Die Indigenen Völker gegen den Rest der Welt
Fijáte 213 vom 5. Juli 2000, Artikel 1, Seite 1
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Die Indigenen Völker gegen den Rest der Welt
Die UNO gibt es seit dem Ende des zweiten Weltkrieges, als man davon ausging, dass es eine Instanz geben müsse, in der alle Nationen vertreten sind, bzw. die einzelnen Staaten oder Regierungen. Seit rund fünfzehn Jahren kämpfen die Indigenen Völker darum, bei der UNO einen anerkannten Status zu bekommen. Rigoberto Juárez, Delegierter der Koordination der Mayaorganisationen Guatemalas (COPMAGUA), vertritt die guatemaltekischen Indígenas vor der UNO. Im folgenden erzählt er von den Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit den Regierungsdelegierten um einen Sitz für die Indigenen Völker innerhalb der UNO. Die Vereinten Nationen (UNO) funktionieren auf verschiedenen Ebenen: Auf höchster Ebene ist der Generalsekretär, danach kommt die Vollversammlung, in der alle Nationen der UNO vertreten sind, ebenso die verschiedenen Mitlieder mit Beobachterstatus. Nach der Vollversammlung kommen die verschiedenen Organe der Vereinten Nationen: Der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), die Justizkommission und andere mehr. Jede dieser Kommissionen ist wiederum unterteilt in verschiedene Abteilungen und ich möchte an dieser Stelle das Funktionieren der Kommission für Menschenrechte etwas näher beleuchten. Die Menschenrechtskommission ist eine der Unterabteilungen der Kommission für Wirtschaft und Soziales (ECOSOC). Vor etwa 20 Jahren traten zum ersten Mal VertreterInnen der Indigenen Völker vor diese Unterkommission für Menschenrechte und brachten ihre Anliegen vor. Dies führte dazu, dass einige Jahre später, vor rund 15 Jahren, die ExpertInnenengruppe für Indigene Völker als Teil der Unterkommission für Menschenrechte gegründet wurde, deren Aufgabe es ist, sich um die Belange der Indigenen Völker zu kümmern und eine Deklaration zu den Rechten der Indigenen Völker zu erarbeiten. Mit der Schaffung eines Forums innerhalb dieser ExpertInnengruppe hat sich ein Spielraum eröffnet für VertreterInnen der Indigenen Völker. An diesem Forum können alle Indígenas teilnehmen, die wollen, ob sie nun als Einzelpersonen sprechen oder als VertreterInnen von Organisationen, Indigener Gemeinden oder Indigener Völker. Sie können hier ihre Anklagen und Fälle von Menschenrechtsverletzungen vorbringen und Vorschläge bezüglich der Rechte der Indigenen Völker machen. In diesem Forum sitzen also die Mitglieder der Menschenrechtskommission und die ExpertInnengruppe für Indigene Völker und hören sich alle Voten der Indigenen Völker an. Eine Auswahl dieser Voten wird in einem Bericht zusammengefasst, und es werden (meist sehr generell gehaltene) Empfehlungen abgegeben. Diese von der Expertenkommission ausgearbeiteten Empfehlungen können im besten Fall zu einer Deklaration führen, die aber noch von der Menschenrechtskommission abgesegnet werden muss. Bei diesen Diskussionen sind die VertreterInnen der Indigenen Völker ausgeschlossen und die Entscheidungen werden schlussendlich von den in der Unterkommission vertretenen Staaten getroffen. Meist sind das sehr mühsame Diskussionen. Ausgehend von diesem, die Teilnahme der Indigenen Völker ausschliessenden Mechanismus suchten wir eine Möglichkeit, wie wir innerhalb dieser ExpertInnenengruppe für Indigene Völker und der Unterkommisison für Menschenrechte mehr Gewicht einnehmen könnten. Die Regierungen der Niederlande und anderer nordischen Länder haben sich innerhalb der UNO für die Schaffung eines sog. ,foro permanente' für Indigene Völker starkgemacht. Bezeichnenderweise sind es Länder, die selber keine Indigenen Bevölkerung haben, die sich für unsere Interessen eingesetzt haben. Die Länder unserer Hemisphäre sind zu rassistisch, als dass sie sich für eine solche Forderung eingesetzt hätten. Die Herrschenden in unseren Ländern sind Kreolen, d.h., sie bezeichnen sich als direkt von den Spaniern abstämmig und haben nie akzeptiert, dass es neben ihnen noch etwas anderes gibt. Damit rechtfertigen sie auch die Diskriminierung und die Ausbeutung, die sie an uns begehen. Vor ca. 4 Jahren hat nun die Regierung der Niederlande der Subkommission die Schaffung eines solchen ,foro permanente' vorgeschlagen. Die Menschenrechtskommission schlug daraufhin die Gründung einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe vor, die paritätisch zusammengesetzt ist, d.h. mit Vertretung der Regierungen sowie der Indigenen Völker. Die Aufgabe dieser Gruppe ist, die Form und Aufgabe eines solchen 'foro permanente' zu studieren und der Menschenrechtskommission einen entsprechenden Vorschlag einzureichen. Im Februar letzten Jahres hat sich diese Ad-hoc-Arbeitsgruppe zum ersten Mal getroffen. Es war nicht möglich, einen Konsens zu erlangen, um ein gemeinsames Dokument zu erarbeiten, das die Schaffung eines 'foro permanente' in die Wege leiten sollte. Eine zweite Sitzung musste vereinbart werden, deren Ziel es war, eine gemeinsame Empfehlung an die Menschenrechtskommission zu erarbeiten. Diese zweite Sitzung hat im Februar dieses Jahres stattgefunden, doch es kam wieder zu keiner Einigung. Die Diskussionen innerhalb der Ad-hoc-Arbeitsgruppe drehten sich vor allem um drei Begriffe: 1. Der Begriff ,Volk'. Wir fordern, dass der Begriff ,Indigene Völker' in allen UNO-Dokumenten, die uns betreffen, vorkommt. Die Regierungen unserer Staaten akzeptieren uns jedoch nicht als ,Völker'. Für sie sind wir ,Indígenas', d.h., einzelne Individuen, oder im besten Fall sind wir für sie Dörfer oder Gemeinschaften. Unsere Regierungen befürchten, dass mit der Anerkennung des Begriffs ,Indigene Völker', auch automatisch das Recht auf Autonomie anerkannt ist. Sie haben Angst, dass sich innerhalb der einzelnen Länder ,Indígenaländer' bilden würden. Sie verwechseln da zwei Dinge, und schüren in sich selber eine Angst. Dies ist jedoch nicht unsere Idee. Wenn wir von ,Völkern' sprechen geht es um Kultur, die wir als etwas Globales, Soziales, Gemeinschaftliches verstehen. Und genau diese Kultur haben uns die Staaten zerstört. Um diese wiederzuerlangen, fordern wir die Anerkennung des Begriffs ,Völker'. Nach oben |
Der zweite Begriff, den sie nicht akzeptieren, ist derjenige des ,territorialen Rechts'. Ein Volk hat das Recht auf eigenes Land. Und wenn einem Volk das territoriale Recht zugestanden wird, kann keine Instanz, sei diese staatlich oder privat, intervenieren. Wohlbemerkt, die Transnationalen Unternehmen respektieren dieses Recht nicht und dringen in von Indigenen Völkern bewohnte Gebiete ein! Das dritte Thema, auf das die Regierungen nicht eingehen wollen, ist das ,Kollektivrecht'. Für sie gibt es individuelle Rechte, aber keine kollektiven Rechte. Das Kollektivrecht gilt nur für Länder, es gibt z.B. das Kollektivrecht der guatemaltekischen Gesellschaft, aber es gibt kein Kollektivrecht für ein Volk innerhalb einer Nation. Diese drei Forderung brechen mit den herrschenden Gesetzen und die Regierungen argumentieren dagegen, indem sie sagen, dass wir einen Staat innerhalb des Staates wollen. Aber darum geht es uns ja gar nicht. Über diese drei Themen konnte sich die Ad-hoc-Arbeitsgruppe nicht einigen und wir konnten keine gemeinsame Resolution verabschieden. So wurde bloss ein Bericht eingereicht, in dem festgehalten ist, dass wir zu keinen Konsens kamen, und der verschiedenen Meinungen dokumentiert. Für uns ist es sehr schlimm, dass wir nicht zu einem Konsens kamen, denn so wie die Situation jetzt aussieht, stehen die Chancen schlecht für ein 'foro permanente' der Indigenen Völker. Grundsätzlich ist man sich zwar einig, dass ein solches 'foro permanente' geschaffen werden muss, und zwar 'auf höchster Ebene', wie es in dem Dokument hiess. Doch was bedeutet ,auf höchster Ebene'? Auch das ist ein Begriff, der in der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Diskussionen auslöste. Die Indigenen Völker haben halbwegs akzeptiert, dass das 'foro permanente' unter der Führung des Rats für Wirtschaft und Soziales (ECOSOC) gestellt wird, etwa gleichwertig wie die Menschenrechtskommission. Ebenfalls einigen konnte man sich darauf, dass das 'foro permanente' eine paritätische Vertretung haben und aus nicht mehr zwanzig Personen bestehen soll. Seitens der Indigenen Völker forderten wir, dass es mindestens 34 Personen sein sollen, somit wären immerhin je zwei VertreterInnen aller Gebiete, in denen wir glauben, dass Indigenen Völker leben, im 'foro permanente' vertreten. Darüber brach die Diskussion aus, nach welchen Kriterien ein Volk als ,Indigenes Volk' definiert wird. Es gibt Staaten, die von sich behaupten, sie hätten keine Indigenen Völker, einige afrikanische und asiatische Staaten z.B. Das Problem ist, dass es keine offizielle Definition gibt, was ein Indigenes Volk ist. Es gibt eine Studie der Vereinten Nationen über Indigene Völker, herausgegeben vom kubanischen Vertreter innerhalb der Expertenkommission. Doch diese Studie bezieht sich auf die Indigenen Völker in Amerika. Für die asiatischen und afrikanischen Länder gibt es noch keine definierten Charakteristiken, was Indigene Völker sind und was sog. ,Minderheitengruppen'. Für uns ist jedoch klar, egal wie sie definiert werden, gibt es in Asien und Afrika Gruppen, die unter ähnlichen Bedingungen leben wie die Indigenen Völker Amerikas und deshalb müssen sie einbezogen werden, wenn es um die Schaffung der Zukunft der Indigenen Völker geht. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit soweit beendet. Die Sache liegt jetzt in der Hand der Menschenrechtskommission bzw. der Kommission für Wirtschaft und Soziales (ECOSOC), und was wir jetzt machen müssen, ist Lobbyarbeit. Die Entscheidung über die Gründung eines 'foro permanente' für Indigene Völker fällt voraussichtlich im Sommer. Das Problem ist, dass wir zu diesen Sitzungen keinen Einlass haben, es werden nur die Regierungen daran teilnehmen. Um da reinzukommen, muss eine Organisation den ,Beobachterstatus bei der UNO' (estatus consultivo) haben, was in Guatemala bei keiner Organisation der Fall ist, d.h. wir müssen uns immer über andere Organisationen einmischen. Trotzdem glaube ich, dass sich die ganze Arbeit lohnt. Vielleicht kann man nicht viel erreichen, aber man erreicht immerhin eine Sensibilisierung für das Thema. Es geht uns nicht in erster Linie darum, ob ein 'foro permanente' geschaffen wird oder nicht, sondern das Thema selber ist ,permanent', man muss permanent daran arbeiten. Klar ist unser Ziel, innerhalb der UNO eine Instanz für Indigene Völker zu haben, aber wir sind uns auch bewusst, dass die UNO eine höchst bürokratische Organisation ist und wir uns nicht nur darauf konzentrieren können, sondern parallel dazu auch auf anderen Ebenen aktiv sein müssen. Auf staatlicher Ebene z.B. Wenn wir als guatemaltekische Indígenas hier nicht vertreten wären, wer weiss, was für eine Position die guatemaltekische Regierung dann gegenüber der Schaffung eines 'foro permanente' für Indigene Völker einnehmen würde! Wir verfolgen eigentlich zwei Hauptziele: einerseits die ganze Sache hier bei der UNO und andererseits wollen wir auch einen Einfluss auf die guatemaltekische Regierung in Bezug auf diese Frage nehmen. Das ist pure Lobbyarbeit und es geht uns nicht um Druckausübung sondern um politische Beziehungen. In dieser Beziehung würde ich sagen, haben wir einiges erreicht. Die Einstellung der guatemaltekischen Regierung gegenüber den Indigenen Völkern hat sich in den letzten Jahren verändert. Aber die Hauptfrage bleibt bestehen: Wie ist es möglich, dass das Thema Indigene Völker ein spezielles Thema innerhalb der Menschenrechte sein muss, wenn doch die meisten Verletzungen der Menschenrechte an der indigenen Bevölkerung begangen werden? |
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