Guatemala und die Freihandelsabkommen
Fijáte 235 vom 16. Mai 2001, Artikel 1, Seite 1
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Guatemala und die Freihandelsabkommen
Als am 15. März 2001 das Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und Guatemala in Kraft trat, titelte die Tageszeitung Prensa Libre: "Viele der Fragen, die um das Freihandelsabkommen in der Luft hängen, werden sich ab heute klären". Tatsächlich geht das Thema an vielen GuatemaltekInnen vorbei, bzw. sie verstehen nicht, worum es geht und lassen sich deshalb von Slogans wie "Eine Chance für die Industrie, die Landwirtschaft und den Handel" beeindrucken. Entsprechend fehlen denn auch kritische Stimmen dem Freihandelsabkommen gegenüber. Der folgende Artikel wurde vom Centro de Estudios de Guatemala (CEG) speziell für den ¡Fijáte! geschrieben und zeigt auf, wer vor allem von den Freihandelsverträgen profitiert. Normalerweise bringen wir die Freihandelsabkommen im allgemeinen und die Welthandelsorganisation (WTO) im speziellen, nicht mit unserer täglichen Realität in Zusammenhang. Zweifellos gibt es einen sehr direkten Zusammenhang. Teil dieser Dynamik ist die Bildung von regionalen Wirtschaftsblöcken, die von den entwickelteren Wirtschaften dominiert werden. Im Fall von Lateinamerika äussert sich dies in der Aushandlung von Freihandelsverträgen (TLC), deren Ziel die Gründung eines von den Vereinigten Staaten angeführten, kontinentalen Marktes sind. Die einzelnen TLC sind Teile eines Puzzles, das, wenn es einmal ganz zusammengesetzt ist, die gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA/FTAA) ergibt. In einer solchen Zone sind die wenigen überlebenden nationalen Betriebe dazu verdammt, an den Strassenrändern Zukkerrohr und Früchte zu verkaufen, während die Lastwagen des Freihandels an ihnen vorbeiflitzen. Guatemala kann sich dem Globalisierungsprozess, der sich auf der ganzen Welt ausbreitet, nicht verschliessen. Und auch wenn die Globalisierungswelle über alle Länder Lateinamerikas hinwegfegt, ist es doch wichtig, die jeweilige nationale Realität etwas genauer anzuschauen, um zu verstehen, ob, was und wem ein Freihandelsabkommen etwas bringt. Die Unterzeichnung des regionalen Freihandelsabkommens Triangulo Norte - die am 15. März stattfand und an dem Mexiko, Guatemala, El Salvador und Honduras beteiligt sind fand in Guatemala in einem nationalen Kontext statt, der geprägt war (und ist) von Konfrontationen zwischen der Regierung und den traditionellen Wirtschaftskräften. Auf einen Nenner gebracht kann gesagt werden, dass die Globalisierung einige grosse transnationale Unternehmen begünstigt, nämlich die wettbewerbsfähigen, die es schaffen, ihre Produkte gewinnbringend zu vermarkten. Beeinträchtigt werden dadurch die lokalen, kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Souveränität der einzelnen Staaten. In vereinzelten Fällen fördert ein Freihandelsvertrag auch das wirtschaftliche Wachstum einzelner Unternehmen in einem sogenannten Entwicklungsland. Diese Unternehmen können dank dem Abkommen ihren Markt erweitern und beträchtliche Gewinne erwirtschaften, die aber in keiner Weise die ökonomische Situation des Landes bzw. der Bevölkerung verbessern. Mexiko hat seit einigen Jahren, konkret seit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten und Kanada, seine wirtschaftlichen Interessen nach Guatemala ausgebreitet, da sich gezeigt hat, dass das Land auf dem nordamerikanischen Markt nicht konkurrenzfähig ist. Bereits Präsident Alvaro Arzú hat begonnen, die Grenzen nach Mexiko zu öffnen, was den mexikanischen Unternehmen und einer kleinen Gruppe guatemaltekischer Unternehmen zu Gute kam. Vorgängig zum Freihandelsabkommens Triangulo Norte (TLC-TN) wurden bilaterale Teilabkommen (APP) zwischen den einzelnen Ländern und Mexiko abgeschlossen. Im konkreten Fall von Guatemala profitierte dabei in erster Linie Mexiko und übte mit der jährlich wiederholten Drohung, das APP nicht mehr zu erneuern, enormen Druck auf Guatemala aus, den TLC-TN zu unterzeichnen. Unter dem APP verkaufte Mexiko in Guatemala jährlich Waren für 600 Millionen US-$, während Guatemala nur für 105 Millionen US-$ Waren nach Mexiko exportiert. Diese 105 Millionen entsprechen 4.3% des guatemaltekischen Exportvolumens, im Fall von Mexiko entsprechen die 600 Millionen bloss 1% des Exportvolumens. Nach oben |
Diese Ungleichheit wird sich auch unter dem TLC-TN und jedem anderen Freihandelsabkommen fortsetzen, und die nationale Wirtschaft wird durch die wirtschaftliche Öffnung nach und nach zerstört. Ein Beispiel dafür ist der Import von mexikanischen Kartoffeln, der die kleineren guatemaltekische Kartoffelproduzenten in eine Krise gestürzt hat. Ein anderes Beispiel ist das Brot: Mit der Überschwemmung des guatemaltekischen Marktes durch das Brot der mexikanischen Marke 'Bimbo' mussten viele der kleineren Bäckereien den Betrieb einstellen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass diejenigen Produkte, mit denen Guatemala auf dem Weltmarkt mithalten könnte, wie z.B. Zucker, Kaffee, Bananen, Bier, Textilien und Zement, vom Freihandelsabkommen mit Mexiko ausgeschlossen wurden. Laut Angaben der guatemaltekischen Handelskammer CACIF sind rund 40% der guatemaltekischen Exportprodukte nicht im TLC-TN aufgenommen. Grundsätzlich versuchen die Länder, beim Abschluss von Freihandelsabkommen die nationalen Produktion zu schützen. Chile z.B. schützt seine Zuckerindustrie, indem es 35% Steuern auf importierten Zucker verlangt. Letztes Jahr gewährten die Vereinigten Staaten den zentralamerikanischen Ländern Importvergünstigungen für 250 Millionen Quadratmeter Stoff, vorausgesetzt der Faden, aus dem dieser gewoben ist, kommt aus den USA. Im Fall von Guatemala hat die Regierung diese Bedingung widerspruchslos angenommen und so die nationale Spinnereiindustrie dem Untergang geweiht. Ein anderer Nachteil des Freihandelsabkommens für ein Land wie Guatemala ist der Verlust von Importzöllen. Rund 300 Millionen Quetzales (ca. 39 Millionen US-$) flossen jährlich an Importzöllen in die guatemaltekische Staatskasse. Deren Ausbleiben bedeutet ein beträchtlicher Verlust für das Haushaltbudget. Um das aufzufangen, wird dann als erstes das Sozialbudget gekürzt. Ein weiteres Problem des TLC-TN ist, dass es den zentralamerikanischen Ländern nicht gelungen ist, eine einheitliche Position gegenüber Mexiko zu vertreten. Dies stärkte die Verhandlungsposition Mexikos und hat nun zur Folge, dass die mexikanischen Produkte den zentralamerikanischen Markt überschwemmen. Die globalisierte und neoliberale Realität schränkt die Möglichkeiten eines einzelnen Staates ein, unabhängige Wirtschaftspolitiken zu entwickeln, die den lokalen Markt schützen. Für Guatemala ist das besonders schlimm, da diese Realität einen direkten Einfluss auf die nationale Produktion hat, dem wichtigsten Pfeiler der nationalen Wirtschaft. Hätte Guatemala sich mehr Zeit gelassen und seriösere Analysen gemacht, hätten auf jeden Fall bessere Bedingungen für die nationale Ökonomie ausgehandelt werden können. Wenn schon, hätte z.B. eine schrittweise Einführung des TLC-TN ausgehandelt werden müssen, um der nationale Industrie die Möglichkeit zu bieten, sich auf die Konsequenzen vorzubereiten. Jetzt werden die Schliessungen vieler Fabriken und Kooperativen sowie eine Zunahme der Arbeitslosigkeit die Folge sein. Ein weiterer Mythos den es zu durchbrechen gilt, ist das Märchen von niedrigeren Preisen, die ein Freihandelsabkommen mit sich bringen soll. Mit einer Öffnung kommen nicht nur mehr Waren in ein Land, sondern auch die Technologisierung, mehr Werbung und eine raffiniertere Vermarktung. Elemente, die zur Folge haben, dass die Leute nicht unbedingt immer das Billigste kaufen. Einmal mehr werden diejenigen Gruppen bevorzugt, die der Regierung nahestehen, die alle Vorrechte geniessen, um gute Geschäfte zu machen - der Bevölkerung nützt das überhaupt nichts. Es müssen unbedingt noch einige Aspekte berücksichtigt werden, die im TLC-TN nicht bis ins Detail definiert sind, um die nationale Industrie zu schützen. Ausserdem muss die Regierung spezielle Programme entwickeln, um den kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, sich auf den Wettbewerb mit den technologisch und finanziell besser dotierten transnationalen Unternehmen vorzubereiten. Der TLC-TN hätte eine Chance sein können, aber er ist es nicht, angesichts der Unterschiede zwischen den Mitgliedländern und der Unfähigkeit der guatemaltekischen Regierung, eine mittel- und langfristige Strategie zu entwikkeln, damit das Land nicht vom ausländischen Markt überschwemmt wird. |
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