Mordfall Gerardi: Byron Lima Estrada gibt sich selbstsicher
Fijáte 236 vom 30. Mai 2001, Artikel 8, Seite 6
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Mordfall Gerardi: Byron Lima Estrada gibt sich selbstsicher
Guatemala, 15. Mai. Der Prozess im Mordfall von Bischof Juan Gerardi ist in seine Endphase getreten. Im Verlauf der seit dem 22. März 2001 dauernden Verhandlung wurden über 80 ZeugInnen vernommen, 13 TechnikerInnen der Staatsanwaltschaft legten die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vor und mit elf Videoaufnahmen wurde versucht, den Tathergang zu rekonstruieren. Im Moment fehlen noch neunzehn Aussagen von Personen, die sich bisher weigerten, vor Gericht zu erscheinen, wie z.B. der Innenminister Byron Barrientos, Ernesto Gálvez, guatemaltekischer Botschafter in Argentinien, oder Howard Yang, ehemaliger Leiter des Sekretariats für strategische Analysen (SAE). Während den Verhandlungen kam es immer wieder zu Drohungen und Attentaten gegen RichterInnen, StaatsanwältInnen, aber auch gegen ZeugInnen. Unter anderem wurden solche Drohungen auch von den drei angeklagten Militärs während ihrer Einvernahme ausgesprochen. Die Aussagen der ZeugInnen der Staatsanwaltschaft und des erzbischöflichen Menschenrechtsbüros (ODHA) weisen eindeutig darauf hin, dass es sich bei der Ermordung Gerardis um eine von langer Hand geplante, politische Angelegenheit handelte. Die Beteiligung des Präsidialen Generalstabs (EMP) wurde durch ihre Aussagen eindeutig bestätigt, was seitens der angeklagten Militärs immer geleugnet wurde (wird). Überhaupt ist es erstaunlich, mit welcher Sturheit vor allem der angeklagte Ex-Mayor Byron Lima Estrada seine Unschuld verteidigt und welche Geschichten und Verschwörungstheorien er sich zurechtlegt. Am 13. Mai erschien in der Tageszeitung elPeriódico ein Interview mit ihm, aus dem wir hier einige selbstredende Aussagen zitieren: - Weshalb werden gerade Sie angeklagt, in den Mordfall Gerardi involviert zu sein? - Weil die Limas schon immer AN-TI-KOM-MU-NIS-TISCH waren. Wir haben gegen die unterdrückerische Regierung auf der Insel gekämpft, die sich auch hier breitmachen wollte. Was jetzt gegen mich läuft, ist ein Racheakt derjenigen, die auf militärischer Ebene verloren haben und jetzt ihren Kampf auf die politische Ebene verlegt haben. - Weshalb haben Sie bis zuletzt gewartet, um die Aussage Ihres Freundes, Mayor Edgar Carillo, zu präsentieren, der sagt, er sei in der Mordnacht bis gegen zehn/elf Uhr mit Ihnen zusammen gewesen? - Ich wurde ja nie danach gefragt! Die ersten Einvernahmen waren schrecklich für mich, die Richterin liess mich nicht ausreden. Ich kam hierher ins Gefängnis in der Annahme, es handle sich um eine Routinesache. Nun bin ich seit eineinhalb Jahren hier. Ich hätte längst fliehen können, aber da ich unschuldig bin, habe ich es nicht gemacht. - Sprechen wir von Chanax Sontay. Es gibt Leute, die immer noch an ihm zweifeln, es gibt aber auch Leute, die seinen Aussagen glauben und in ihm den wichtigsten Zeugen sehen. - Nachdem er sechs oder sieben mal vor seinem Gewissen und dem guatemaltekischen Volk geschworen hat, wer will noch an ihm zweifeln? Die PRESSE hat ihn hochstilisiert und das Volk glauben gemacht, die Limas seien Mörder. Es heisst, ich sei in der Umgebung des Pfarrhauses gewesen, habe Bier getrunken und die ganze Sache überwacht. Ich, Mayor Lima! Ich habe eine Ausbildung in militärischem Geheimdienst und bin nicht Polizist, um Dinge zu überwachen und ähnlichen Blödsinn zu machen. Und mein Sohn wurde ausgewählt, um Präsidenten zu begleiten und zu beschützen und nicht, um Bischöfe umzubringen. Nach oben |
- Aber eigentlich haben Sie im Prozess einen schlechten Stand. Zuerst sagte Chanax Sontay, er sei von Ihnen angeworben worden, dann wurden die Fahrzeugschilder identifiziert, die zu einer von ihnen befehligten Militärbase gehören und dann kam noch ein Zeuge, der aussagte, Gerardi sei in dieser Zeit vom Geheimdienst überwacht worden und... - WER sagt das alles? Es ist die Presse, die das alles in schillernden Farben malt, die antimilitaristische Presse. Die Presse ist weder ehrlich noch objektiv, ich hoffe nur, dass SIE alles schreiben werden, was ich Ihnen hier sage! - Was geschieht, wenn die RichterInnen Chanax Sontay glauben? - Das ist ihre Sache und sie werden damit in die Geschichte eingehen. Weshalb fragen Sie nicht, was passiert, wenn sie uns freisprechen? Ich werde es Ihnen sagen: Dann werden die Köpfe rollen von Leuten wie Mario Polanco und Miguel Angel Albizures und all denen, die dann sagen werden, die RichterInnen seien bestochen worden. - Im Bericht von Monseñor Gerardi, dem REMHI, werden Sie beschuldigt, in Gebieten Militäroperationen geleitet zu haben, in denen Verbrechen gegen die Menschheit begangen wurden und... - Sprechen Sie mir nicht von Verbrechen gegen die Menschheit, was sind überhaupt Verbrechen gegen die Menschheit? Hier gab es einen Krieg und in einem Krieg wird geschossen und nicht Süssigkeiten verteilt! - Aber es kamen unschuldige Personen, Frauen und Kinder um. - In jedem Krieg kommen Zivilpersonen um und im Vergleich zu anderen Kriegen waren es in Guatemala sehr wenige. - Glauben Sie, die Anschuldigungen des REMHI gegen Sie, können Ihnen etwas anhaben? - Wie auch, diese ZeugInnenaussagen sind alle gelogen. Das Militär hat nie die Lügen begangen, die das REMHI ihm anhängen will. 'Kinder vergewaltigen', 'Schwangeren Frauen die Bäuche öffnen'... alles Lügen! - Bereuen Sie nichts aus ihrem Leben? - Etwas bereuen? Mein ganzes Leben war glücklich. Schauen Sie, was ich hier habe (ein Kruzifix und ein Medallion der Jungfrau Maria). Es ist der Wille Gottes, dass ich heute hier bin. Ob zu recht oder nicht: ich bin glücklich. - Haben Sie auch Defekte? - Mein einziger Defekt ist, dass ich mein Vaterland zu sehr liebe. - Gibt es etwas, wovor Sie sich fürchten? - Dass mich die Guerilla umbringt, wenn ich hier rauskomme. |
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