Rosenberg-Folgen: Ermittlungen, Anzeigen, Mordkomplotte
Fijáte 436 vom 03. Juni 2009, Artikel 4, Seite 4
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Rosenberg-Folgen: Ermittlungen, Anzeigen, Mordkomplotte
Guatemala, 29. Mai. "Von einer politischen Krise zu einem Konflikt niedriger Intensität" könne der Prozess bezeichnet werden, der sich aus der Bedrohung entwickelt hat, Präsident Álvaro Colom des Amtes zu entheben, beschreibt Inforpress Centroamericana die aktuelle Situation hinsichtlich der Folgen des Mordes an dem Anwalt Rodrigo Rosenberg und die anschliessende Veröffentlichung eines Videos, das dieser vor seinem Tod aufgenommen hatte und in dem er unter anderem Colom und dessen Frau für den Mord an sich verantwortlich macht (siehe ¡Fijáte! 435). Nachdem Aussenminister Haroldo Rodas in Washington vorgesprochen hatte, war der Generalsekretär der Amerikanischen Staaten (OAS), José Miguel Insulza, nach Guatemala gereist und hatte sich mit den verschiedenen Sektoren zusammengesetzt. In seinem abschliessenden Bericht versichert er, dass "wir in der interamerikanischen Gemeinschaft beruhigt sein können hinsichtlich der Zukunft der Institutionalität in Guatemala". "Ich habe in keinem der Gespräche wahrgenommen, dass ein wirkliches Risiko für die demokratische Rechtsstaatlichkeit in Guatemala bestehen würde… Die Institutionalität ist solide, die Behörden funktionieren und diese Staatsgewalt wird von niemandem in Frage gestellt", so Insulza. Die Unterstützung Coloms und die Aufforderung, die Verfassungsordnung zu wahren, die die OEA, das System der Zentralamerikanischen Integration (SICA), die Europäische Union und selbst die Regierung der USA im Moment der Krise verlauten liessen, hätten, so Insulza, zu einer Wende geführt, die nicht nur Präsident Colom begünstigte, sondern zudem Türen für mögliche Verhandlungen geöffnet habe. Nichtsdestotrotz sei die Notwendigkeit zur Stärkung der Institutionen und der Justizverwaltung nicht zu leugnen. Insulza zeigte sich besorgt ob der Situation der öffentlichen Sicherheit; Fälle wie der von Rosenberg seien Zeichen für die Verwundbarkeit des aktuellen Systems. Der Regierung obliege derweil die Aufgabe, ihren politischen Willen zu zeigen, die Ermittlugen gegen das Präsidentenpaar und die Funktionäre zu ermöglichen, die Rosenberg als Verantwortliche für seinen Tod bezeichnet und die er in Verbindung bringt mit Korruption und Drogenhandel. Inzwischen sind die wesentlichen, von Rosenberg genannten und vermeintlich involvierten Institutionen von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden: die halbstaatliche ländliche Entwicklungsbank BANRURAL, die Nationale Kaffee-Vereinigung (ANACAFE) sowie die Föderation der Landwirtschaftlichen Kooperativen der KaffeeproduzentInnen von Guatemala (FEDECOCAGUA). Ergebnisse sind noch keien veröffentlicht worden. Die letzte Durchsuchung fand in vier Firmen von Gergorio Valdés statt, Financier der Regierungspartei sowie verschiedener anderer Parteien in vorherigen Wahlkampagnen. Rosenberg hatte in seinem Video Valdés beschuldigt, mit Hilfe des Privatsekretärs von Colom, Gustavo Alejos, seinen Tod geplant zu haben. Einige der Firmen von Valdés sind ob ihrer langen, dunklen und mit dem Drogenhandel verflochtenen Geschichte bekannt. Der Unternehmer pflegt weitreichende Investitionen in den verschiedensten Sektoren. Auch der salvadorianische Analyst Carlos Avilés, Drogenhandel-Experte und Vorsitzender der Bildungsstiftung für die Prävention des Drogenkonsums (PREVEE), legt nahe, dass die Ermittlungen des Falles Rosenberg sich am Drogenhandel als roten Faden orientieren sollten und nicht nur die Verstorbenen, sondern auch Familienangehörige, Regierungsfunktionäre und Unternehmer mit einbeziehen sollten. Avilés betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Drogenhandels für die Finanzierung der Wahlkampagnen in Guatemala. Angeblich habe der ehemalige, Anfang 2008 ermordete Regierungsberater Víctor Rivera eine entsprechende Studie über die Geldquellen der Regierungspartei Nationale Einheit der Hoffnung (UNE) geschrieben, von der Coloms Gattin Sandra Torres wusste. Die vielen offenen Fragen beschäftigen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG). Diese beantragte diese Woche mit Erfolg, den Fall Rosenberg unter Vorbehalt zu stellen, womit sie sich einer Erleichterung des Drucks erhofft, der auf den Ermittlungen lastet. Gleichzeitig arbeitet die Zeit gegen sie, denn diejenigen Sektoren, die darauf hoffen, dass die Kommission versage, werden keine Gelegenheit auslassen, Ablenkungsszenarien aller Art zu verbreiten. Nach oben |
Eine davon tauchte in diesen Tagen in Form einer Anzeige auf, die beim Menschenrechtsprokurat (PDH) eingereicht wurde, jedoch, so Inforpress, langsam aber sicher bereits an Glaubwürdigkeit verliert. Zunächst wurde der Name des Absenders geheim gehalten, doch die Tageszeitung elPeriódico enthüllte ihn, da sie Zugang zu dem Dokument hatte. Der Anwalt und ehemalige Richter Juan Carlos Solís Oliva denunziert darin sechs Personen - angeblich aufgurnd von Hinweisen einer nicht identifizierten Frau -, von denen drei namentlich genannt werden und die die vermeintlichen Auftragsmörder von Rodrigo Rosenberg sein sollen. Zwei der Genannten sind die Brüder Carlos und Gerson Nimatus, die sich zeitnah bei der PDH meldeten. Sie gaben an, Solís Oliva zu kennen, da er ehemaliger Nachbar von ihnen gewesen sei. Seitdem hätten sie Probleme mit ihm gehabt. Solís Oliva, so elPeriódico, habe allein in diesem Jahr schon zweimal Anzeige gegen die Brüder und weitere Personen erstattet und sie des Mordes, Kidnappings, Entführung, Erpressung, illegaler Vereinigung und des Drogenhandels beschuldigt. Aufgrund dieser Vorgeschichte beantragten die Brüder Schutzmassnahmen durch die PDH und legten eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wegen übler Nachrede, Diffamierung und falscher Beschuldigung gegen Solís Oliva ein. (Der Anwalt Solís Oliva ist Stiefsohn des Oberstleutnants Byron Lima Estrada, der zusammen mit seinem Sohn Byron Lima Oliva und dem Priester Mario Orantes wegen Mordes an Bischof Juan José Gerardi im April 1998 in Haft sitzt. Solís Oliva hatte "unabhängige Ermittlungen" im Fall des Mordes an Gerardi unternommen, doch seine Ergebnisse wurden vom Gericht zurückgewiesen. Der Anwalt hatte versucht, mittels Falschinformationen die Ermittlungen nach Möglichkeit abzulenken.) Kurz darauf machten der Generalsekretär der Patriotischen Partei, Ex-General Otto Pérez Molina und die Fraktionschefin Roxana Baldetti bekannt, dass es ein mutmassliches Komplott gebe, sie beide zu entführen und umzubringen. Zugleich gebe es einen geschützten Zeugen und einen bereits verhafteten Auftragsmörder, der den Mordplan gestanden habe. Offenbar hatte die PDH die Anzeige erhalten und den Zeugen zur Staatsanwaltschaft geschickt. Generalstaatsanwalt Amílcar Velásquez Zárate, der mehrmals von der Partei vorgeladen worden war, versicherte dieser schliesslich, die Ermittlungen folgten ihrem Gang, Beweis dafür sei, dass die beschuldigte Person bereits in Haft sei. Der Partei, die die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Fall Rosenberg in Frage stellt, wirft er derweil vor, den Fall zu ihren Gunsten zu politisieren. Die Patriotische Partei war eine der ersten gewesen, die nach Bekanntwerden des Videos von Rosenberg den Rücktritt von Colom forderte, um die Transparenz der Ermittlungen zu gewähren. Und sie stach hervor in der Unterstützung der Demonstrationen der RegierungsgegnerInnen. Auch Regierungssprecher Fernando Barillas muss sich der Patriotischen Partei erklären. Er hatte deren Anzeige des Mordkomplotts als "Politische Show" bezeichnet, die inszeniert wurde, nachdem der mutmassliche Plan, die Regierung zu destabilisieren, gescheitert war. |
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