Wird die Strafjustiz zum Niemandsland?
Fijáte 281 vom 26. März 2003, Artikel 10, Seite 6
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Wird die Strafjustiz zum Niemandsland?
Guatemala, 18.März. Sergio Morales, Leiter des Menschenrechtsprokurats (PDH) äusserte sich besorgt hinsichtlich der Krise, mit der sich die öffentliche Strafverteidigung konfrontiert sieht. Der stark zusammengestrichene Etat behindert diese staatliche Institution mehr und mehr, ihre Funktionen angemessen auszuüben und jenen Häftlingen zur Seite zu stehen, die sich keineN AnwältIn leisten können. Aufgrund der Haushaltskürzung mussten 250 PflichtverteidigerInnen ihr Amt niederlegen, lediglich 98 führen die Arbeit fort. Dies ist definitiv zu wenig und stellt laut Morales ein Risiko für die Strafjustiz und die Gerichtsverwaltung des ganzen Landes an sich dar. Die Situation wird zudem erschwert durch die Tatsache, dass gerade jetzt Reformen der Strafprozessordnung in Kraft treten sollen, um die Friedensgerichte zu stärken und wofür natürlich auch mehr StaatsanwältInnen und VerteidigerInnen von Nöten sind. Ein weiteres Problem ist das absolute Misstrauen der Bevölkerung in Justizsystem. Gemäss einer Ende 2002 durchgeführten Umfrage bezeichnen 86% der GuatemaltekInnen die Gerichte als korrupt. Eine eigens für die Untersuchung von Korruptionsfällen in der Rechtssprechung gebildete Kommission erhielt seit ihrer Einsetzung im Jahre 2000 bloss sieben Anzeigen. Davon konnte mangels Beweisen keine zu einem 'positiven' Abschluss geführt werden. Zu Krise im Justizwesen gesellt sich diejenige im Gefängnissystem, die durch den Rücktritt der Direktorin Irma Arriaza und ihrer Stellvertreterin eine neue Wendung nimmt. Arriaza begründet ihren Rücktritt zum einen damit, dass die oberen Ränge des Regierungsministeriums ihr keine unabhängige Arbeit erlauben, zum anderen solidarisiert sie sich mit dem plötzlich gekündigten Emer Luch, Finanz- und Administrationsleiter der Institution. Kurz zuvor war der "Verlust" von monatlich Q 7´000, die für die Häftlingsverpflegung gedacht waren, aufgedeckt worden. Während der sieben Monate, in denen Arriaza der Einrichtung vorstand, kam es zu den zwei blutigsten Gefängnismeutereien des Landes. Die Nachfolge von Arriaza wird von Präsident Portillo bestimmt. Als Zeichen seines Goodwills gegenüber den Menschenrechtsorganisationen bat er diese, geeignete KandidatInnen vorzuschlagen. Laut der Organisation der Familienangehörigen und FreundInnen verschwundener Personen (FADS) reicht es aber nicht, die Zivilgesellschaft an der Wahl einer Nachfolge von Arriaza teilnehmen zu lassen. Viel notwendiger wäre das Schaffen und Garantieren von Bedingungen, damit diese Person unabhängig arbeiten könne. Auf Druck von sozialen Gruppen und RechtsfürsprecherInnen wird die Verabschiedung eines neuen Gesetzes des Strafsystems in die aktuelle Legislativ-Agenda aufgenommen. Darin soll u.a. die Differenzierung der Haftzentren geregelt und der Inhaftierung ohne richterliche Verfügung ein Riegel vorgeschoben werden. Nach oben |
Dazu Ausschnitte eines Kommentars aus der Tageszeitung Prensa Libre: "Das Grundproblem der Gefängnisse ist die Verkettung von Korruption, unmenschlichen Bedingungen und dem totalen Mangel an Autorität, die sie in Schweineställe verwandelt. Im Preventivo sind die Sektoren 1 und 2 Niemandsland, wo die Verbrecher der schlimmsten und gefährlichsten Sorte regieren, die Teil des organisierten Verbrechens sind und den Drogenhandel im Knast kontrollieren. (...) es ist bekannt, dass viele Häftlinge in der Nacht das Gebäude verlassen, es gibt Waffenhandel und es herrscht starke Komplizenschaft. (...) In keiner realen Demokratie bleibt ein Regierungsminister nach zwei Aufständen mit 20 Toten in seinem Amt, und noch weniger, wenn ein Gefangener ihm per Telefon sagt, wie er seine Arbeit zu tun habe." |
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