Zivilgesellschaft auf Konsenssuche
Fijáte 248 vom 14. Nov. 2001, Artikel 1, Seite 1
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Zivilgesellschaft auf Konsenssuche
Die schwierige Situation, die Guatemala in Sachen Wirtschaft und Regierbarkeit durchlebt, sowie die sich verhärtende Front, die zwischen den Parteien verläuft, hat zur Bildung von zivilgesellschaftlichen Initiativen geführt. Ihr Ziel ist es, aktiv Einfluss zu nehmen auf das politische Geschehen. Eine dieser Initiativen ist das Foro Guatemala, andere soziale Bewegungen, die auf die politisch-wirtschaftliche Situation Einfluss nehmen wollen, sind die Grupo Barómetro, die sich verschiedentlich zu aktuellen Themen geäussert hat sowie die guatemaltekische Bischofskonferenz (CEG). Diese engagierte sich in letzter Zeit vor allem gegen die Revision des kürzlich verabschiedeten Gesetzes für soziale Entwicklung, mit der Kritik, dieses Gesetz äussere sich zuwenig klar zur Abtreibungsfrage. Bis jetzt hat sich die Regierung nicht sehr interessiert gezeigt an diesen Bewegungen, einzig der Bischofskonferenz gelang es, sich Gehör zu verschaffen. Der folgende Artikel portraitiert diese jüngsten zivilgesellschaftlichen Initiativen und wurde dem Inforpress vom 12. Oktober 2001 entnommen. Unterdessen gibt es aber Anzeichen dafür, dass Präsident Portillo einen Schritt auf diese zivilgesellschaftlichen Initiativen zugeht, indem er (was nichts Neues ist) zu einem Nationalen Dialog aufruft. Das Foro Guatemala versteht sich als eine aus fünfzehn Organisationen gebildete, multisektorielle Instanz. Es entstand Anfang August, rund um die Proteste gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Einberufen wurde das Foro vom UnternehmerInnenverband (CACIF), den Rektoren der Universitäten San Carlos (USAC) und Rafael Landívar (URL) und der StudentInnenvereinigung (AEU) als eine Antwort auf die politische Krise. In Diskussionen unter einigen der heutigen Mitgliedern des Foro Guatemala war man sich einig, dass es ebenso wichtig wie unmöglich sei, in den Dialog mit der Regierung zu treten. Daraufhin wurden andere organisierte, soziale Gruppierungen eingeladen, sich der Initiative anzuschliessen, um gemeinsam eine grössere Repräsentativität zu erlangen. Grupo Barómetro ist eine Gruppierung, die sich auf die Erarbeitung konjunktureller Analysen spezialisiert. In dieser Gruppe sind verschiedene Meinungen vertreten, verkörpert durch u.a. ehemalige FunktionärInnen der Regierung Arzu, VertreterInnen sozialer Organisationen und AkademikerInnen der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (FLACSO). Mit demokratischen Mechanismen versucht man, zu Konsensen zu gelangen. Die Grupo Barómetro versteht sich als etwas Dauerhaftes. Das Foro Guatemala hingegen sucht laut Gonzalo de Villa, Rektor der URL, kurzfristige Antworten und Lösungen für die institutionelle und die Regierungskrise. De Villa schliesst aber nicht aus, dass auch das Foro eine gewisse Kontinuität entwickelt. "Das Foro versucht, Meinungsbildung zu betreiben mit dem Ziel, die Erfolge und Fehler der Regierung einschätzen und daraus Vorschläge erarbeiten zu können, die auf einer sozialen Basis aufbauen", erklärt Arturo Díaz von der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM). Die Zusammensetzung des Foro, das VertreterInnen fast aller politischen Spektren des Landes vereint und sogar historische Rivalen wie den CACIF und die ArbeiterInnenzentrale Guatemalas (CGTG) zusammenbringt, ist in der Meinung aller Beteiligten ein Ausdruck der gravierenden nationalen Situation. Mitglieder des Foro haben sich kürzlich mit RichterInnen des Verfassungsgerichts getroffen und den Antrag gestellt, die von der FRG gepuschte Revision des Wahl- und Parteiengesetzes zu revidieren. Das Foro spricht sich gegen diese Revision aus, deren Hauptziel es ist, General Ríos Montt, Generalsekretär der FRG und ehemaliger Staatschef, eine Teilnahme an den nächsten Wahlen zu ermöglichen. Das Foro hat auch Vorschläge gemacht, wie die wirtschaftliche Sicherheit der UnternehmerInnen garantiert werden kann, oder wie eine funktionierende und effiziente Steuerreform auszusehen hätte. Nach oben |
Trotz all ihren konstruktiven Vorschlägen haben weder die Grupo Barómetro noch das Foro Guatemala von der Regierung bisher eine Antwort erhalten, ein Verhalten, das der StudentInnenaktivist Mario García als 'apathisch' bezeichnet. Entsprechend gross ist denn auch die Skepsis gegenüber dem von Präsident Portillo in diesen Tagen versprochenen 'Nationalen Dialog' (siehe Artikel nächste Seite). Eine Beteiligung der von der Regierung respektierten Bischofskonferenz (CEG) im Foro könnte diese Situation verändern. Die Geschichte zeigt, dass die Kirche in wichtigen Momenten oft die Macht ihres Einflusses hat spielen lassen, zum Guten wie zum Schlechten. Mario Molina von der CEG glaubt, dass die Kirche innerhalb der Gesellschaft deshalb eine wichtige Position einnimmt, weil sie nicht nur ihre Würdenträger sondern auch die Gläubigen vertritt. Dadurch wird sie zu einem Element, das von den Regierungen nicht übergangen werden kann. Am 3. Oktober trafen sich Vertreter der Kirche mit der Regierung, um Themen wie den Hunger, die Friedensabkommen, die Erhöhung des Haushaltsbudgets fürs Erziehung- und Gesundheitswesen sowie die Rechtsstaatlichkeit zu diskutieren. Das Treffen fand auf Ersuchen der Regierung statt, was laut Molina nichts Aussergewöhnliches ist. Mehr als eine Diskussion sei es jedoch ein Austausch von Positionen gewesen, meinte er. Entsprechend bestritt er, dass die Kirche einen politischen Einfluss auf die Regierung ausübe, obwohl diese durchaus Wert auf die Meinung der Kirche lege. Weiter betonte Molina, dass sich die Kirche nicht nur dann politisch betätige, wenn es darum geht, katholische Positionen zu vertreten, sondern wann immer es die Ethik und die menschliche Würde verlange. |
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