Finanzpakt: Uneinigkeit über Mehrwertsteuer
Fijáte 213 vom 5. Juli 2000, Artikel 3, Seite 3
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Finanzpakt: Uneinigkeit über Mehrwertsteuer
Guatemala, 30. Juni. Als ein "historisches Ereignis" und "wichtige Grundlage für die Umsetzung der Friedensabkommen" wird das Anfang Junivon über hundert Organisationen, Institutionen und der Regierung unterzeichnete Finanzpaket einstimmig bezeichnet. Schon bei der Unterzeichnung wurde eine Kommission ernannt, die das Aushandeln der 'Detailfragen' koordinieren und leiten soll. Wie sich aber in den letzten Wochen gezeigt hat, geht es bei diesen 'Details' jedoch um handfeste Interessen einzelner Sektoren. Zwar sind sich alle einig, dass der Staat mehr Steuereinnahmen braucht, doch bezahlen will sie niemand. Über die am meisten umstrittenen Punkte wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Besteuerung der Freihandelszonen konnte bisher keine Einigung erzielt werden. Die Diskussion darüber, welche und wieviel die verschiedenen Steuern erhöht werden sollen, fand unter Zeitdruck statt, da am 1. Juli das neue Steuerjahr beginnt und einige der Änderungen ab sofort in Kraft treten sollen. Am 28. Juni konnte der Kongress ein erstes, 34 Punkte umfassendes Steuerpaket verabschieden. Dieses erhielt die Zustimmung des Zivilsektors, des UnternehmerInnenverbandes (CACIF), der Regierung und, mit Ausnahme der Partei der Nationalen Allianz (PAN) und deren Abspaltung, den Unionisten, die aller Kongressparteien. Geändert, bzw. ab 1. Juli erhöht, werden die Fahrzeugsteuer (auf mind. 14 US-$ pro Jahr), die Ausreisesteuer (auf 30 US-$) sowie die Einkommensteuer. Unternehmen, die seit weniger als fünf Jahren bestehen, können höchstens 5% ihres Verlustes vom Nettoeinkommen abziehen. Für von Familienangehörigen im Ausland verdient und nach Guatemala zurückgeschickte Gelder (Remesas) muss keine Steuer bezahlt werden. Über die Erhöhung der Alkoholsteuer wurde zwar anfänglich eine Einigung getroffen, doch diese musste wegen Protesten des CACIF rückgängig gemacht werden. Die schon in der Diskussion des Finanzpaktes gegensätzlichen Positionen der Regierung und des CACIF erlebten bei der Frage der Mehrwertsteuer ihren Höhepunkt. Der CACIF ist für eine Erhöhung, weil eine solche ihm nicht schadet, da die Unternehmen die bezahlte Mehrwertsteuer wieder zurückfordern können. Die Regierung spricht sich gegen die Erhöhung aus, da sie immense sozio-politischen Kosten befürchtet und weil der CACIF nicht davon betroffen ist. Dafür schlägt sie eine Besteuerung der Dollar-Transaktionen vor, wogegen sich wiederum der CACIF, aber auch die Weltbank und die internationalen Finanzinstitute wehren. Die Mehrwertsteuerfrage schafft eine Spaltung durch alle Lager. Da nämlich der CACIF in seinem Vorschlag einige fortschrittliche Änderungsvorschläge präsentierte, entstand plötzlich eine Interessensgemeinschaft mit der Begleitkommission der Friedensabkommen und Teilen des zivilen Sektors. Eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite die 'unheilige Allianz' der UnternehmerInnen, der Begleitkommission und einzelner VertreterInnen der Zivigesellschaft, die sich für die unpopulärste aller Steuern starkmacht und auf der andern Seite die rechtskonservative FRG, die 'die Interessen des Volks' verteidigt. Präsident Portillo argumentierte, die Achillessehne des Staates sei nicht die Mehrwertsteuer, sondern grundsätzlich die Steuerhinterziehung, die noch immer rund 60% beträgt. Nach oben |
Klar gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer hat sich auch der staatliche Menschenrechtsprokurator sowie die Wirtschaftsfakultät der Universität San Carlos (USAC) und Gewerkschaften ausgesprochen. Es hat sich eine Anti-Mehrwertsteuer-Bewegung gebildet, die von Tag zu Tag wächst. In einem offenen Brief an den Kongress ruft die Begleitkommission dazu auf, das Finanzabkommen als etwas zu sehen, das nebst Finanzierung der Friedensabkommen auch eine Basis für politische Stabilität schafft. |
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