet bei dem Sturm auf das Gefängnis Pavón im September 2006 teilnahmen, bei dem sieben mutmassliche kolumbianische Schwerverbrecher getötet worden waren. Der ¡Fijáte! berichtete. Und das Menschenrechtsprokurat stellte anschliessend fest, dass es zu Menschenrechtsverletzungen und aussergerichtlichen Hinrichtungen gekommen sei. Nach Zeugenaussagen seien diese von den Brüdern durchgeführt worden. Zwei Tage nach Veröffentlichung dieser Ermittlungsergebnisse durch die Tageszeitung elPeriódico kam es zu dem ersten Mordversuch an den Brüdern. Nichtsdestotrotz waren José Luis und Henry Danilo Benítez Barrios beteiligt an den Ermittlungen im Mord an den PARLACEN-Abgeordneten. Juan Carlos Martínez Gutiérrez hatte sich an jenem Montagmorgen deutlich früher als gewöhnlich auf den Weg von seinem Wohnort El Guayabo, Oratorio, Santa Rosa, in die Hauptstadt gemacht. ZeugInnen sagen aus, dass sie am Tag zuvor das Auto, das von den sechs Unbekannten gefahren wurde, als sie Martínez erschossen, gesehen hätten, wie es um dessen Wohnhaus herumgefahren sei. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich um Auftragsmörder handelte. Nach oben |
Der Assistent der Staatsanwaltschaft war auf dem Weg zu einem Treffen mit seinem Chef, dem Staatsanwalt für Tötungsdelikte, Álvaro Matus, um über den Freispruch der 13 Bandenmitglieder zu sprechen, die angeklagt waren, die vier Kriminalpolizeibeamten im Gefängnis El Boquerón am 25. Februar 2007 getötet zu haben. Eine Hypothese lautete, die vier seien bei einem Aufstand im Gefängnis umgebracht worden. Die Bandenmitglieder wurden am vergangenen 10. Mai freigesprochen, da das Gericht die vorgelegten Beweise für unzureichend erachtete, um die Taten den Angeklagten nachzuweisen. Dieses Urteil war insofern bedeutsam, als diese offizielle Version der Vorkommnisse von Anfang an in Frage gestellt worden war. Während die Gefängnisautoritäten behaupteten, die inhaftierten Bandenmitglieder hätten den Aufstand organisiert aus Angst vor Sozialer Säuberung im Inneren der Haftanstalt, versicherten Inhaftierte und Familienangehörige, die zu Besuch waren, dass die Wärter sie kurz vor Ende der Besuchszeit hinausschafften mit dem Argument, dass eine Routinedurchsuchung stattfände. Kurz darauf hörte man Schüsse im Inneren des Knastes. ZeugInnen bestätigten ein Fahrzeug mit vermummten Personen hineinfahren gesehen zu haben. Seit zwei Monaten hat Martínez Drohungen erhalten wegen seiner Ermittlungen im Fall der Mitglieder des Gemeinderates von Jutiapa. Somit tendiert die Staatsanwaltschaft derzeit mit ihren Hypothesen in diese Richtung . Angesichts der Tatsache, dass alle vier Ermordeten an den Untersuchungen des PARLACEN-Falls beteiligt waren, vermutet Iduvina Hernández, Direktorin der Menschenrechtsorganisation Sicherheit in Demokratie (SEDEM) gegenüber Inforpress: "Es wird eine Säuberung des Terrains um die Personen herum durchgeführt, die tatsächlich verantwortlich sind für den Mord an den Abgeordneten. Dabei kann man die Anwendung eines Musters zur Garantie der Straflosigkeit erkennen, das bekannt ist von den Morden an hochrangigen MenschenrechtsaktivistInnen." Unter dem vermeintlichen Beweismaterial befindet sich unter anderem ein Video, auf dem der ehemalige stellvertretende Polizeidirektor Javier Figueroa, der seit kurz nach dem PARLACEN-Fall flüchtig ist, und der ehemalige Direktor der Kriminalpolizei DINC, Victor Soto, zu sehen sind, wie sie mit einem Polizeiagenten sprechen, der nur mit dem Nachnamen Virula identifiziert wird. Die drei reden über einen mutmasslichen Drogen-"tumbe" (Drogenraub) und die Demontage des Fahrzeuges, in dem die vier Salvadorianer zum Tatzeitpunkt unterwegs waren. In einer anderen Audioaufnahme stellt Figueroa die Kommunikation in Frage, die sein telefonischer Gesprächspartner mit López Arreaga gehabt habe, einem der vier inhaftierten und schliesslich ermordeten DINC-Agenten. Ein weiteres Video wirft den Verdacht auf, dass die USA in irgendeiner Form in den Fall verwickelt ist. Es zeigt Raymond Campos von der Antidrogenabteilung (NAS) der US-amerikanischen Botschaft, den im Juni ermordeten José Luis Benitez und Fernando Papini, einen Angestellten der salvadorianischen Botschaft in Guatemala. In Anbetracht des Materials ist der Politanalyst Edgar Gutiérrez der Ansicht: "Über alle Spekulationen hinaus ist es gesichert, dass das, was Castillo Medrano vorlegt, die höchsten Autoritäten der Regierung unter Führung des ehemaligen Innenministers Carlos Vielmann bis Februar 2007 mit hineinzieht. Verwickelt sind auch externe Agenten und halbwichtige Funktionäre des Innenressorts. Das bedeutet, dass Minister Francisco Jiménez viele Dinge in seinem Amt überprüfen muss, um sich aus der Trance zu befreien, in der das Ressort steckt." |
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