12. MINUGUA-Bericht über Menschenrechtssituation
Fijáte 244 vom 19. Sept. 2001, Artikel 6, Seite 4
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12. MINUGUA-Bericht über Menschenrechtssituation
Guatemala, 4. Sept. Der 12. Bericht der MINUGUA über die Situation der Menschenrechte in Guatemala umfasst die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001. Die Situation wird als stagnierend bis rückschrittlich beschrieben und in einen direkten Zusammenhang mit den anderen Friedensabkommen gebracht, deren Umsetzung auch keinen Schritt vorankommt. Von dieser Situation am meisten betroffen sind die historisch marginalisierten Gruppen wie die Indígenas und die Frauen. Im guatemaltekischen Menschenrechtsabkommen ist festgehalten, dass MINUGUA ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der zivilen und politischen Rechte wirft. In vergangenen Jahr hat MINUGUA 3986 Verletzungen dieser Rechte beobachtet. Der Bericht beschreibt im Anhang exemplarisch 67 dieser Fälle. MINUGUA machte aber nicht nur eine quantitative sondern auch eine qualitative Analyse der Menschenrechtsverletzungen. Dabei werden zwei Faktoren speziell erwähnt: Die Straflosigkeit und das Weiterbestehen von aus dem bewaffneten Konflikt 'geerbten' Strukturen. Die Lynchjustiz und der Machtmissbrauch von Polizeiangehörigen sind die beiden Hauptgründe für die Verletzung des Rechts auf Leben. Während der untersuchten Zeit hat die Beteiligung von Mitgliedern der Gemeinderegierungen und von Angehörigen der ehemaligen Zivilpatrouillen an Lynchmorden zugenommen. In verschiedenen Regionen trugen die Fälle von Lynchjustiz zu einer Situation der Unregierbarkeit bei, in der auch andere Menschenrechte verletzt wurden. MINUGUA stellte fest, dass Lynchjustiz häufiger in Gebieten angewendet wird, in denen während dem Krieg die sozialen Netze zerstört wurden. Das fehlen jeglicher Politik zur Prävention und Bekämpfung der Lynchjustiz, wirken, ebenso wie die Straflosigkeit, geradezu ermutigend. Im untersuchten Zeitraum fanden 88 Fälle von Lynchjustiz statt, das sind pro Monat rund 7 Fälle. Die zivile Nationalpolizei ist verantwortlich für eine hohe Anzahl von Menschenrechtsverletzungen. Der Machtmissbrauch durch Polizeiangehörige äussert sich in aussergerichtlichen Hinrichtungen und in Folterungen von Verhafteten mit Todesfolgen. Die Polizeiberichte sind so verfasst, dass es unmöglich ist, die Schuldigen zu eruieren. Im Verlaufe des letzten Jahres wurden auch zwei Fälle von aussergerichtlicher Hinrichtung bekannt, in die zweifellos Angehörige des Militärs involviert sind. MINUGUA beizeichnet diese Morde als 'soziale Säuberung'. Zugenommen haben auch die Morde und andere Delikte, deren Urheberschaft in illegalen und klandestinen Strukturen zu suchen sind. MINUGUA hat einen beunruhigenden Zusammenhang gefunden zwischen Gewaltdelikten und der Vorgehensweise einer Gruppe, der Mitglieder der ehemaligen Geheimdienstabteilung "Archivo" angehören. Diese Gruppe hat Kontakte zu Personen, die öffentliche Ämter bekleiden und entzieht sich jeglicher polizeilichen Kontrolle. In diesem Zusammenhang sind auch die Ermordung von Gefangenen zu sehen, z.B. diejenigen des wegen einer Kleinigkeit inhaftierten Luis Carlos García Pontaza, der aber als Zeuge im Fall Gerardi gegen die Angeklagten hätte aussagen sollen. Zu Beunruhigung Anlass geben auch die Angestellten privater Sicherheitsfirmen und die mangelnde Autorität des Staates über diese Firmen. Nach oben |
MINUGUA stellte im letzten Jahr beinahe eine Verdoppelung der Todesdrohungen gegen Justizangestellte, JournalistInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und PolitikerInnen fest. Auch diese Praxis schreibt MINUGA klar Leuten zu, die mit 'Methoden vergangener Zeiten' arbeiten. Beunruhigend ist, dass es in solchen Fällen oft hohe Staatsangestellte sind, die an der Seriosität der Personen zweifeln, die bedroht werden. Dies, obwohl sich die Regierung im Menschenrechtsabkommen dazu verpflichtet hat, jeder Anzeige nachzugehen und die Bedrohten zu schützen. Als Hauptproblem beim Schutz der Menschenrechte sieht MINUGUA zweifellos die systematische Straflosigkeit. 53% der von MINUGUA aufgenommenen Menschenrechtsverletzungen beziehen sich auf Unterlassungen und Fehler der Justiz. Straflosigkeit ist eine Folge der mangelnden Koordination zwischen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten. Dies wird unterstützt bzw. ausgenutzt von den noch funktionierenden Strukturen aus der Zeit des internen Konfliktes. Das Urteil im Fall Gerardi wird als ein Erfolg im Kampf gegen die Straflosigkeit gewertet. Als Gegenstück dazu nennt MINUGUA die Flucht von 78 Gefangenen aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Escuintla, an der laut MINUGUA Wachpersonal des Gefängnisses beteiligt gewesen ist. Diese Flucht hatte auch einen psychologischen Effekt bei der Bevölkerung, deren Glauben an die Behörden und die Justiz schon vorher nicht sehr stark war. Der Bericht von MINUGUA endet mit konkreten Empfehlungen an die guatemaltekische Regierung: Als Kernpunkt sieht MINUGUA die Umsetzung der in den Friedensabkommen festgelegten Punkte, wie die Auflösung des militärischen Geheimdienstes (EMP), die Schaffung eines dem Innenministerium unterstellten zivilen Geheimdienstes und die Ausarbeitung eines neuen Militärleitbildes. Auf gesetzlicher Ebene sind es: Schaffung eines Zivildienstes, Reform des Waffen- und Munitionsgesetzes, Verabschiedung des Parteien- und Wahlgesetzes, des Kinderschutzgesetzes und des Adoptionsgesetzes und Einsetzung der Kommission für Frieden und Einheit, die sich um die Wiedergutmachung für die Opfer des bewaffneten Konfliktes kümmert. |
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