Fall Gerardi: Urteil gefällt
Fijáte 237 vom 13. Juni 2001, Artikel 2, Seite 3
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Fall Gerardi: Urteil gefällt
Guatemala, 9. Juni. Auf Mitternacht war es angekündigt, morgens um 5.30 Uhr wurde es gefällt, das Urteil im Fall Gerardi. Das Gericht, zusammengesetzt aus zwei Frauen und einem Mann, verurteilte den früheren Geheimdienstchef, Disrael Lima Estrada, zu dreissig Jahren Gefängnis wegen aussergerichtlichen Hinrichtung. Die selbe Strafe erhielten die beiden ehemaligen Mitglieder der Präsidentengarde Byron Lima Oliva und José Obdulio Villanueva, wobei Lima Oliva eine zusätzliche Strafe von zwei Jahren wegen Gebrauch von falschen Dokumenten erhielt. Der Priester Mario Orantes wurde wegen Komplizenschaft zu zwanzig Jahren verurteilt. Die Haushälterin, Margarita López, wurde freigesprochen. Die Anwälte der Militärs und Orantes' kündeten an, das Urteil anzufechten. Dazu haben sie zehn Tage Zeit. Zum ersten Mal hat in Guatemala ein ziviles Gericht Militärangehörige verurteilt, die in schwere Menschenrechtsverletzungen involviert sind. Das Urteil wird von der katholischen Kirche und den Menschenrechtsorganisationen als historisch und ausserordentlich wichtig gewertet. Es sei ein erster Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung der Straflosigkeit. Als Farce bezeichnete Byron Lima Oliva das Urteil. Die Anwesenheit so vieler ausländischer BeobachterInnen, darunter die amerikanische Botschafterin Prudence Bushnell, sei ein klarer Beweis dafür, dass die RichterInnen bestochen worden seien. Er sei unschuldig und würde weiterkämpfen, bis das bewiesen sei, erklärte Lima Oliva. Nach oben |
Als Kronzeuge gilt Ruben Chanax Sontay, ein Obdachloser, der sich in der Nähe des Pfarrhauses, in dem Gerardi lebte, aufhielt. Er sagte vor Gericht aus, er sei von den Limas und Villanueva angeheuert worden, um Bischof Gerardi auszuspionieren. Ihm wurde angekündigt, dass in besagter Nacht jemand sterben werde. Chanax Sontay gab an, Villanueva und Lima Oliva in der Mordnacht im Haus des Bischofs gesehen zu haben. Lima Oliva habe den Toten bewegt und Videoaufnahmen von ihm gemacht, während sein Vater, Lima Estrada aus einer nahegelegenen Kantine die Operation überwacht habe. Die Anwälte der Verurteilten sagten, Chanax Sontay sei von Menschenrechtsgruppen dafür bezahlt worden, diese Aussage zu machen und die Regierung benutze die drei Militärs als Sündenböcke für die Menschenrechtsverletzungen während des Krieges und um das Image der Justiz aufzupolieren. In der Schlussresolution des Gerichts hiess es: "Die Ermordung des Bischofs hat politische Motive. Sie war nur möglich mit personeller und infrastruktureller Hilfe des Staates. Die intellektuellen und materiellen Urheber sind in den Sicherheitskräften des ehemaligen Präsidenten Alvaro Arzú zu finden". Deshalb gab sich das Gericht nicht mit der Verurteilung der vier zufrieden sondern ordnete weitere Untersuchungen an. Der Staatsanwaltschaft wurde aufgetragen, Untersuchungen gegen Rudy Vinicio Pozuelos, Ex-Chef des präsidialen Generalstabs (EMP), Francisco Escobar Blas, seinen Stellvertreter sowie gegen Eduardo Villagran Alfaro und Julio Manuel Meléndez Crispín, ebenfalls Mitglieder des EMP einzuleiten. Weiter soll eine Untersuchung gegen Dario Morales geführt werden, der in der Mordnacht aus ungeklärten Gründen am Tatort auftauchte und fotografierte. |
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