¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo - 800 unsichtbare Landepisten
Fijáte 444 vom 23. September 2009, Artikel 5, Seite 5
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¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo - 800 unsichtbare Landepisten
Die Presse vom 31. August hatte es auf der Titelseite: In Guatemala gibt es 800 klandestine Landeplätze für Kleinflugzeuge. Guatemala, dessen Fläche kleiner ist als jene des Staates New York ist. Können Sie sich 800 klandestine Landepisten im Staate New York vorstellen? Aber keine Sorge, rund um diese versteckten Pisten operieren keine destabilisierenden Bauern und Bäuerinnen, deren Existenz von Goldminen oder grossen Wasserkraftwerken bedroht sind, auch keine Bauernorganisationen oder UmweltschützerInnen ... Es sind bloss die Pisten von Drogenhändlern. Spezielle Pisten, unsichtbar, genauso wie die Villa der Lorenzanas in einem kleinen Dorf in Zacapa (siehe ¡Fijáte! 424, Dorfentwicklung à la Drogenbosse"). Die sehr professionellen Sicherheitskräfte des Staates hätten diese Pisten im Nu gefunden, damals, wenn sie der Guerilla gehört hätten. Sie wären dagegen höchst professionell vorgegangen, so wie sie es heute machen, wenn BäuerInnen eine Finca besetzen. (So wie am vergangenen 20. August, als auf der Finca Dolores in Alta Verapaz 500 bewaffnete Elemente über eine unbedeutende Gruppe von 27 wehrlosen Familien herfiel.) Was wollen Sie - es geht schliesslich darum, das Vaterland zu schützen! Erinnern Sie sich, als die professionellen Sicherheitskräfte im Dienste des Vaterlandes diesen ungewöhnlichen Zylinder begleiteten, der auf der Panamericana transportiert wurde und diesem verfluchten transnationalen Unternehmen gehört, das 99% unseres Goldes abträgt und uns im Gegenzug ein paar mit Zyanid vergiftete Quellen hinterlässt? Zugegeben, schützen diese professionellen Sicherheitskräfte auch die Bevölkerung, in einem Land, das zu den gewalttätigsten des Planeten gehört. Die Ärmsten müssen zu Fuss oder auf einfachen Fahrrädern patrouillieren ... Aber Sie wissen ja auch, dass dies aufgrund der Sparmassnahmen der Regierung ist (Prensa Libre, 31. August 2009). Die Strukturen des guatemaltekischen Staates sind auf Sand gebaut, wenn es darum geht, die BürgerInnen zu schützen. Sie sind jedoch aus Stahl, wenn es um das Vorantreiben der Interessen einiger weniger exklusiver Familien geht, Alliierte der Mafia und der transnationalen Unternehmen. Tatsächlich ist es das Markenzeichen des Staates seit dem 19. Jahrhundert: eine verzweifelte Kombination aus Sand und Stahl, im Dienste einiger wenigen. Dieser ganze pseudodemokratische Diskurs wird auch in vielen anderen Staaten angewendet, zum Beispiel in Honduras: Das Flugzeug, das Präsident Zelaya im Pijama aus Honduras ausflog, machte nicht zufällig Station auf der Luftwaffenbasis von Palmerola, bevor es das Land verliess. Um Treibstoff auzutanken oder um das Okay der Gringos einzuholen? Honduras ist in den Händen von 15 Familien die, genauso wie jene, die in Guatemala herrschen, alles kontrollieren: Die Medien, die Banken und die Agroindustrie, die gemäss Leticia Salomón, Expertin der Nationalen Universtität, 90% der nationalen Produktion ausmacht (Holz, Zucker, Ölpalme). Es handelt sich um unheimliche Patrioten die, genauso wie in Guatemala, Präsidenten stellen und wieder absetzen und dafür sorgen, dass diese nicht einem unbequemen Nationalismus verfallen: "Ein so kleines Land wie Honduras kann sich den Luxus nicht leisten, eine Würde zu haben" (Ausspruch von Präsident Azcona del Hoyo, Ende der 80er-Jahre, zitiert von Ignacio Ramonet in rebelión.org vom 5. August 2009). Diese Unterwürfigkeit kennt man in Honduras schon seit langem, deshalb der Vorwurf der "Bananenrepublik". Ebefalls seit langem gibt es die weitverbreitete Armut, die heute 60% der Bevölkerung trifft. Nach oben |
Wie ein Glitzern im Dunkeln kam dann brillierend Manuel Zelaya, der versuchte, obwohl er einer grossen Latifundisten-Familien angehört, den gravierenden Gegensätzen des Landes zu begegnen: Er erhöhte den Mindestlohn, stoppte die Privatisierung von Elektrizität, Gesundheitswesen und Häfen und förderte die Partizipation der BürgerInnen. Hier stiess er an die Grenzen der Verfassung, die aus dem Jahr 1982, mitten im Kontext des kalten Krieges und der Doktrin der Nationalen Sicherheit stammt. Deshalb nahm sich Zelaya vor, einen Prozess einzuleiten, um die Magna Carta anzupassen, weil, wie er gegenüber der Zeitung El País vom 28. Juni 2009 erklärte, "die Armut kein Ende nimmt, solange die Gesetze nicht von den Armen geschrieben werden". Die überraschende Aufmerksamkeit Zelayas gegenüber den Forderungen des Volkes wurde von Ignacio Ramonet als eine "beispielhafte Bekehrung" bezeichnet, von den Abgeordneten seines Land jedoch als "geistige Umnachtung" disqualifiziert. Sein Verhalten erinnert uns in Guatemala an die beiden glaubwürdigsten Präsidenten unserer Geschichte: Arévalo und Arbenz. Kürzlich unterhielt ich mich mit SekundarschülerInnen über die Naturressourcen unseres Landes, als mich plötzlich jemand mit der Frage attackierte: "Und weshalb muss Guatemala, mit all den Ölvorkommen das es hat, Benzin importieren anstatt es zu exportieren"? Ich erinnerte mich an das berühmte Dektret 469 des Erdölgesetzes von Juan José Arévalo (1949), in dem die Bedingungen festgelegt waren, unter denen Ölgesellschaften ihre Raffinerien in Guatemala errichten konnten, so dass das Land innerhalb weniger Jahren sein eigenes Benzin hätte produzieren können. Mit dem Putsch der CIA im Jahre 1954 wurde dieser Traum zerstört und heute, anstatt selber Raffinierien zu besitzen, schenken wir den Ölfirmen 99% des Gewinns (dank eines Vermächtnisses eines aussergewöhnlichen Patrioten Namens Alvaro Arzú) und bezahlen für unser Benzin den Preis, den sie uns diktieren. Aber gut, immerhin haben wir 800 klandestine Flugplätze. |
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