Die Auswirkungen des Freihandelabkommen zwischen den USA, Mittelamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA) auf den Medikamentenmarkt und das Gesundheitswesen in Guatemala
Fijáte 445 vom 7. Oktober 2009, Artikel 1, Seite 1
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Die Auswirkungen des Freihandelabkommen zwischen den USA, Mittelamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA) auf den Medikamentenmarkt und das Gesundheitswesen in Guatemala
Der folgende Artikel berichtet von einer Forschungsstudie, die im August diesen Jahres in der wissenschaftlichen Zeitschrift Health Affairs veröffentlicht wurde, und zeigt auf, wie die Freihandelsabkommen zwischen den USA und Zentralamerika (DR-CAFTA) den Handelspartnern der USA den Zugriff auf lebenswichtige Medikamente einschränkt und zum Kauf von kostenintensiveren Produkten verpflichtet. Dies könnte insoweit für Europa von Bedeutung sein, da derzeit die EU über Handelsabkommen (Acuerdos de Associación) mit Mittelamerika verhandelt. Der Originaltext wurde von Health Affairs im Internet veröffentlicht (http://content.healthaffairs.org). Das DR-CAFTA ist ein Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua und sorgte in allen beteiligten Länder für Proteste. Das Abkommen garantiert nämlich US-Firmen den unbeschränkten Zugang zum Markt dieser mittelamerikanischen Länder, welche bis 2015 alle Importhürden für US-Produkte abgebaut haben müssen. Doch gerade die Importregulierung ist ein wichtiges Instrument vieler mittelamerikanischer Länder, um die wirtschaftliche Entwicklung im eigenen Land zu schützen. Weiterhin, wie besagte Forschungsstudie darstellt, werden lebenswichtige Generika-Medikamente, die weitaus kostengünstiger sind als die originalen Medikamente bekannter Marken, denjenigen vorenthalten werden, die zu den ärmsten Menschen der westlichen Hemisphäre gehören. Zunehmend ist es für Guatemala unmöglich, kostenreduzierte Medikamente zu produzieren oder zu importieren. Dies wird durch die Bestimmungen der Freihandelsabkommen bezüglich des Urheberrechts der Medikamente, welche von der pharmazeutischen Industrie der USA aufgezwungen werden, verhindert. Dementsprechend steht das Gesundheitswesen Guatemalas, dem jegliches Geld fehlt, vor immensen Kosten, die sich teilweise um bis zu 846% erhöhen. Dies betrifft wichtige Medikamente, die Krankheiten wie Diabetes oder HIV/AIDS behandeln. Personen, die an HIV oder AIDS erkrankt sind, geben zu, dass sie die Restriktionen umgehen, und versuchen, sich die benötigten Medikamente auf andere Art und Weise zu beschaffen. Ellen Shaffer und Joseph Brenner, die AutorInnen der Forschungsstudie des Zentrums zur Analyse von Handelspolitiken und Gesundheit (CPATH), rufen jetzt die Regierung Obama dazu auf, die Handelsabkommen zu überarbeiten, da sie die Kosten von Medikamenten nicht nur in armen Ländern wie Guatemala verteuert, sondern auch in den USA selbst. Die Forschungsstudie ergab, dass ein/e ArztIn im vollem Bewusstsein Behandlungen verweigert, die das Leben eines armen Patienten oder einer Patientin retten könnten - nur um des Profites willen. Allerdings könnten er/sie deshalb des Mangels an Berufsethos beschuldigt werden. Es stehen sich auf der einen Seite die Pharmaindustrie und US-Beamte, die Gesetze zum Datenschutz erlassen, und andererseits Gruppen, welche die Rechte der PatientInnen zu schützen versuchen, gegenüber. Letztere setzen sich gegen jene Normen ein und schafften es, dass Guatemala in fünf Gelegenheiten zwischen 1995 und 2005 die Datenschutzgesetze revidierte. Da ist zum Beispiel die Organisation Mujeres Positivas, welche die Rechte von HIV- und AIDS-infizierten Frauen vertritt. Sie fordert zur Zeit die Derogation von nationalen Gesetzen, welche Datenschutz bezüglich Medikamente auferlegen. Nach verschiedenen Interviews mit BeamtInnen des Gesundheitswesen und AktivistInnen in Guatemala kamen Shaffer und Brenner zum Schluss, dass kein Wechsel in der Politik der USA abzusehen ist, aber eine Unterstützung der Regierung dazu verhelfen könnte, die nationalen guatemaltekischen Gesetze zu ändern. Weiterhin wurden die Normen der Datenexklusivität und Patente näher untersucht. Diese sind in den Bestimmungen über Urheberrechte im DR-CAFTA und anderen Freihandelabkommen enthalten. Es ist vor allem beunruhigend, dass diese Normen nicht nur verhindern, dass erschwingliche Generika-Medikamente auf den Markt kommen, sie sind ausserdem noch rückwirkend tätig und nehmen bereits existierende Generika aus den Regalen der guatemaltekischen Apotheken. Die Patente erlauben den MedikamentfabrikantInnen bekannter Marken wie Novartis und Merck, die Konkurrenz von HerstellerInnen von Generika aus der Welt zu schaffen, und dies in den USA sowie in anderen Ländern. Die Datenexklusivität ist ein Extrabonus für die Pharmaindustrie, die Millionen von Dollars verdient. Nach oben |
Dies funktioniert anhand eines einfachen Prozesses. Die HerstellerInnen der Generika benutzen meistens die Daten der klinischen Tests, welche von den FabrikantInnen der bekannten Marken durchgeführt wurden, um die Sicherheit und den Wirkungsgrad ihrer Produkte zu demonstrieren. Jetzt verbietet das DR-CAFTA, dass diese Daten von den HerstellerInnen der Generika-Medikamente benutzt werden können, da sie durch ein Patent für eine bestimmte festgesetzte Zeit von mehreren Jahren geschützt sind. Manchmal gilt dieses Nutzungsverbot sogar noch, nachdem das Medikament einer bekannter Marke nicht mehr durch ein Patent geschützt wird. Und ohne die Daten können Generika-Medikamente nicht zugelassen und auf dem Markt verkauft werden. Es geht dabei um Medikamente wie Insulin, Antibiotika oder um solche, die bei Krebs oder AIDS eingesetzt werden, d.h. Medikamente die gleichzusetzen sind mit einer Entscheidung über Leben und Tod. Die Pharmaindustrie gleicht somit ihre Investitionen aus und schlägt darüber hinaus enormen Gewinn. Es ist klar zu erkennen, dass diese Normen der Datenexklusivität nicht aus wissenschaftlichen Gründen bestehen oder der Sicherheit wegen, sondern um ausländische Konkurrenz auszuschalten und die Gewinnspanne der US-Pharmaindustrie zu vergrössern. In besagter Forschungsstudie wurden 77 Medikamente, deren Daten geschützt sind, näher betrachtet. Dabei ergab sich, dass die Patente und der Datenexklusivschutz Auswirkungen auf die Wahl der zu kaufenden Medikamente der guatemaltekische Beamten des Gesundheitswesens haben. Diese fällt zwangsläufig auf Medikamente bekannter Marken, welche teilweise hunderte Male teuerer sind als die Generika-Medikamente. In anderen Fällen war eine Folge der Bestimmungen, dass der Verkauf von bestimmten Generika-Medikamenten in Guatemala von Anfang an verboten war. Einige Beispiele: - Das Insulin der Marke Lantus, hergestellt durch Sanofi Aventis U.S., kostet 50,31$ pro 100 ml (Preise von 2007), während seine Generikaversion, welche von Drogueria Pisa de Guatemala hergestellt wurde, nur 5,95$ kostet. Da aber Lantus bis 2016 durch die Datenexklusivität geschützt ist, werden die GuatemaltekInnenen weiterhin 846% mehr für dieses Produkt bezahlen, als sie für das örtlich fabrizierte Äquivalent zahlen würden. - Die gleiche in New Jersey ansässige Firma brachte ein Medikament, genannt Plavix, zur Vorbeugung von Herzinfarkten auf den Markt. Dieses ist in Guatemala durch Patente und Exklusivität bis 2019 geschützt, was zur Folge hatte, dass zwei Firmen, welche dieses Produkt bereits in Guatemala produzierten, das Markenregister entzogen wurde. - Das Medikament zur Behandlung von Leukämie, genannt Gleevec und hergestellt von Novartis, ist ebenfalls durch Patente geschützt, allerdings konnte man nicht feststellen bis zu welchem Jahr. Und bis dies nicht geklärt ist, wird man im Fall von Guatemala weder preislich erschwingliche Generika-Medikamente entwickeln noch verkaufen können. Die Forschungsstudie von CPATH veranschaulicht anhand empirischer Daten, wie DR-CAFTA und ähnliche Handelsabkommen schwerwiegende Folgen für die Handelspartnerländer verursachen. Diese Abkommen sind in der Lage, nationale Gesetze ausser Kraft zu setzten; Gesetze, welche den Import von Medikamenten zu günstigeren Preisen erlauben oder auf eine andere Art die Kosten verringern könnten. Die pharmazeutische Industrie nimmt auch an internationalen Prozessen teil, in denen es um Abmachungen geht, welche die Medikamentenpreise senken könnten und Patentgesetze sowie die Rechte der Länder, Export- und Herstellungslizenzen von Generika zu vergeben, betreffen. Ausserdem sitzen laut CPATH 27 VertreterInnen der Pharmaindustrie in mehreren US- Handelsberatungsausschüssen und 4 sind Teil des wichtigsten Ausschusses, dem für Handels- und Verhandlungspolitiken (ACTPN). Des Weiteren setzte die USA Guatemala mehrere Male auf eine Liste (dem Special Report 301 der United States Trade Representative), in der diejenigen Länder vorkommen, die wegen Verletzung von Urheberrecht aufgefallen und deshalb zu beobachten sind. Die Freihandelsabkommen und der Druck der USA führen dazu, dass sich Regierungen wie die von Guatemala in die Polizei der Pharmaindustrie verwandeln und dabei ihre Mandate in Bezug auf den Schutz des Gesundheitswesens vernachlässigen. Dementsprechend erzeugen die Freihandelsabkommen nicht wie vorgesehen einen freien und konkurrenzfähigen Markt, der auf lange Sicht die Kosten für alle verringert und die nationale Souveränität beschützt. Das Beispiel des DR-CAFTA sollte uns dabei helfen, in zukünftigen Freihandelsabkommen die Themen Gesundheitswesen und Menschenrechte zu priorisieren. |
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