Zeuge im Fall Bámaca ermordet
Fijáte 436 vom 03. Juni 2009, Artikel 7, Seite 6
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Zeuge im Fall Bámaca ermordet
Guatemala, 27. Mai. Mitte Mai ist Ángel Nery Urízar García auf offener Strasse erschossen worden, nachdem er seine Frau in der Schule abgesetzt hatte. Urízar war ehemaliges Mitglied der inzwischen aufgelösten militärischen Geheimdienst-Abteilung G-2 gewesen und im letzten Jahr festgenommen worden, beschuldigt des Kidnappings. In seinem Auto fanden sich 9´000 Quetzales in bar. Eine bedeutende Rolle spielte Urízar alias El Ojiva ("der Sprengkopf") in den Ermittlungen des Mordes an Efraín Bámaca, dem Kommandanten Everado des Guerilla-Kaders der Organisation des bewaffneten Volkes (ORPA). Nachdem Bámaco 1992 verschwunden war, tauchte in der Nähe eines Flusses eine Leiche auf, mit Schusswunden im Rücken und einem völlig entstellten Gesicht. Die Beschreibung des Körpers stimmte mit der des revolutionären Anführers überein und sofort wurde die Nachricht verbreitet, Bámaca sei tot. Sowohl das Militär als auch der damalige Menschenrechtsprokurator Ramiro de León Carpio brachten die Beschreibung in Umlauf, die sich vermeintlich in allem, ausser einem Detail mit der des Guerilleros deckten: Die Leiche hatte keine sichtbaren Narben. Die Ehefrau von Bámaca, die US-amerikanische Anwältin Jennifer Harbury, versicherte, dass diese Leiche nicht die ihres Mannes sei, der sich in den mehr als 10 Jahren des Kampfes zahlreiche Verletzungen zugezogen hatte, die ihre Spuren hinterlassen hatten. In diesem Moment tauchte Urízar García auf und gab die Umstände der Leiche bekannt. Der gefundene Körper, der schliesslich als N.N. begraben wurde, war in Wirklichkeit ein Militär namens Cristóbal Che Pérez und hatte in etwa die gleichen Züge wie Bámaca. Urízar sagte aus, die Befehle eines Militärs gehört zu haben: "Zieht ihm eine von den Uniformen von Kommandant Everado an, dann bringt ihr ihn zum vermeintlichen Ort des Kampfes. Dort bringt ihr ihn um, um den Kommandostab der Guerilla-Front Luis Ixmatá glauben zu machen, dass ihr Kommandant tot ist." Laut Urízar war Che Pérez ausgesucht worden, da er neben der physischen Ähnlichkeit zu Bámaca keine Familienangehörige hatte, die nach ihm hätten fragen können. Nach seiner Zeugenaussage verliess Urízar das Land und es ist nicht klar, wann er nach Guatemala zurückkehrte. Mit Hilfe von ballistischen Analysen und Phantombildern sucht die Polizei jetzt nach den Mördern von Urízar. Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof in Costa Rica hat den Staat Guatemala bereits für schuldig befunden für das Verschwinden von Efraín Bámaca und unter anderem angeordnet, dass dessen sterblichen Überreste gefunden würden und ermittelt werde, wer die materiellen Täter waren. Die meisten der von diesem Gericht mit Guatemala erreichten Vereinbarungen sind bis heute nicht erfüllt worden. So wird denn das Interamerikanische Tribunal im Juli in La Paz, Bolivien, erneut über den Fall des Massakers im Dorf Dos Erres, Petén, im Dezember 1982 Gericht sitzen, wegen der ausstehenden Durchsetzung der Justiz und der Komplizenschaft des Militärs. Nach oben |
250 Menschen waren damals von den Spezialkräften des Militärs, den Kaibiles, umgebracht und das Dorf dem Erdboden gleichgemacht worden. 27 Jahre seit dem Massaker und 15 Jahre, seitdem das Erzbischöfliche Menschenrechtsbüro (ODHAG) und die Vereinigung von Familienangehörigen von Festgenommenen-Verschwundenen in Guatemala (FAMDEGUA) als Nebenklägerin eine entsprechende Klage bei der Staatsanwaltschaft eingereicht haben, sind derweil vergangen. 1996 wurde der Fall vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission gebracht. Diese ist die Vorinstanz des Gerichtshofes. Sie bewertet und kanalisiert die eingereichten Klagen. Im Jahr 2000 liess sich Guatemala zwar auf eine freundschaftliche Abmachung ein, seine Verantwortung einzugestehen und die Ermittlungen, Entschädigungsleistungen gegenüber den Überlebenden und die Bestrafung der Verantwortlichen zuzusichern. Doch nichts davon ist geschehen. Stattdessen hat die Verteidigung der beschuldigten Militärs mittlerweile 35 Einsprüche erhoben, die den Strafprozess lahmgelegt haben. Im Jahr 2005 gab das Verfassungsgericht schliesslich einem dieser Rekurse statt und annullierte sowohl die Haftbefehle sowie gemachte Geständnisse der Beteiligten an dem Massaker. Nun nimmt sich also dieses Gericht auch des Falles 2 Erres an. Doch genauso wie die Vereinbarungen vor der Kommission sind auch die Urteile des Gerichtshofs nicht bindend und es gibt keine Sanktionsmöglichkeiten ausser der moralischen Diskreditierung des Staates. |
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