Alkohol- und rauchfreier Oktober?
Fijáte 245 vom 3. Okt. 2001, Artikel 6, Seite 5
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Alkohol- und rauchfreier Oktober?
Guatemala, 28. Sept. Die eingereichten Rekurse gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer werden nach wie vor beim Verfassungsgericht behandelt und schon zeichnet sich ein neues Steuerdebakel ab: Noch während die Gerichtsverfahren gegen 24 Kongressabgeordnete wegen der Fälschung des Alkoholgesetztes ausstehend sind, verabschiedete der Kongress am 28. Juli ein Gesetz zur Besteuerung von Alkohol und Tabak, das am 1. Oktober in Kraft treten soll. Das Gesetz verlangt, dass der Liter Bier mit 1.50 Quetzales, der Liter Wein und Mineralwasser sowie die Schachtel Zigaretten mit je 1 Quetzal besteuert wird. Das Thema wurde Anfang August von den Protesten gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer verdrängt und wurde von den Medien erst jetzt, kurz vor der Einführung der Steuer, wieder aufgenommen. Am 24. September nämlich meldete die Tabacalera Centroamericana die Einstellung der Produktion für Guatemala. Die guatemaltekische Regierung hätte die Steuermarken, die ab 1. Oktober auf jedes Zigarettenpaket geklebt werden muss, noch nicht ausgeliefert und eigentlich müsste die Zigarettenlieferung für den Monat Oktober bereits bereitstehen. Da man aber nicht gegen das Gesetz verstossen wolle, indem man Zigaretten ohne Steuermarken verkaufe, warte man jetzt erst einmal ab, hiess es seitens der Tabakindustrie. Die neue Steuermarke ist noch nicht aufgeklebt und trotzdem klagt die Getränkeindustrie über Gewinneinbussen. Dies ist laut Gewerkschaften gar nicht möglich, würden doch die Steuern auf die KonsumentInnen abgewälzt. VertreterInnen der Gewerkschaft für Angestellte der Lebensmittelbranche (FESTRAS) informierten, dass in den Getränkefabriken die Entlassung von bis zu 6000 Personen bevorsteht. Bereits Ende August informierte die Abfüllfabrik von Coca Cola über die Entlassung von 607 (gewerkschaftlich organisierten) ArbeiterInnen, die restlichen 2300 Angestellten müssten mit einer Gehaltsreduktion um 17,5% rechnen. Nun hat auch die Firma Mariposa/Pepsi-Cola ihre Angestellten über das Ergreifen "drastischer Massnahmen" ab dem 1. Oktober informiert: 75 Entlassungen. Die Befürchtung der Gewerkschaften, dass die Unternehmer die Einführung der Steuermarke als Anlass nehmen, die Tarifverträge nicht mehr einzuhalten, erweist sich als richtig. GewerkschafterInnen der Bierbrauerei Cervecería Centroamericana informierten über eine Kampagne, mit der das Unternehmen die Angestellten zum Gewerkschaftsaustritt motivieren will, damit sie sich später nicht für ihre Arbeitsrechte wehren. In der Tabak- und Getränkeindustrie ist man sich einig darüber, dass das Debakel um die Steuermarken das bereits angekratzte Vertrauen der Bevölkerung in das guatemaltekische Steuersystem noch mehr schwächt und den Schwarzhandel fördert. Nach oben |
Auch die Regierung scheint überhaupt nicht auf die Einführung der Steuermarken vorbereitet zu sein. Es gibt noch keine Informationen darüber, wo sie zu beziehen sind und wie sie an die Waren angebracht werden sollen. Um noch etwas Zeit zu schinden, beantragte Eduardo Weymann die Verschiebung der Inkraftsetzung des Gesetzes um einen Monat. Doch damit nicht genug: Am 26. September wurde bekannt, dass die Regierung einer mexikanischen Firma einen Auftrag über 375'000 US-$ gegeben hat, für den Druck der Steuermarken. Dies widerspricht aber dem guatemaltekischen Gesetz, das vorschreibt, dass jeder Regierungsauftrag, der den Betrag von umgerechnet 112'500 US-$ übersteigt, öffentlich ausgeschrieben werden muss. In Auftrag gegeben wurde die Herstellung von 60 Millionen Steuermarken. Gemäss dem Finanz-Vizeminister Pluvio Mejicanos reicht das für einen Monat, gemäss der guatemaltekischen Getränkeindustrie für zwei Wochen... Der Skandal um die illegale Auftragvergabe zur Herstellung der Steuermarken kostete Mejicanos seinen Posten. Minister Weymann selber will von nichts gewusst haben - die Opposition fordert auch seinen sofortigen Rücktritt. Als Nachfolger Mejicanos wurde Luis Fernando Pérez bestimmt, der sich in seinem ersten Auftritt vor der Presse als absolut inkompetent erwies. Weder wollte er sagen, womit er sein Geld verdient, noch konnte er zwischen den Begriffen Bruttoinlandprodukt und Steuerdefizit unterscheiden... Der Auftrag an die mexikanische Firma für die Herstellung der Steuermarken, wurde sofort annulliert, doch da diese mit der Arbeit bereits begonnen hatte, muss ihr eine Abfindungssumme von rund 375'000 US-$ bezahlt werden. Gleichzeitig lehnte der Kongress die Verschiebung der Inkraftsetzung des Steuergesetzes ab. Die Steuer soll vorläufig aufgrund vereidigter Angaben der Getränke- und Tabakproduzenten erhoben werden, während eine Lösung gesucht werde, beschloss der Kongress. |
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