guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Austausch ja - Heirat nein

Fijáte 407 vom 09. April 2008, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 407 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte

Austausch ja - Heirat nein

Dann kommt es nicht mehr gross darauf an, ob ich dies in Guatemala oder in einem anderen Land erdulde, wo ich wenigstens etwas mehr verdiene als hier. Wenn die Jugendlichen dann wieder in die Gemeinden zurückkommen, gibt es oft Konflikte. Sie haben andere Gewohnheiten angenommen, haben sich gewalttätige Verhaltensweisen angewöhnt, respektieren ihre Familien nicht mehr.

Ein anderes Problem ist der Alkoholismus und die VGDrogenNF. Ich sehe darin den Versuch, die Jugend stillzuhalten. In der Werbung sehen wir nicht-indigene Machos, die nichts mit unserer Realität zu tun haben. Und trotzdem lassen sich viele indigene Jugendliche davon beeinflussen und haben das Gefühl, durch Alkohol so zu werden wie diese Typen.

In unserer Arbeit legen wir viel Wert darauf, diese Mechanismen und Denkweisen zu durchbrechen, Bewusstsein zu schaffen, dass der Alkoholismus nicht nur das Individuum, sondern auch die Familie, die Gemeinschaft zerstören kann.

Frage: Hat sich das Phänomen der VGmarasNF (Jugendbanden, die Red.) bereits bis in den Quiché ausgebreitet?

M.C.: Maras gibt es überall im Land. Doch die Jugendlichen sind nicht schuld! Schuld am Phänomen der maras ist das System, in dem wir leben. Ich will Gewalttätigkeit nicht entschuldigen, aber sie ist eine Frucht unserer Geschichte und der Tatsache, dass wir sie nicht verarbeitet haben.

Frage: Was erwarten junge Indígenas vom neuen Präsidenten?

M.C.: Leider läuft auch in dieser Regierung vieles irgendwo im Dunkeln ab. Schöne Worte sind das eine, die Praxis etwas ganz anderes. Zur Amtsübernahme hat der Präsident die Indígena-Autoritäten eingeladen, da standen die alten Männer mit ihren "Zeptern" als folkloristische Zierde.

Aber das heisst noch lange nicht "Unterstützung der indigenen Bevölkerung bei der Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse", wie es der Präsident während seiner Wahlkampagne versprochen hat.

Frage: Glauben Sie, dass die politische Zukunft der Mayas darin liegt, eine exklusive Indígena-Partei zu gründen?

M.C.: Ich glaube nicht an dieses ausschliesslich Indigene. Es hat bisher immer wieder Indígenas in den verschiedenen Kabinetten oder im Kongress gegeben. Aber weder haben sie meine Interessen vertreten, noch haben sie effektiv Entscheidungen treffen können. Ich glaube, wir müssen beginnen, mit der Basis zu arbeiten, mit den Leuten in den Gemeinden. Wir müssen uns endlich von der kolonialistischen Ideologie befreien und unsere wirkliche Identität finden.

Frage: Was hielten Sie von der Präsidentschaftskandidatur von VGRigoberta MenchúNF?

M.C.: Es war für die Mayabevölkerung ein wichtiger Moment. Es ist wichtig, dass Indígenas politische Räume besetzen. Klar, sie hatte die Unterstützung der Indígenas nicht, aber leider wurden diese auch ziemlich manipuliert - von Kräften, die verhindern wollten, dass es eine indigene Solidarität mit Rigoberta gab. Für das Selbstbewusstsein junger Indígenas ist aber eine Figur wie Rigoberta Menchú wichtig.

Frage: Sie sind eine explizit indigene Jugendorganisation. Haben Sie auch Kontakt zu nicht-indigenen Gruppierungen?

M.C.: Es gibt eine gewisse Verwirrung, was unsere Organisation betrifft. Viele Leute glauben aufgrund des Namens, dass ausschliesslich Mayas beitreten können. Als Organisation nennen wir uns zwar so, aber wir sind offen für den Austausch mit anderen.

Gerade wir jungen Leute sollten das Ausschliesslichkeitsdenken ablegen. Wir müssen aufhören mit dieser Trennung zwischen indigen und nicht-indigen.

Frage: Sind sie verheiratet?

M.C.: Nein.

Frage: Haben Sie eine Freundin oder Verlobte?

M.C.: Ich hatte eine.

Frage: Könnten Sie sich vorstellen, eine nicht-indigene Frau zur Freundin zu haben oder zu heiraten?

M.C.: Pues… Mir geht es um den Austausch. Ich glaube, etwas vom Wichtigsten ist der Respekt. Wenn ich eine nicht-indigene Frau kennenlerne, mich mit ihr austausche, wir einander erzählen, heisst das noch lange nicht, dass ich mich auch gleich durchsetzen muss - oder sie. Ich respektiere ihre Kultur, sie respektiert meine Kultur, aber heiraten müssen wir deswegen noch lange nicht.

Frage: Sie sind 27 Jahre alt, nicht verheiratet und Mitglied einer Jugendorganisation. Wäre es nicht langsam an der Zeit "erwachsen" zu werden?

M.C.: Für uns Maya hängt das Erwachsensein nicht mit dem Alter zusammen. Ich kann nach wie vor in einer Jugendorganisation aktiv sein, solange ich mich mit deren Zielen identifiziere und mich mit den Leuten verstehe.

Frage: Wie lange zählt man denn bei Ihnen zur Jugend? Bis zur Heirat oder bis zum Eintritt ins Berufsleben?

M.C.: Wann die Jugendzeit aufhört? Wenn man das Handtuch wirft!


PDF Original-PDF 407 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte